Das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen wird nach Ansicht von Experten kaum gelingen, ohne das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu filtern und dauerhaft zu speichern. Im Forschungsprojekt NECOC (NEgative CarbOn dioxide to Carbon) ist es jetzt gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das negative Emissionen und die Produktion von Kohlenstoff für die Industrie miteinander verbindet.
„Kohlenstoff wird in der Industrie bei der Produktion von Batterien, in der Farbindustrie, im Agrarsektor oder auch bei der Herstellung von Baustoffen benötigt“, sagt NECOC-Koordinator Benjamin Dietrich vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Bislang stammt er meist aus fossilen Quellen.“
Versuchsanlage im Containermaßstab
Die Verbundpartner KIT, Ineratec und Climeworks entwickelten ein Verfahren, mit dem sich CO2 aus der Atmosphäre in Kohlenstoff verarbeiten lässt. „Wenn dieser dann langfristig gebunden bleibt, kombinieren wir negative Emissionen mit einem Baustein der postfossilen Rohstoffversorgung im Sinne einer zukünftigen Carbon-Management-Strategie. Das ist ein doppelter Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft“, so Dietrich.
In einer ersten Projektphase hat das Forschungsteam eine Versuchsanlage im Containermaßstab aufgebaut, die jetzt in Betrieb gegangen ist. Diese erste Ausbaustufe kann jeden Tag knapp zwei Kilogramm CO2 aus der Umgebungsluft entfernen und daraus 0,5 Kilogramm festen Kohlenstoff produzieren.
In drei Schritten vom Treibhausgas zum Wertstoff
Das NECOC-Verfahren kombiniert laut einer Mitteilung des KIT drei Prozessschritte:
- Im ersten Schritt wird mithilfe eines Adsorbers das CO2 aus der Umgebungsluft abgetrennt (Direct Air Capture).
- Im zweiten Schritt wird es in einem mikrostrukturierten Reaktor mit erneuerbar hergestelltem Wasserstoff aus einem angeschlossenen Elektrolyseur zur Reaktion gebracht. Die Bestandteile Kohlenstoff und Sauerstoff gehen dabei neue Bindungen ein, aus dem CO2 wird nun Methan und Wasser. Das Wasser fließt zurück in den Elektrolyseur, das Methan mit seinem Kohlenstoffbestandteil fließt weiter in einen Reaktor mit flüssigem Zinn.
- Im dritten Verfahrensschritt kommt es dort in aufsteigenden Blasen zur Pyrolysereaktion, die Methanmoleküle werden aufgespalten. Dabei entsteht Wasserstoff, der wieder zur Auftrennung von CO2 im Prozess verwendet wird. Übrig bleibt Kohlenstoff, der als mikrogranulares Pulver auf dem Zinn schwimmt und mechanisch kontinuierlich abgetrennt wird. Durch Änderung von Prozessparametern wie dem Temperaturniveau können dabei unterschiedliche Kohlenstoffmodifikationen wie Graphit, Carbon Black oder sogar Graphen hergestellt werden.
Optimieren und Skalieren für den industriellen Einsatz
Mit dem Start der Versuchsanlage hat das Projekt NECOC einen wichtigen Meilenstein und das Ende der ersten Förderphase erreicht. In einer zweiten Projektphase soll es für eine erweiterte Ausbaustufe skaliert und optimiert werden. „Wir wollen das Verfahren noch energieeffizienter machen, indem wir die Rückgewinnung von Prozesswärme verbessern“, sagt Projektleiter Dr. Leonid Stoppel vom ebenfalls beteiligten Karlsruher Flüssigmetalllabor Kalla. „Außerdem betrachten wir die Integration von Hochtemperatur-Wärmespeichern und die direkte Einbindung solarer Wärme.“ Weiterhin sollen die Einbindung von CO2-Punktquellen, neuartige Ansätze zur Entnahme des CO2 aus der Luft sowie der Einfluss von Spuren- und Begleitkomponenten aus dem Prozessverbund auf die Kohlenstoffqualität untersucht werden. (kw)
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