Trotz der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus den östlichen EU-Staaten am 1. Mai 2011 bleibt der Mangel an Facharbeitern in der deutschen Wirtschaft bestehen. Denn der Ansturm auf den deutschen Arbeitsmarkt ist ausgeblieben. Statt der noch im April erwarteten 140.000 Arbeitskräfte, die vor allem aus Polen und den baltischen Staaten erwartet wurden, kamen tatsächlich bis Ende des Jahres nur 55.000. „Das sind wesentlich weniger als befürchtet und es sind viel weniger als wir brauchen“, sagt Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit. Vor allem Wirtschaftszweige wie die Energie- und die Elektrobranche sind vom Mangel an Fachkräften betroffen, wie die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Monatsbericht vom Dezember 2011 feststellt.
Arbeitsmarkt zweiter Wahl
Für viele ausländische Arbeitskräfte ist Deutschland nur ein Arbeitsmarkt zweiter Wahl. Ein Großteil der Menschen, die sich nach einer neuen Perspektive in Europa umsehen, sind bereits in Länder gegangen, in denen sie bereits seit 2004 arbeiten dürfen. Daran wird sich in nächster Zeit kaum etwas ändern, denn „Die Erfahrung ist, dass Menschen dort hingehen, wo sie ihre Landsleute treffen“, meint Weise. Außerdem macht es die deutsche Bürokratie den ausländischen Arbeitskräften schwer, hier Fuß zu fassen. Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit ist es aber notwendig, dass Fachkräfte aus dem Ausland einwandern, auch wenn der drohende Fachkräftemangel nach Weises Ansicht in erster Linie aus dem inländischen Potenzial gedeckt werden muss. „Die erste Priorität ist, Arbeitslose in Arbeit zu bringen“, so der Chef der Bundesagentur. „Lücken zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und der Qualifikation des Bewerbers müssen gegebenenfalls mithilfe von Weiterbildungen geschlossen werden.“
Messeauftritte nutzen
Außerdem tun sich vor allem mittelständische Unternehmen schwer, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden. „Drei von vier Unternehmen hatten im Zeitraum 2010 bis 2011 Probleme, Stellen zu besetzen“, heißt es in einer aktuellen Analyse des RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft in Eschborn, einem bundesweiten Netzwerk, das sich der Unterstützung des Mittelstandes widmet. Hier fehlt es nicht an Wissenschaftlern, sondern vor allem an Technikern und Installateuren, die die Anlagen aufbauen. Doch allein auf ausländische Arbeitskräfte zu setzen reicht nicht. „Die Unternehmen müssen auch das inländische Potenzial besser abschöpfen“, sagt Peter Kranzusch vom Bonner Institut für Mittelstandsforschung gegenüber der Wirtschaftswoche. Neben der Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook und Xing, sind es vor allem Auftritte auf Fach- sowie Job- und Bildungsmessen wie die Zukunftsenergie Nordwest, die am 9. und 10. März 2012 in Oldenburg stattfindet. Aber auch Kontakte zu Schulen und Universitäten sind entscheidend, um schon frühzeitig junge Leute in das Unternehmen einzubinden und Schüler für die Branche zu interessieren. (Sven Ullrich)