Schon im Mai hatte die sogenannte schwarz-gelbe Koalition ein Versprechen aus einem mit Anti-Windkraft-Parolen gespickten Wahlkampf teilweise umgesetzt: Mit der Verabschiedung eines Windenergieerlasses der Landesregierung im Landesparlament wurde eine Abstandsempfehlung von 1.500 Metern für neue Windparkplanungsflächen rings um „reine Wohnsiedlungen“ offiziell. Nun kündigte die Düsseldorfer Regierung an, mit einer Bundesratsinitiative eine erneute Länderöffnungsklausel für Sonderregeln gegen die Windparks zu fordern. So wollen die schwarz-gelben Koalitionäre ihre Empfehlung für die 1.500-Meter-Mindestabstände zu Siedlungen zu einem rechtskräftigen Bannkreis für Windparks um Siedlungen werden lassen. Erstmals hatte Bayern eine Länderöffnungsklausel durch den Bundesrat durchgesetzt und 2014 eine damit eine landesweite Abstandsregel für Windparkprojekte um Siedlungen von bis zu 2.000 Meter erreicht.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hofft mit ihrer neuerlichen Länderöffnungsklausel ein rechtlich scharfes Instrument zu erhalten. Die Länderöffnungsklausel soll nämlich die sogenannte Privilegierung der Windkraft zumindest kurzzeitig außer Kraft setzen. Sie ist im Baugesetzbuch verankert und gestattet grundsätzlich, dass Windparkprojektierer ihrer Vorhaben außerhalb von geschlossenen Ortschaften privilegiert vorantreiben dürfen – dass also ihre Projekte einen Vorzug vor anderen Landnutzungen erhalten. Nur wenn höherrangige Interessen wie Naturschutz oder Flugsicherung dem widersprechen, dürfen die Genehmigungsbehörden Windparkprojekte den Investoren daher das Baurecht für die Turbineninstallationen versagen.
Als Einschränkung für diese Privilegierung gelten in der Praxis zwar bisher schon sogenannte Regionalplanungen. In diesen legen mehrere Kommunen einer Region sowie Vertreter von der Landesverwaltung und den Landkreisen fest, auf welche Flächen die Windparkplanungen konzentriert bleiben sollten, um andere Flächen dafür zum Beispiel zum Vorteil von Tourismus und unberührten Landschaftsansichten von Windkraftshilhouetten freizuhalten. Verbindliche, fixierte Abstandsregeln für Windparks allerdings sind gewöhnlich nicht erlaubt, da auch Gerichte in der Vergangenheit immer wieder das vorrangige Ziel der Privilegierung der Windkraft im Baugesetzbuch hingewiesen hatten: Letztlich müssten die Regelungen der Windparkplanung es weiterhin erlauben, der Windkraft „in substanzieller Weise Raum schaffen“ zu können. Abstandszonen rings um Siedlungen für Windkraft durften deshalb nur dadurch entstehen, dass sie Bewohner vor messbar unzumutbaren Belastungen wie Lärmbelastungen schützten. Statt fixer Abstände können die Genehmigungsbehörden somit gewöhnlich nur jeweils vom Standort abhängige Abstände zu den Anwohnern verlangen, die eine Lärmbelastung oberhalb zulässiger Schallgrenzwerte vermeiden.
Als einziges Bundesland hat Bayern bereits einmal durch eine zugelassene Länderöffnungsklausel es erreicht, dass es eine landesweite Abstandsregelung einführen durfte. Seit 2014 gilt daher die Regel 10-H, wonach in Bayern Windparks nur in einer Entfernung der zehnfachen Gesamthöhe ihrer Anlagen von Siedlungen erlaubt sind: die hier gemeinte Höhe (H) vom Sockel bis zur Spitze eines senkrecht ausgerichteten Rotorblattes beträgt bei modernen Windturbinen aber mindestens 200 Meter. Daher sind bei einer Distanz des Zehnfachen dieser Höhe (10H) in Bayern seither Abstände zu Siedlungen für neue Windparks von im Endeffekt 2.000 Metern vorgeschrieben. Das bereits sichtbare Resultat in Bayern ist, dass dort mittlerweile fast keine neuen Projekte mehr Baugenehmigungen erhalten.
Die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen will allerdings die Länderöffnungsklausel nicht nur für eine strengere Abstandsregel von 1.500 Meter Pflichtabstand für Windparks zu Siedlungen erreichen. Außerdem plant sie, den Kommunen eine zwei- statt wie bisher nur eine einjährige Sperrfrist für Windparkprojekte zu gewähren, wo diese ihren Flächennutzungsplänen widersprechen.
Ohne es zu erklären, stellt sich Nordrhein-Westfalen damit nun an die Seite der rot-roten Landesregierung in Brandenburg. Auch die brandenburgische Regierung will nun eine Bundesratsinitiative gegen die Windkraft starten. Sie sucht Verbündete dafür, sogar generell die Privilegierung der Windkraftprojekte im Außenbereich von Siedlungen abzuschaffen. Die brandenburgische Koalition aus SPD und Linkspartei möchte zwar bisher keinen generellen Mindestabstand vorgeben, aber es Kommunen überlassen, solche Regelungen selbst zu vorzugeben.
Ob Zufall oder nicht: Beide Bundesländer sind die wichtigsten Braunkohlebergbauländer Deutschlands mit Standorten für besonders große Kohlekraftwerke. Und wie auch einige Regierungspolitiker in Potsdam stellen sich führende Politiker der Regierung in Düsseldorf öffentlich gegen einen ambitionierten Kohleausstiegsplan durch die sogenannte Kohlekommission. In dieser sind derzeit auf Einladung der Bundesregierung Gegner und Befürworter der Kohlekraftnutzung, Vertreter der Kohle-Industrie-Beschäftigten sowie von Umweltverbänden versammelt, um bis zum Jahresende ein Enddatum für die Kohlekraftnutzung und einen groben Fahrplan für ein schrittweises Abschalten der Kohlekraftwerke vorzulegen. Die durch das Schließen erster Kohlekraftwerke entstehende Lücke in der Stromversorgung sollen nach den Vorgaben der Bundesregierung zum Beispiel zusätzliche Photovoltaik- oder Windenergieanlagen füllen.
(Tilman Weber)