ERNEUERBARE ENERGIEN: An den EEG-Umlagekosten entzündet sich ein Großteil der Kritik an der Energiewende. Herr Falk, sind die Erneuerbaren zu teuer?
Falk: Die EEG-Umlage ist kein Preisschild für die Energiewende. Sie ist natürlich Bestandteil der Preisfindung für den Endverbraucher und insoweit eine relevante Größe. Die größten Kostenbestandteile sind aber nicht dem Neubau geschuldet. Nur 15 Prozent der EEG-Umlageerhöhung gehen auf das Konto der neu gebauten Erneuerbaren. Alles andere ist das Börsenpreisparadoxon und die Industrieausgleichsregelung…
…die ja laut erster Statements zur Energiepolitik einer künftigen rot-schwarzen Koalition reduziert werden sollen. Herr Matthes, verraten Sie uns die Wahrheit über die EEG-Umlage?
Matthes: Ja, man muss zwei Dinge unterscheiden. Die EEG-Umlage ist weder ein sinnvoller Bewertungs- noch ein sinnvoller Steuerungsindikator. Sie ist eine technische Größe zur Umsetzung des EEGs, die viele Bestandteile hat. Da kann man sich über einzelne Bestandteile unterhalten. Das Entscheidende bei der Kostenbewertung der Energiewende sind aber die Systemkosten. Wir vertreten die Meinung, dass man für die politische Bewertung und für die Steuerung der Energiewende die Systemkosten als Indikator nutzen soll. Und die kann man sich relativ einfach ausrechnen – aus der Summe der EEG-Umlage und des Börsenpreises. Und da haben wir ja auch schon in diesem Jahr die Situation, dass die Summe aus beiden konstant bleibt. Auch wenn die EEG-Umlage in den nächsten Jahren steigen wird – und die wird steigen, wenn die Rahmenbedingungen so bleiben wie sie sind: Die Summe aus Börsenpreis und EEG-Umlage wird weitgehend konstant bleiben. Eine der politischen Leistungen, die die Koalition vollbringen muss, ist, dass sie die falsche Fokussierung auf den falschen Indikator für die Energiewende-Kosten beendet. Aus Sicht der erneuerbaren Energie: Die Debatte um die EEG-Umlage ist nicht zu gewinnen. Auch weil sie auf der einen Seite Kosten repräsentiert, auf der anderen Umverteilung. Und die Umverteilungsdebatte ist wichtig, verstellt aber auch den Blick auf die Kosten.
Die Kosten aus Börsenpreis und EEG-Umlage werden zusammen genommen nicht steigen. Können wir dann nicht weitermachen wie bisher?
Matthes: Vorsicht. Ein Teil der Geldströme innerhalb des EEG ist abhängig vom Strompreis und kann so weiter durchaus weiter steigen. Aber man muss sich klar machen, dass die Debatte um die EEG-Umlage von der entscheidenden Debatte ablenkt. Wir sind in einer Situation, wo in den Kreisen der Energiewirtschaft bis vor drei Jahren das Wort Merit-Order-Effekt verboten war. Den durfte es nicht geben. Und jetzt ist plötzlich der Merit-Order-Effekt an allen Problemen dieser Welt schuld. Das gleiche gilt für die EEG-Umlage. Tragischerweise lenkt all das von den wirklich wichtigen Debatten zur Zukunft des EEG’s ab.
Falk: Ich hätte es kaum besser sagen können. Energy Brainpool und andere haben ermittelt, dass der EE-Ausbau 0,15 Cent pro Jahr kostet. Das heißt mit anderen Worten, der weitere Neubau wird den Stromverbraucher insgesamt 1,5 Cent in zehn Jahren kosten. Vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen bleiben so. Das ist eine Größe, die schon viel besser in die Landschaft passt. Damit ist auch die Aussage verknüpft, dass der größte Anstieg schon hinter uns liegt.
Matthes: Da ist dann die Frage, was der vernünftige Ausbau ist. Wir müssen der Situation ins Auge sehen, dass die Offshore-Windenergie in den nächsten Jahren ein Kostentreiber sein wird, auch wenn man da viel über Zahlen streiten kann.
