„Ein gutes Jahr“ und, es sei gelungen, den Übergang zu glätten: zwischen dem bisherigen Vergütungssystem mit gesicherten Einspeisetarifen für alle genehmigten Windparkprojekte zu einer Vergütung nur nach gewonnenen Ausschreibungen. So bewerten die Organisationen der Windkraftindustrie, BWE und Windenergieabteilung des Maschinenbauverbandes VDMA, die Installationsergebnisse in Deutschland des vergangenen Jahres. Bei ihrer gemeinsamen Präsentation der vom Analyse-Dienstleister Deutsche Windguard erstellten neuen Jahresstatistik am Dienstag machten die Führungen beider Organisationen deutlich, dass die Windindustrie sich für den neuen Markt der Ausschreibungen gerüstet sieht. Dieser entsteht bis 2019, weil das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ab 2017 ein Auslaufen der gesicherten bisherigen Vergütung bis Ende 2018 vorsieht und ab 2019 nur noch die 2017 startenden Auktionen neuer Vergütungsrechte.
Dennoch sehen die Windenergievertreter auch Gefahren für den deutschen Windmarkt, die zu ernsthafter Verunsicherung der Branche führen können. So forderte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), eine rasche Überprüfung der ebenfalls im EEG 2017 eingeführten Netzausbauregion. Nach dem ersten Ausschreibungsjahres 2017 müsse evaluiert werden, was an Windenergienutzung durch die künstliche Reduzierung des Zubaus in den bisherigen Windenergie-Konzentrationsregionen Norddeutschlands herausfalle. Und wo sinnvollerweise korrigiert werden müsse. Die Netzausbauregion soll den starken Zubau in den besonders windreichen Küstenländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und weiten Teilen Niedersachsen begrenzen, um die dort mitunter durch starke Wind- und Sonnenstromeinspeisungen gefüllten Netze zu entlasten. Diese Begrenzung soll so lange anhalten, bis die Netzbetreiber ihre Leitungen wieder genügend ausgebaut haben, um große Windstrommengen verlässlich in die Regionen mit großem Stromverbrauch zu garantieren.
Vor allem auf die Sektorenkopplung setzen beide Windenergieorganisationen ihre Hoffnung. Hier müssten rasch Regelungen folgen, um das im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eröffnete Fenster für die Nutzung überflüssigen Stroms für das Erhitzen von Warmwassertanks weiter aufzumachen: Wind- und Sonnenstrom könnte dann auch in die Energieversorgung des Verkehrs bei Elektromobilität fließen oder auch in die Produktion sogenannten Windgases, das sich entweder in Strom rückverwerten oder für Wärmeerzeugung nutzen ließe. Bislang stehen wirtschaftlichen Sektorenkopplungsprojekten allerdings steuerliche Hürden entgegen.
„Der Bedarf an Sektorenkopplung wird wachsen“, sagte Hermann Albers. Die Windbranche sei für die entsprechenden technischen Lösungen bereit. Der Geschäftsführer der für die Windturbinenbauer zuständigen VDMA-Sparte Power Systems, Matthias Zelinger, warnte lediglich vor einem falschen Vorgehen: „Sektorenkopplung sollte nicht eingeführt werden, damit wir mehr Stromabsätze haben. Sondern wir müssen eine Situation bekommen, in denen Firmen Sektorenkopplung machen, weil sie Bedarf daran haben, CO2-freie Energie zu nutzen.“
Im Gespräch mit ERNEUERBARE ENERGIEN schildert BWE-Präsident Hermann Albers, welche Impulse er aus dem starken Installationsjahr der Windbranche für die rasche Weiterentwicklung des Energieversorgungssystems erhofft.
Der nachfolgende Link führt Sie zum Bericht über das gute Windpark-Installationsjahr 2016Hermann Albers im Interview: "Netztechnisch noch flexibler werden"
ERNEUERBARE ENERGIEN: Wird der Rekordzubau nicht neuen politischen Druck auf die Windbranche auslösen? Etwa Forderungen, den Ausbau der Windenenergie weiter einzubremsen? Oder umgekehrt, die offenbar überholten offiziellen Windenergieziele zu erhöhen?
