Transformation der Energieversorgung – Krise und Wege zum klimaneutralen Energiesystem – so der Titel der Eröffnungskeynote bei Dena-Energiewende-Kongresse im Berliner BCC. Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, hat sich in seiner Rede bemüht, Verständnis im Publikum zu gewinnen für eine Politik in herausfordernden Zeiten. Er erinnerte zunächst daran, was sich die Koalition eigentlich vorgenommen hatte, bevor der Ukrainekrieg die Schwierigkeitsstufe nochmals erhöht hat: „Mehr Fortschritt wagen.“ Deutschland habe seinen Wohlstand 250 Jahre lang auf Kohle aufgebaut, erinnerte das Publikum. „Jetzt haben wir weniger als 25 Jahre, um den Prozess umzukrempeln.“ Das Ziel müssen der Ausbau der Erneuerbaren sein. Und das kann nach seiner Einschätzung durchaus noch gelingen: „Wer, wenn nicht wir, soll das können? Deutschland, das Land der Ingenieure, Facharbeiter…“ Das Interesse des Auslands sei uns sicher, wenn wir es schaffen.
Aber Schmidt weiß auch, dass selbst die besten Ingenieure scheitern können – an endlosen Planungs- und Genehmigungsprozessen. Hier müsse extrem beschleunigt werden, so der Bundesminister. Er erklärt, um unsere Klimaziele zu erreichen, sei Gas als Brückentechnologie erforderlich, „immer Wasserstoff-Ready“. Immerhin. In dem Zusammenhang ging er auf die veränderte Situation seit dem 24.2. ein und darauf, was es bedeutet, wenn man sich aus der Abhängigkeit von Gas herausziehen muss. Die zwei Herausforderungen seien die Versorgung mit Gas sicherzustellen und die Preise im Griff zu behalten. Er erinnerte daran, dass Deutschland bisher keinen LNG-Terminal hatte und nun in kurzer Zeit zwei entsprechende Häfen aufgebaut und LNG eingekauft habe. Zudem habe man langfristige Verträge: „Zwei Terminals werden Ende des Jahres laufen und drei weiter werden hinzukommen.“ In dem Zusammenhang sei an die Klage der Deutschen Umwelthilfe erinnert. Kritiker befürchten eine langfristige Bindung an fossile Energien. Die Frage ist auch bezüglich einer späteren Umrüstung auf Wasserstoff, was H2-Ready wirklich bedeutet. So leicht ist eine Umrüstung tatsächlich nicht.
Positiv gleichwohl, laut Schmidt: „Wir haben über 20 Prozent Gas eingespart.“ Nicht nur ein milder Herbst, auch Verhaltensänderungen hätten das ermöglicht. Das wird immer wieder deutlich: Krise und Krieg können im schlechten Fall eine Rolle rückwärts für den Klimaschutz bedeuten. Sie können aber auch den Erneuerbaren zum Durchbruch verhelfen. Laut Schmidt sei gerade im Süden der Republik jetzt einige verstanden worden – etwa dass Netze und Erneuerbare notwendig sind. Und selbst ein Christian Lindner bezeichnete jetzt die Erneuerbaren als „Friedensenergie“. Bekenntnisse sind gut, Taten müssen derweil dringend folgen.
Gleichwohl, Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energie-Agentur GmbH, betonte „Respekt und Anerkennung für die Regierung.“ Dennoch: „Mit Zielen allein kann man das nicht erreichen. We are not on track“, so Kuhlmann. Die Ziele für Wind Onshore werde man wohl in den nächsten drei oder vier Jahren nicht erreichen. Immerhin gebe es „viele gesetzgeberische Maßnahmen, die den Blick nach vorne aufbauen.“ Er sieht im BMWK schon, dass die Anstrengungen zunehmen. „Es tut sich was, allen Widrigkeiten zu trotz.“ Endlich habe man eine Bundesregierung, die ihre Klimaschutzziele unbedingt erreichen will.
Im Eröffnungspanel diskutierten dann Staatssekretär Patrick Graichen, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und Vorsitzende der Gaskommission, sowie Stefan Dohler, Vorstand der EWE Aktiengesellschaft, und Matthias Zelinger, Chef des Bereichs Klima & Energie des VDMA.
Laut Graichen habe seine Regierung mit dem Oster- und Sommerpaket einiges auf den Weg gebracht. Nächster Schritt sei jetzt der Gebäudebereich. Klimaneutrale Gebäude, kommunale Wärmeplanung, Bundesförderung Wärmenetze, das seien Themen, die Anfang 2023 im Fokus stehen. Beim Thema H2 sei es erforderlich, die Wasserstoffstrategie zu überarbeiten und Wasserstoffnetze zu planen, damit Wasserstoff für die Industrie verfügbar ist.
Kerstin Andreae ging auf das Krisenmanagement der Regierung ein: „Wie kann man Sparanreize auf den Weg bringen?“ Ein Kontingent pro Person sei ihr zunächst als gute Idee erschienen, aber das sein unmöglich zumal unklar ist, was an Haushaltsmitgliedern hinter dem Zählpunkt ist. Sie erklärte: „Ich kriege jetzt mehr Geld für meine Kinder und ich brauche das nicht und will das nicht. Wir müssen es schaffen, einkommensabhängige Versorgungspreise zu etablieren.“ Auch Veronika Grimm sagte, 2023/24 bräuchten wir Sparanreize bei Gas. „Man muss die Möglichkeit schaffen, zu sparen.“ EWE-Chef Dohler hält es für „schwierig, dass Politik sagt, wir haben die Aufgabe gelöst. Müssen durch Krise zusammen gehen.“ Auf Strecke bleibe der Dialog. Er kritisierte: „Die Politik gestaltet Lösungen maximal kompliziert um. Der Umbau des Systems ist mittel- und langfristig zu komplex. Wir fragen uns, ob wir in die nächste Onshore-Auktion reinbieten können.“ VDMA-Regenerativ-Chef Zelinger äußerte die Sorge, dass die Gaspreisbremse auf festen Verträgen basiert, aber 20-30% der Maschinenbauer hätten gar keinen Festpreisvertrag für nächstes Jahr. Er merkte zudem an, beim Thema Onshore-Wind sei noch nichts passiert. „Die Wind-OEMs bauen Stellen ab, statt sie aufzubauen.“ Man brauche eine Trendwende, die käme aber erst, wenn Auftragsbücher voll sind.
Andreae betonte, beim Wind seien zwei Ausschreibungen unterzeichnet gewesen, u.a. wegen Lieferkettenschwierigkeiten und gestiegener Preise sei das Geschäft nicht mehr wirtschaftlich. Restriktionen bei Wind und fehlende Planungssicherheit seien ein Problem. Bezüglich des US-Amerikanischen Inflation-Reduction-Acts kommentierte sie: „Amerika handelt und Europa diskutiert.“ Grimm erklärte, der Inflation-Reduction-Act werde Kapazitäten auch im europäischen Maschinenbau in die Staaten ziehen.
Einig waren sich alle Diskutanten darüber, dass Hemmnisse weiter abgebaut werden müssen, dass Erneuerbare, Wasserstoff und Wärmemarkt schnell vorangebracht werden müssen und Bund, Länder und Kommunen daher uneingeschränkt positiv zur Energiewende stehen sollten. Königsdisziplin. Wohngebäude. Andreae wünschte sich „bis in jede Amtsstube eine Haltung des Gelingens.“ (nw)