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Interview

"Drittel weniger Ausgleichsenergie"

ERNEUERBARE ENERGIEN: Wie viel Direktvermarktung betreibt WPD?

Klaus Meier: Als WPD haben wir fast alle von uns geführten Anlagen, die uns zu einem relevanten Teil gehören, aber nicht in Gänze, bis auf die Turbinen zweier Windparks in der Direktvermarktung. Aber wir sind ja auch am Direktvermarkter WE2 beteiligt, der 2.600 Megawatt Windleistung vermarktet, davon 800 von WPD. Andererseits vertreibt WPD auch einen großen Teil seiner Leistung aus 1.800 Megawatt über Statkraft …

ERNEUERBARE ENERGIEN: … den größten Direktvermarkter in Deutschland.

Klaus Meier: Wir arbeiten mit sieben verschiedenen Direktvermarktern zusammen.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Wie gut funktioniert die Direktvermarktung von Windstrom mit Hilfe der verfügbaren Einspeiseleistungsprognosen?

Klaus Meier: WE2 arbeitet hier mit einem Dienstleister zusammen, nämlich dem Oldenburger Unternehmen Energy amp; Meteo. Und da sehen wir eine gute Entwicklung.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Können Sie das beziffern?

Klaus Meier: Nehmen wir die Prognose einen Tag vor der Lieferung, die Day-Ahead-Prognose, dann erreichen wir mittlere Prognosefehler von rund vier Prozent. So groß ist die mittlere Leistungsabweichung von den erwarteten Einspeiseleistungen bezogen auf die Nennleistung aller Turbinen. Das entspricht plus/minus 40 Kilowatt pro Megawatt. Bei den Kurzfristprognosen zwei Stunden und eine Stunde jeweils vor der Lieferung können sich diese Abweichungen noch deutlich verringern.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Woran hapert es da noch …?

Klaus Meier: Das Verbesserungspotenzial der Kurzfristprognose, glaube ich, ist nahezu komplett ausgereizt. Mittlerweile erhalten wir eine Stunde vor der Stromlieferung den Zugriff auf die aktuellen Leistungsdaten aller Anlagen. Und da erleben wir praktisch keine Ausreißer mehr im Vergleich zu den Vorhersagen. Eine schwere Ausnahme geschah in diesem Frühjahr, als wir flächendeckend Eisansatz an den Rotorblättern hatten und uns das zu spät aufgefallen war. Wir haben in Folge des Vorfalls inzwischen die entsprechenden Meldeanlagen nochmals sensibilisiert. So etwas kostet dann viel, viel Geld. Es hat uns eine Million gekostet. Wenn die Ausgleichsenergie wie damals gerade sehr teuer ist, dann kostet das eben sofort.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Werden kurzfristige richtige Vorhersagen auch in der Praxis belohnt?

Klaus Meier: Es wird ja unmittelbar honoriert Je besser die Prognose ist, desto weniger Augleichsenergie muss ich an der Europäischen Strombörse EEX kaufen. Solche Kosten sind der Hauptkostenfaktor im Direkthandel von Windstrom. Aber der Erfolg für die Direktvermarktung hängt nicht allein von den Prognosen ab, man kann in betriebswirtschaftlicher Optimierung im Intradayhandel eine ganze Menge wieder gut machen. Ich glaube, dass es Direktvermarkter gibt, die in der Day-Ahead-Prognose viel schlechter sind, die im Intradayhandel aber sehr optimal agieren – und hier auch ihren Schwerpunkt haben. Wenn diese ihre Day-Ahead-Prognose noch einmal verbessern, bringt ihnen das ökonomisch wenig.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Was bedeutet das dann für die Praxis der Prognosen?

Klaus Meier: Bei den Übertragungsnetzbetreibern ist es üblich, dass sie mehrere Unternehmen mit den Vorhersagen beauftragt haben, dass sie diese Prognosen mischen – und zwischen diesen Vorhersagen sind die Abweichungen hoch: Ich erinnere mich an Beispiele, wonach die Auftraggeber froh waren, wenn sie Prognosen mit fünf Prozent durchschnittlicher Abweichung hatten neben solchen mit eben 3,77 Prozent. Ein solcher Unterschied ist aber eine Welt.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Können Sie die Entwicklung hin zu besseren Prognosen mit einer abnehmenden Zukaufmenge von Regelenergie belegen?

Klaus Meier: Die Abweichungen haben sich vom ersten Halbjahr 2012 zum zweiten Halbjahr 2013 deutlich verbessert. Insbesondere der starke Zubau der Online-Messwertauslesung von Windparks hat sich positiv auf die Prognosegüte ausgewirkt und dadurch den Einsatz von Ausgleichsenergie um circa 30 Prozent reduziert.

ERNEUERBARE ENERGIEN: Ist es denn ein Problem für die Vorhersagbarkeit der Einspeisung, dass die neuen Anlagen mit weit über 100 Meter Nabenhöhe nachts mehr einspeisen als tagsüber?

Klaus Meier: Nein. Es ist ja auch so, dass sehr hohe Anlagen gleichmäßiger einspeisen. Bei ganz kleinen Anlagen aus der ersten Generation haben wir in der Tat eine höhere Tagesproduktion als Nachtproduktion. Ich kenne das vor allem aus den Abschaltgutachten: Während die alten Anlagen im nächtlichen Drittel der 24 Stunden, nämlich von 22 bis 6 Uhr am Morgen, nur 28 bis 29 Prozent ihrer Gesamtproduktion erzeugen, geht man bei den höchsten Anlagen von 33 Prozent aus. Das ist zwar absolut betrachtet kein Riesenunterschied. Bei hohen Anlagen weht der Wind aber stetiger. Das macht die Anlage in ihrer Prognostizierbarkeit etwas besser. Aber in der Vermarktung gibt es dann keinen relevanten Unterschied in der Prognosegenauigkeit abhängig von irgendeiner Tagesstunde.

Das Interview führte Tilman Weber. Wir dokumentieren hier die Langversion eines Gesprächs zu Windleistungsprognosen in unserem Dezemberheft.