Angesichts der massiven Kürzungspläne bei der Einspeisevergütung für Solarstrom hat sich nun auch der Vorstand des Hamburger Modulherstellers Conergy zu Wort gemeldet. Grundsätzlich hält Vorstandschef Philipp Comberg weitere Absenkungen der Vergütung für richtig, aber die geplante Umsetzung sei falsch. „Die Kurzfristigkeit ist für niemanden am Markt akzeptabel“, sagt er. Damit sei die „Glaubwürdigkeit des Standortes Deutschland“ gefährdet.
Überall Verluste, überall tiefrote Zahlen
Comberg erwartet, dass viele Photovoltaikhersteller von den geplanten Einschnitten bei der Solarförderung massiv betroffen sein werden, auch die chinesische Produzenten. „Der Preiskampf wird sich weiter verschärfen“, prognostiziert er. Allein im vergangenen Jahr seien die Preise für Solarmodule um etwa 40 Prozent gesunken. „Da in diesem Jahr wesentliches Wachstum für den globalen Solarmarkt nicht zu erwarten ist, werden viele Unternehmen versuchen, ihren Marktanteil mit niedrigeren Preisen zu halten", schätzt Comberg ein. Seit 2011 werden Solarmodule zu Preisen angeboten, die unter den Herstellungskosten liegen. Das bilden die Bilanzen der großen Produzenten deutlich ab: Die chinesischen Konzerne Suntech und Trina rutschten mit Milliarden US-Dollar in die roten Zahlen, bei Solarworld summierten sich die Verluste auf mehr als 200 Millionen Euro.
Altminister Töpfer kritisiert Kürzungspläne
Auch der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) warnt deshalb vor zu schnellen und zu hohen Einschnitten bei der Einspeisevergütung. Die angekündigten Kürzungen und Änderungen für die Photovoltaik haben für große Unsicherheit in der Solarbranche gesorgt. In einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ nannte er die die Kürzung der Einspeisetarife „ein Gebot der Vernunft“. Töpfer fügte jedoch hinzu: „Ich meine aber, dass die Kürzungen zu schnell vonstattengehen.“ Die Bundesregierung müsse die Konsequenzen der Gesetzesänderungen im Blick behalten. „Auf kurze Fristen reagiert die Branche extrem sensibel, weil es am Vertrauensschutz hapert“, warnte der Umweltexperte. Er forderte mehr Planungssicherheit für Investitionen, beispielsweise in große Solarkraftwerke.
Das Votum der Bundesländer
Der Spielball liegt nun bei den Bundesländern, denn nach der Lesung im Bundestag sind sie zu einem Votum aufgefordert. „Die Pläne der Bundesregierung zur Anpassung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes mit drastischen Kürzungen bei der Photovoltaikförderung gefährden die energiepolitischen Zielsetzungen und müssen dringend korrigiert werden“, fordert Jan Dobertin, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft für erneuerbare Energien in Nordrhein-Westfalen (LEE NRW). „Der von der Bundesregierung beschlossene dreiwöchige Aufschub für die Kappung der Solarförderung bis Anfang April ist da längst nicht ausreichend und lässt wesentliche Kritikpunkte der Branche an der geplanten EEG-Änderung unberücksichtigt.“ Dobertin wendet sich weiterhin gegen die Höhe der zusätzlichen Förderkürzung, die sich je nach Marktsegment bis zum Januar 2013 auf 26 bis 39 Prozent belaufen kann. Das überfordere die Solarunternehmen in ihren kurzfristigen Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken. „Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung auf der einen Seite mit Offshore-Windenergieanlagen eine zentrale Stromerzeugungsform mit zuletzt erhöhten Vergütungssätzen fördert und gleichzeitig bei einer erprobten dezentralen Technologie, wie der Photovoltaik, deutliche Einschnitte vornimmt.“, kritisiert Dobertin. So hätten die Vergütungssätze der Photovoltaik auch ohne die neuen Kürzungen bereits Anfang 2013 auf dem Niveau von Windenergieanlagen auf See gelegen und würden in den kommenden Jahren weiter deutlich sinken. Eine ähnliche Kostenentwicklung sei bei der Offshore-Technik nicht absehbar.
8.000 Jobs in NRW in Gefahr
Auch die schrittweise Absenkung des Zubaukorridors bis 2017 auf jährlich unter zwei Gigawatt sowie insbesondere die Verordnungsermächtigung zur Vergütungsfestsetzung durch die Bundesregierung schaffe erhebliche Investitionsunsicherheit. Deshalb warnt der Dachverband der nordrhein-westfälischen Regenerativwirtschaft vor erheblichen Folgen für den „Solarstandort NRW“. Ein Großteil der gut 8.000 Arbeitsplätze im bevölkerungsreichsten Bundesland sei gefährdet. Das Umsatzvolumen – zuletzt im Jahr 2010 rund 4,1 Milliarden Euro - drohe deutlich einzubrechen. „Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass sich NRW- Klimaschutzminister Johannes Remmel (Bündnis 90/ Grüne) kürzlich klar zur Solarenergie bekannt hat und ankündigte, sich für deutliche Korrekturen bei der EEG-Änderung einzusetzen“, sagt Dobertin. „Es wäre allerdings auch ein wichtiges Signal, wenn - wie in anderen Bundesländern – die Ministerpräsidentin sich diesem Ziel anschließen und damit einer zukunftsfähigen Branche im Land öffentlich den Rücken stärken würde.“ Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft halte sich bisher jedoch auffallend bedeckt. (Heiko Schwarzburger)