Wie das Marktanalyseunternehmen Global Data in seinem jüngsten Report Europe Renewable Energy Policy Handbook zu nationalen politischen Entwicklungen beim Ausbau der Erneuerbare-Energien-Erzeugungskapazitäten in 22 ausgewählten europäischen Ländern analysiert, verfestigt sich der schon länger zu beobachtende Trend. So führen die seit rund fünf Jahren überall in der Europäischen Union (EU) eingeführten Ausschreibungen zu einem starken Bieterwettbewerb um Projektentwicklungs-, Netzanschluss- und Einspeisevergütungsrechte für Offshore-Windparks. Nach den ersten Null-Cent-Zuschlägen und damit erworbenen subventionsfreien Einspeiserechten für Offshore-Windparks in den Niederlanden und in Deutschland gab es auch 2022 hierzulande wieder einen Zuschlag ohne garantierten Mindestpreis für den gelieferten Windstrom. Das 980-Megawatt-Vorhaben für das Entwicklungsareal N-7.2 in der Nordsee hatte RWE mit einem Null-Cent-Gebot durchgesetzt. Wettbewerbs-Energiekonzern Vattenfall übernahm es aufgrund eines älteren Entwicklungsrechtes zu diesen Bedingungen und will es bis 2027 als Windpark Nordlicht 1 voraussichtlich ans Netz bringen. Auch in Dänemark hatte RWE schon Ende 2021 für das Projekt Thor sich die Rechte durch ein Null-Cent-Gebot gesichert. Deutschland und die Niederlande hatten zuletzt sogar gesetzlich Null-Cent-Ausschreibungsrunden eingeführt beziehungsweise die Möglichkeit, bei Null-Cent-Geboten sich sogar mit Zahlungen durchzusetzen.
Sowohl bei Wind- als auch bei Solarenergie an Land führen die Ausschreibungsrunden hingegen mittlerweile zu sogar sehr starken Unterzeichnungen. Die Analysedienstleister verweisen auf eine Ausschreibung in Dänemark für einen technologieneutralen Tender schon im Oktober 2021, für den kein einziges Angebot eingegangen war. In Deutschland hatte die boomende Photovoltaik (PV) dagegen im vergangenen Jahr bei fast 4,9 Gigawatt (GW) durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) ausgelobten neuen PV-Erzeugungskapazitäten nur zu Geboten der Entwickler für 2,9 GW geführt. In Spanien hatten die mit neuen Regeln wiedergestarteten Ausschreibungen zwar 2021 noch zu einer enormen Nachfrage bei Projektierungsunternehmen geführt. 2022 allerdings gab es für ein 3,8-GW-Auktionsvolumen nur bezuschlagte Gebote für 223 Megawatt (MW), was einer Unterzeichnung um 94 Prozent gleichkam.
Nicht ganz so krass schnitten andere EU-Länder ab. Doch mit Zeichnungswerten, die wie in Italien gerade einmal nur zu Zuschlägen für die Hälfte der ausgeschriebenen Erzeugungskapazität führen konnten oder wie in Deutschland und Frankreich zwar darüber, aber auch nicht mehr als zwei Drittel des möglichen Projektvolumens auf die Bahn brachten, waren auch hier die Onshore-Ausschreibungen 2022 ein klarer Misserfolg.
Als Ursachen des negativen europäischen Tender-Trends benennt Global Data die hohen Kosten für Rohstoffe, Anlagen-Komponenten und Ausrüstung der Errichtungsunternehmen und die zugleich niedrig gebliebenen von den Staaten zur Strompreisdämpfung vorgeschriebenen Gebotsobergrenzen. Die insbesondere als indirekte Folge des Ukrainekrieges anhaltende Inflation allgemein, verbunden im Besonderen mit Lieferkettenengpässen sowie anhaltend hohen Rohstoffkosten und nun ebenfalls ansteigende Logistikkosten seien für die Zurückhaltung auf Investoren- und Projektiererseite verantwortlich, argumentieren die Markt-Analysten. Zu langsam erteilte neue Baugenehmigungen für Projekte, erwähnte Global Data als eine weitere Ursache. Und in Spanien waren gemäß der Analyse auch die dort sehr speziellen Wettbewerbsregeln mit einem versteckten Preismechanismus zusätzlich für den Misserfolg mitverantwortlich.
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