Der BSW Solar prognostiziert einen rascheren Zubau von Großspeichern zur Netzunterstützung für die kommenden Monate. Sie waren federführend an der Studie beteiligt. Warum ist diese wichtig?
Franz-Josef Feilmeier: Diese Umfrage hatte ich in meiner Rolle als Sprecher der Fachgruppe Stromspeicher im BSW-Solar selbst angestoßen, weil es mir wichtig ist, dass wir in Richtung Politik – mehr noch die aktuelle Opposition als die Regierung – aber auch der Bundesnetzagentur aufzeigen, wie viele und wie große Speicher schon bald in unserem Energiesystem sein werden. Aktuell gehen die Studien und Projektionen wie Langfristszenarien, Netzentwicklungsplan, Kraftwerksstrategie und andere nur von sehr geringen Speicherkapazitäten aus. Nur so können dann auch Szenarien mit fossilen Kraftwerken bis hin zu Kernkraft- oder -fusionskraftwerken verfangen. Die Zukunft wird aber eine andere sein, das Energiesystem wird zum weit überwiegenden Teil aus Solar- und Windstrom, sowie Speichern und Energiemanagement geprägt sein.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Nachfrage nach solchen großen Speichern?
Persönlich sehe ich die Nachfrage noch deutlich höher als das Ergebnis der Studie – die letztlich nur die bereits im Marktstammdatenregister angemeldeten Speicher berücksichtigt hat. Eine aktuelle direkte Befragung nur der Übertragungsnetzbetreiber durch Montel News hat eine kumulierte angefragte Großspeicher-Anschlussleistung von über 160 Gigawatt ergeben. Das unterstreicht, welche Dynamik beziehungsweise welches ‚Glücksrittertum‘ und welche Goldgräberstimmung im Markt gerade vorherrscht.
Wie werden diese Speicher finanziert?
Klassisches Fremdkapital wird für Großspeicher noch etwas zögerlicher und mit mehr Eigenkapital besichert vergeben, als das beispielsweise bei Solarparks der Fall ist. Aber da die erwartbaren Renditen so hoch sind, lässt sich eine Finanzierung aus mehreren Bausteinen jederzeit sicherstellen. Es fließt derzeit auch extrem viel internationales Kapital von den großen Finanzplätzen bis hin zu den Arabischen Ländern und China in Speicher, die ihr Geld hierzulande verdienen und es hoch verzinst in diese Länder zurückschicken werden. Das sind jeweils mehrere Milliarden Euro schwere Investitionsfonds, die hierzulande Projektierer ins Feld schicken oder baufertige Projekte zu gefühlt jedem Preis aufkaufen.
Mit welchen Geschäftsmodellen können sich diese Speicher refinanzieren?
Vereinfacht und zusammenfassend gesagt ist es die Flexibilitätsvermarktung, also der Betrieb des Speichers durch einen Vermarkter an den verschiedenen Energie- und Leistungsmärkten. In der Regel stehen dann Intraday-Trading-Anwendungen oder Asset-Backed-Trading hinter den Vermarktungsstrategien, vereinzelt auch noch Primär- oder Sekundärregelleistung. Neben den Arbitrage-Geschäftsmodellen kündigen sich weitere spannende Einsatz- und Ertragsmöglichkeiten für Speicher an, beispielsweise in der Momentanreserve, der Fast-Frequency-Control, in der Blindleistungskompensation oder auch in der Schwarzstartfähigkeit. Hierzu werden energiepolitisch gerade Vorschläge konsultiert und wir erwarten die entsprechenden Gesetze im Jahr 2025 oder 2026.
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Welches Geschäftsmodell ist für welchen Großspeicher passend?
Die ganz großen Speicher an den Übertragungsnetzen oder Umspannwerken sind nur für die Energiemärkte interessant, also die Arbitrage zwischen günstigen Einkaufs- und teuren Verkaufspreisen an der Strombörse. Ob dieser Handel dann jeweils physisch tatsächlich ausgeführt wird oder der Speicher in den meisten Fällen nur die Erfüllungsoption für den Trade ist, der aber planmäßig über einen Gegentrade geschlossen wird, hängt dann von der Strategie des Vermarkters ab.
Beim angesprochenen Arbitragehandel refinanziert sich der Speicher durch Preisunterschiede am Strommarkt. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie hier?
Bei einem Bestand von 100 Gigawatt an Photovoltaikanlagen und einem weiteren Zubau von planmäßig 1,5 bis zwei Gigawatt pro Monat sehen wir ein nachhaltiges Ertragspotenzial für die Speicher. Es wird absehbar genug Überschussleistung aus der Photovoltaik geben, die gespeichert werden will. Die Frage ist eher, ob ein Großspeicher abseits jeder Erzeugungs- und Verbrauchsanlage ein über die kommenden wenigen Jahre hinausgehendes Ertragspotenzial hat oder diese durch dezentralen Speicherzubau stückweise abgelöst werden.
