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Kommentar zur heimischen PV-Industrie

Deutsche Wertarbeit - oder Geiz ist geil?

Auf dem 30. Symposium photovoltaische Solarenergie, das gestern im bayerischen Bad Staffelstein startete, erklärte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW): „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir im Jahr 2014 sechs Prozent Photovoltaik in Deutschland haben würden.“ Allerdings habe er Zweifel, ob die PV das Ausbautempo in den nächsten Jahren halten kann. Inzwischen seien alle Marktsegmente vom Rückgang betroffen. Für den BSW-Chef ist das inakzeptabel. Jetzt, wo die Photovoltaik günstig geworden sei, überlasse man anderen die Ernte der Früchte. Er bemängelt, man müsse die Degressionsunterkante bei der PV-Vergütung anheben. Denn derzeit bestrafe man diejenigen, die für den Klimaschutz eintreten, während die größten Luftverschmutzer unterstützt würden – durch die Befreiungen für energieintensive Unternehmen. Körnig erwartet für 2015 wieder nur einen PV-Zubau von 1 bis 1,5 Gigawatt, statt des erklärten Regierungsziels von 2,5 Gigawatt jährlich.

Eicke Weber: 100 MW Zubau - eine Schande

Auch Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer ISE, kritisierte die Regierungspolitik. Er erntete im voll besetzten Saal des Kloster Banz in Bad Staffelstein viel Applaus, als er sagte: „Zubauwerte in Deutschland von unter 100 Megawatt im Monate wie derzeit – das ist eine Schande für mich!“ Das kam gut an, schließlich hatten viele seiner Zuhörer die Zeiten gut in Erinnerung, als 500 MW Zubau monatlich möglich waren. Die Umlagebeteiligung des Eigenverbrauchs nannte er einen „riesen Fauxpas“ – der finanziell aber kaum Einsparungen bringe. Die Abgabe könne mit einem Federstrich abgeschafft werden, was laut Weber jetzt das richtige politische Signal wäre. Der ISE-Chef forderte auf dem PV-Symposium eine Hightech- oder Industrie-Politik.

Altes Nordmende-Radio. Wunderschön, damals noch in Deutschland produziert: Tragbares Transistorradio 
   Transita aus den 1960er Jahren. Nordmende existierte 1923 bis Ende der 80er. - © Foto: GeorgHH
Altes Nordmende-Radio. Wunderschön, damals noch in Deutschland produziert: Tragbares Transistorradio Transita aus den 1960er Jahren. Nordmende existierte 1923 bis Ende der 80er.

Eine Branche, die schon deutlich bessere Zeiten erlebt hat, ist für solche Thesen durchaus empfänglich. Laut Körnig sind von ehemals 100.000 Arbeitsplätzen weniger als 50.000 in der deutschen PV übrig geblieben. Wo steht die Branche derzeit? In einer Konsolidierungsphase? Oder wandert das Knowhow komplett ab – nach Asien? So wie viele andere Technologien vorher schon: TV, Video, DVD, Computer… Können wir die PV inklusive Produktion bei uns halten? Oder bringen wir als Technologieführer Neuentwicklungen auf den Weg, die dann ein paar Jahre später von anderen Industrienationen billiger produziert werden, um dann von uns wiederum importiert zu werden? Warum gilt „Deutsche Wertarbeit“ etwas im Ausland – aber hierzulande setzt man auf „Geiz ist geil“ mit Billig-Modulen aus Asien? 60 Prozent der gesamten PV-Technologie, die seit den 50er-Jahren entwickelt wurde, hat ihre Wurzeln in Deutschland. Aber inzwischen haben wir nur noch einen großen deutschen Hersteller – Solarworld. Wobei man auch hier einschränken kann: größter Anteilseigner der Bonner ist seit 2013 Qatar Solar Technologies aus Katar. Das Thema ist beliebig komplex: Was ist deutsche Solarwirtschaft? Was können wir hierzulande an Wertschöpfung und Knowhow halten – im Wettstreit mit Asien und den USA?

Billige Produktion: Weder umwelt- noch sozialverträglich

Es gibt viele Antworten auf diese Fragen. Eine mögliche Antwort könnte zum Beispiel lauten: Es stimmt, viele Industrien sind in den vergangenen 30 Jahren nach Asien abgewandert. 80 Prozent unseres Spielzeugs kommen aus China. Die Produktion dort für den Export ist weder umwelt- noch sozialverträglich. Auch darum ist sie dort. Weil das der billige Weg der Produktion ist. Für die Photovoltaik ist es noch komplizierter: Denn für eine Firma wie Solarworld, die es geschafft hat, weiterhin in Europa zu produzieren, spielen Arbeitskräfte nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Produktion ist weitgehend automatisiert.

Förderungen vonseiten der chinesischen Regierung für ihre eigene Industrie und Finanzierungsprogramme spielen in der Rechnung ebenfalls eine Rolle. Auch wenn das bereits deutlich weniger geworden ist, und auch viele chinesische Firmen inzwischen pleite gegangen sind.

Zusammenfassend lässt sich vielleicht festhalten: Einen Versuch ist es zumindest wert, wenn europäische Firmen auf Qualitätsvorsprung und Technologie setzten und sich für die Hightechzellen-Entwicklung zusammenschließen. Das kann Eicke Webers X-Gigawatt-Fabrik sein, das kann auch eine Variante von Solarworld sein, die auf die Perc-Technologie setzt. Und was immer dabei rauskommt: Es muss einen heimischen Abnehmermarkt für die Produkte geben. Die Hersteller ihrerseits müssen die heimischen Kunden mit Qualität – und damit letztlich auch der günstigsten Kilowattstunde – überzeugen. (Nicole Weinhold)