Hermann Albers: Wir haben eine sehr steile Vergütungsdegression. Im Hinblick auf vergangene Beschlüsse und aus dem EEG 2014 heraus ist damit nicht gerade Investitionssicherheit entstanden. Mit dieser politischen Entscheidung müssen wir jetzt umgehen. Insofern hat sich politischer Druck hier entladen. Im weiteren Verlauf wird sich jeder Wettbewerbsdruck an der Ausschreibung abbilden und wird im Preis münden, der angeboten wird.
Also politischer Druck hat sich schon vorher entladen, sagen Sie. Aber meinen Sie nicht, dass die gewaltigen Ausbauzahlen von der Politik für weiteren Druck auf die Windenergie genutzt werden wird?
Hermann Albers: Zunächst müssen wir doch damit leben, dass wir real eine Halbierung des Marktes mit der Ausschreibung ab 2019 haben werden. Wir werden aller Voraussicht nach einen deutlichen Rückgang schon 2018 sehen. Und wenn wir einen Rest von Planungssicherheit erhalten wollen, muss es jetzt bei diesen Instrumenten bleiben und bei der Stabilität der politischen Entscheidungen dazu. Wir werden diesen Zubau energie- und klimapolitisch dringend brauchen. Weil ja nach allen Berechnungen die Zusagen der Weltklimakonferenz in Paris nicht eingehalten werden können. Sollten also hier weitere Eingriffe im Raum stehen, würde die Verfehlung der Klimaschutzziele zu Beginn der 2020-er Jahre noch einen viel größeren Zubau erfordern, als heute. Und deshalb plädiere ich für Kontinuität.
Sie warnen, dass das Ausschreibungs-Sonderlimit von jährlich 902 MW im neuen EEG-Netzausbaugebiet in Norddeutschland den Ausbau zu sehr beschneide. Die Installationen dort der vergangenen Jahre lagen immer über diesem Limit. Kommt Ihnen aber nicht entgegen, dass es den von BWE und VDMA begrüßten Trend eines bundesweit gleichmäßigeren Ausbaus stützen würde?
Hermann Albers: Die gute Verteilung, wie wir sie jetzt loben, hat mit insgesamt einem hohen Zubau zu tun, der sich über alle Bundesländer erstreckt. Der Beitritt mittel- und süddeutscher Bundesländer in den Windparkinstallationsmarkt lässt uns ja höhere Ausbauzahlen überhaupt erst realisieren. Deswegen ist die Technologieentwicklung wichtig gewesen. Und deswegen war es wichtig, dass die Länder Mittel- und Süddeutschlands gute politische Entscheidungen getroffen haben und Wertschöpfung im Energiesektor betreiben wollen. Wir würden aber natürlich gerne alle Kapazitätsoptionen heranziehen und nicht über künstliche Drosselung des Zubaus die Entwicklung verlangsamen. Wir werden ab 2019 mit 2.800 MW gegenüber den heutigen etwa viereinhalbtausend Megawatt einen deutlichen Rückgang des Marktes erleben. In diesem Zuge wäre ein Netzausbaugebiet unnötig. Zumal gerade die norddeutschen Standorte durchaus wirtschaftlich effizient wären.
Doch selbst wenn: Kann der Netzausbau angesichts des aktuellen Zubau-Booms bis dahin Schritt halten? Oder werden die Abregelungen von Windparks entlang überlasteter Leitungen zu häufig?
Hermann Albers: Wir haben zwischen 1,8 und 3 Prozent Netzabschaltungen. Das ist noch ein relativ geringer Wert. Er könnte sogar abgesenkt werden, würden wir die Sektorenkopplung beschleunigen. Wir haben als BWE in das EEG 2017 ein Instrument hineinverhandelt, mit dem dieser Strom besser genutzt werden kann – im Wärme- wie im Verkehrssektor. Und wir haben uns dafür ausgesprochen, netztechnisch noch flexibler zu werden sowie den Ausbau der Trassen im Genehmigungsverfahren anders zu behandeln als deren Neubau. Nutzen wir diese Instrumente, können wir die Entwicklung nach vorne ziehen. Nutzen wir sie nicht, sehen wir zumindest keine Vorzieheffekte im Netzausbau. Dabei hat zum Beispiel Schleswig-Holstein seine Aufgabe erfüllt. Das werden die Bundesländer kritisch zu diskutieren haben …
Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews zu den guten Zubauzahlen des Windmarkts Deutschland in unserem nächsten gedruckten Heft, das Mitte März erscheint.