Damit haben Sie beide jetzt sogar mehr als fünf Wahrheiten über die EEG-Umlage verraten. Die wichtige Frage ist ja, wie schaffen wir es, die Energiewende weiter voran zu treiben und gleichzeitig die Kosten in den Griff zu kriegen. Was muss sich ändern an der bisherigen EEG-Vergütung?
Matthes: Ich glaube, dass wir im Übergang zu 25 oder 30 Prozent erneuerbaren Energien aus der Nische rauskommen und deswegen einen Perspektivwechsel machen müssen von einem Förderinstrument mit letztlich beliebiger Kleinteiligkeit hin zu einem Marktdesign, also der Verankerung von Prinzipien für ökonomische Anreizsysteme, die die erneuerbaren Energie in der nächsten Phase optimieren helfen können, aber auch eine langfristige Perspektive haben.
Falk: Unterm Strich läuft es doch darauf hinaus, dass wir diese beiden Eckpunkte des Vergütungssystems haben: Zum einen dass wir die Vielfalt im Bereich der Technologien und Akteure erhalten, zum anderen dass wir finanzielle Effizienz schaffen. Warum Vielfalt? Die Technologien erbringen in unterschiedlicher Weise Leistungen für die Versorgungssicherheit. Ein Biogaskraftwerk ist in seiner Leistungsfähigkeit etwas anderes als eine Windkraftanlage, die fluktuierende Energien einspeist und nur dann Strom produziert, wenn der Wind weht. Also ist es sinnvoll, in der Energiewende unterschiedliche Technologien weiterzuentwickeln.
Derzeit diskutieren Bundesumweltminister Peter Altmaier und Hannelore Kraft von der SPD über die künftige Energiepolitik. Es existieren viele Konzepte. Sollten sich die unterschiedlichen Marktteilnehmer auf ein Konzept verständigen, bevor am Ende etwas verabschiedet wird, das allen mehr schadet als hilft?
Falk: Natürlich wäre das sinnvoll. Es ist tatsächlich so, dass die Meinungslandschaft vielfältig ist. Meine Branche arbeitet daran, mit einer Stimme zu sprechen. Aber die Stärke der Erneuerbaren ist die Vielfalt und die Graswurzelbewegung. Es wird von der anderen Seite anerkannt, dass wir sehr durchsetzungsstark sind. Das liegt daran, dass ganz unterschiedliche Freunde und Befürworter mit hoher Überzeugungskraft ihre Argumente vorgebracht haben. Und dass es insgesamt ein Konzert ergibt von Stimmen, die sagen: Wir als Deutsche trauen uns auch 100 Prozent Erneuerbare zu. Deswegen ist die Stimmenvielfalt bisher auch eine Stärke des Sektors gewesen. Aber nochmal: Wünschenswert ist es, dass wir unsere Kräfte bündeln.
Matthes: Ich bin jetzt relativ lange im Geschäft und der EEG-Prozess ist nicht das erste längerfristige Gesetzesvorhaben. Ich habe den Emissionshandel von Anfang bis heute und die Liberalisierung vom ersten bis dritten Binnenmarktpaket mitgemacht. Dabei gibt eine zentrale Erfahrung: Man kommt in der Konsequenz nicht drum rum, sich vorzustellen, wie das System, das man in Zukunft erreichen will, aussehen soll. Dessen politische und ökonomische Realität zu beschreiben und zu fragen, wie anschlussfähig das Zielsystem eines Marktdesigns zum heutigen Modell ist. Ich glaube, man kommt dort nicht in großen Sprüngen hin. Und dann ist die Frage, in welcher Reihenfolge mache ich welche Schritte in die richtige Richtung? Ich bin für eine klare Benennung des Zielsystems. Und je früher man die Schritte dorthin geht, und die längerfristig unausweichlichen Mechanismen akzeptiert, desto geringer werden die Brüche sein. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie weit die Differenzen zwischen uns beiden gehen. Ob es eher die langfristigen Notwendigkeiten eines neuen Marktdesigns oder dessen Strukturen sind. Oder ob wir nur die Notwendigkeit und Größe der nächsten Schritte unterschiedlich einschätzen.
Das Gespräch führten Sven Ullrich und Nicole Weinhold.