Heribert Sterr-Kölln, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aus Freiburg mit Fokus auf Nachhaltigkeit, sagte bereits vor Bekanntgabe der Onshore-Ausschreibungsanpassung für Bürger, "auch Bürgerenergiegesellschaften sollten über eine Genehmigung verfügen. Das ist sonst unseriös." Im Interview geht er auf das Thema näher ein.
Damit würden die Bürger draußen sein.
Nein. Wenn echte Bürgerenergiegesellschaften weiterhin nach dem Einheitspreisverfahren teilnehmen können, werden sie ja noch bevorzugt. Aber einige Marktteilnehmer haben das Angebot des Gesetzgebers zur Umgehung genutzt. Ob sich z.B. ein Großinvestor als stiller Gesellschafter beteiligt, oder ob das Projekt zurück gekauft wird, im Ergebnis sind weder die Bürger, noch die Branche sondern eher einzelne gewiefte Markteilnehmer die Gewinner. Das Gesetz ist mit dieser Regelung eine Katastrophe. Mit der ersten Ausschreibung führt das Gesetz zu einer Verhinderung von bis zu 750 Megawatt. Das ist das Ergebnis.
Aber das haben Sie auch nicht so kommen sehen, oder?
In dieser drastischen Weise nicht. Aber wir haben tatsächlich manchem Klienten von einer Umgehungsgestaltung abgeraten. Wir vertreten dann eher die Auffassung: Okay, lieber Kunde, gründe doch zusammen mit den Bürgern vor Ort eine echte Bürgerenergiegesellschaft. Dann ist es nicht nur für drei oder vier Jahre, in denen man Bürger zum Schein mitmachen lässt.
Damit kann also nicht die Akteursvielfalt aufrecht erhalten bleiben.
Die Akteursvielfalt bricht genau auf diese Weise zusammen. Weil die echten Bürgerenergiegesellschaften da nicht so unseriös rangehen können. Das können diese sich gar nicht erlauben. Bürgerenergiegesellschaften müssen ja auch eine Bürgschaft stellen. Wenn sie scheitern, ist alles weg. Und die Chance des Scheiterns ist ja gegeben. Für einen Projektentwickler ist es dagegen normal bei einigen Projekten zu scheitern, weil er 30 oder 50 Projekte entwickelt.
Aber Sie empfehlen schon, dass man sich als Bürgerenergiegesellschaft einen Profi reinholt.
Natürlich, um sich die notwendige Kompetenz zu sichern. Aber nicht, um ein schlecht gemachtes Gesetz so auszunutzen, dass es der gesamten Entwicklung der Branche schadet.
Worauf muss man achten, wenn man jetzt in die zweite Runde geht?
Ich empfehle, ein genehmigtes Projekt seriös durchzuplanen und die Stromgestehungskosten mit den konkreten, dann auch weitgehend bekannten Kosten zu ermitteln und mit einem Aufschlag für Risiko und Gewinn an der Ausschreibung teilzunehmen. Es hilft ja nicht, wenn ich 5,5 oder 5,8 biete und meine Stromgestehungskosten, auch unter Berücksichtigung des Standortfaktors höher liegen. Das Projekt kann dann nicht realisiert werden. Darum muss ich auch im Vorfeld bereits ausverhandelt haben, wie hoch der Kaufpreis für die Windenergieanlage sein wird, um ein realisierungsfähiges Gebot abzugeben.
Sehen Sie Verhandlungsspielraum bei den Turbinenpreisen?
Die Preise sind in einer Abwärtsentwicklung. Aber die Hersteller haben nicht einfach die Möglichkeit, mal so den Preis um mehrere 100.000 zu reduzieren, wenn mit einer am Markt verfügbaren WEA mit ca. 135 Meter Rotordurchmesser geplant wurde. Um günstige Strompreise realisieren zu können, wäre stattdessen eine 150 Meter WEA auf einem höherem Turm zu planen die vielleicht 20 bis 30 Prozent mehr Ertrag bringt, aber nur 10 bis 20 Prozent mehr kostet. Dadurch entsteht eine echte Kostendegression, weil in der Regel die Kosten für die notwendige Infrastruktur wie Wege und Netzanbindung nicht in dem Maße der Ertragssteigerung steigen.
Wo muss bei den Ausschreibungen nachgebessert werden?
Die Gestaltung der Energiezukunft, wenn sie denn eine Erneuerbare sein soll, ist dezentral. Wenn ich dezentrale Erneuerbare will, muss es Rahmenbedingungen geben, damit in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, NRW und Thüringen auch Windenergieanlagen entstehen können. Damit könnten wir uns einiges an Netzausbaukosten sparen. Wir würden eine Stabilisierung der Versorgung erreichen. Das ist momentan leider nicht so. Die Südländer sind unterproportional beteiligt. Das liegt vermutlicher weise nicht daran, dass die Planer in den südlichen Bundesländern anständiger sind. Es gibt gute Standorte zum Beispiel in den Mittelgebirgen, aber die Erschließung ist aufwändiger als zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, mit deutlich höheren Erschließungskosten. Wenn die Projekte aus Süddeutschland im Wettbewerb antreten, ist trotz des Korrekturfaktors von vorn herein klar, wer den Kürzeren zieht. Außerdem wird volkswirtschaftlich nicht berücksichtigt, dass der Stromtransport von Nord nach Süd auch Geld kostet. Am Ende den Verbraucher!
Das Gespräch führte Nicole Weinhold