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Was heißt das?
Zwar werden durch die Speicher die ganz großen Ausschläge am Energiemarkt schon bald eingefangen – zum Vorteil übrigens aller Energieverbraucher. Aber dass wir auch weiterhin im Schnitt zwölf Stunden Nacht haben werden und der Nachtverbrauch konstant bei über 40 Gigawatt liegt, bedeutet eben auch, dass etwa 500 Gigawattstunden jede Nacht gebraucht werden, die nicht aus der Photovoltaik direkt gedeckt werden können. Diese Milchmädchenrechnung – Wind spielt da im Winter natürlich die große Gegenrolle – soll vor allem verdeutlichen, dass die an vielen Tagen des Jahres mit günstigem Solarstrom beladenen Speicher dann nachts beispielsweise gegen Gaskraftwerke antreten und diese sicherlich zunehmend aus dem Markt drängen werden können.
Welche technischen Voraussetzungen sind notwendig, damit die Geschäftsmodelle jeweils umgesetzt werden können?
Die technische Basiskonfiguration sehen viele Neulinge im Großspeichermarkt als sehr einfach: Eine große Batterie und eine Be-/Entladeeinheit, also ein Wechselrichter, mit etwa der halben Leistung. Schon ist das typische Zwei-Stunden-System einsatzbereit und wird dann per direkter Ansteuerung des Vermarkters eingebunden.
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Funktioniert das so einfach?
Nicht immer. Wir erleben aktuell verstärkt, dass wir bei bestehenden Projekten zu Hilfe gerufen werden. Da gibt es natürlich die Projekte, die wegen der eingesetzten Komponenten Schwierigkeiten mit der Zertifizierung oder Genehmigungen haben. Diese Probleme sollten jedoch in einem sich professionalisierenden Markt und mit einer zunehmenden Fokussierung auf Hersteller mit hoher Bankability weniger werden. Problematischer sind teilweise Systeme mit großen Batterien und Zentralwechselrichtern.
Warum?
Wenn hier auch nur einzelne Zellen, Batteriemanagement-Boards oder andere elektronische Komponenten Fehler zeigen oder ausfallen – oder die Software Macken hat – dann fällt jeweils eine große Leistung weg. Wenn das zum falschen Zeitpunkt passiert, kann die dann fällige Ausgleichsenergie teuer werden. Ähnlich ist es übrigens, wenn Leistungsvorgaben im heißen Sommer oder kalten Winter nicht erfüllt werden können, weil die Zelltemperatur das nicht zulässt. Wir haben schon Fälle erlebt, bei denen vereinzelt notwendige Ausgleichsenergiekosten ganze Wochen- oder Monatserträge aufgefressen haben.
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Gibt es noch weitere wirtschaftlichen Risiken beim Betrieb von Speichern?
Ja. Was interessanterweise in der Beschaffungsstrategie der Speicherbetreiber aktuell noch kaum eine Rolle spielt, ist die Roundtrip-Effizienz, bei der Energieverluste etwa durch die Leistungsumwandlung einbezogen werden. Diese ist insbesondere bei großen und vielleicht sogar nur luftgekühlten Lithium-Eisenphosphat-Containerspeichern teilweise so schlecht, dass man pro Zyklus bis zu fünf oder mehr Prozentpunkte gegenüber den auf Effizienz optimierten Systemen verliert. Das wird in Anwendungen, die sich über viele Zyklen rechnen, dann natürlich im Laufe der Zeit sehr teuer.
Sind die technischen Voraussetzungen unterschiedlich, je nachdem, wie der Speicher refinanziert wird, und wo liegen da die Unterschiede?
Wir erleben, dass Großspeicher-Neulinge gerne den Hauptfokus nur auf einfache Kennzahlen wie Euro pro Kilowattstunde oder Garantiezyklen legen. Erfahrenere Projektierer – in der Regel dann natürlich basierend auf schlechten Erfahrungen in ersten Anlagen – legen einen deutlich höheren Wert auf die Modularität. Denn Fehler oder Ausfälle betreffen meist nur relativ kleine Leistungen. Außerdem schauen sie auf den Roundtrip-Wirkungsgrad von Beladung zu Entladung und das auch im Teillastbereich, auf eine effiziente Flüssigkeitstemperierung gegenüber Lüftern und auf die Tauschbarkeit von Komponenten. Hier spielt die Entscheidung zwischen Stringwechselrichter und Zentralwechselrichter beziehungsweise zwischen wenigen großen Batteriestrings und mehreren kleineren Strings eine Rolle. Wichtig ist natürlich die Reaktionszeiten für die Unterstützung und der Service. Die Anwendungen jenseits der Arbitrage-Geschäftsmodelle werden nur wenige und eher einheimische Hersteller ermöglichen, da sie teilweise andere technische Konfigurationen erfordern.
Die Fragen stellte Sven Ullrich.
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