Die lange Debatte um die Stabilität der Stromversorgung angesichts steigender Anteile von Sonnen- und Windstrom im Netz geht seinem Ende entgegen. Zwar ist schon längst bekannt, dass die Photovoltaik- und Windkraftanlagen selbst Systemdienstleistungen übernehmen können. Doch mit den Speichern geht die Stabilität der Versorgung noch einen Schritt weiter. Sie können die Lücken ausfüllen, die die volatilen Stromerzeuger noch hinterlassen. Dies geht nicht nur mit zentralen Großspeichern, wie ihn die Wemag in der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin installiert hat, sondern auch mit kleinen Batterien in Privathäusern.
Das derzeitige Problem von Batteriespeichern ist, dass sie noch jenseits ihrer Wirtschaftlichkeit liegen. Grund dafür ist, dass die Zusatzleistungen, die von den Speichern übernommen werden, bisher noch brach liegen. Jetzt haben aber einige Unternehmen damit begonnen, viele kleine Speicher zu einem virtuellen Großspeicher zusammenzuschalten. So hat der hessische Wechselrichterhersteller SMA jetzt eine Kooperation mit dem Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick gestartet, um eine riesige Schwarmbatterie zu etablieren. „Die Schwarmbatterie ist ein intelligentes und leistungsstarkes Netzwerk aus lokalen Speichern“, erklärt Gero Lücking, Geschäftsführer für Energiewirtschaft bei Lichtblick.
Sonnenstrom auch nachts anbieten
Dazu vernetzen die beiden Unternehmen die kleinen lokalen Speicher über den Energiemanager im Gebäude. Lichtblick kann dadurch auf die Batterien zugreifen und den gespeicherten Strom am Markt anbieten, wenn die Einspeisung von Solar- und Windstrom zurückgeht und die Preise an der Börse demzufolge steigen. Für die Bereitstellung des Stroms aus den Batterien bekommt der Anlagenbeitreiber einen Anteil an den Erlösen am Energiemarkt. Dies erhöht die Rentabilität der Systeme. „Außerdem wird die Schwarmbatterie in der dezentralen Energiewelt ebenso zuverlässig die Stromnetze stabilisieren, wie heute in der zentralen Energiewelt große Pumpspeicherkraftwerke“, betont Lücking. „Gemeinsam mit Lichtblick realisieren wir die Einbindung von Batteriespeichern in den Energiemarkt“, ergänzt Jürgen Reinert, Technologievorstand von SMA. „Dies ist ein wichtiger Schritt für den Erfolg der Energiewende.“ Koordiniert werden die einzelnen lokalen Speicher über den Schwarmdirigent, einer IT-Plattform von Lichtblick. An der Entwicklung des Systems waren außerdem die Speicherhersteller Tesla, Sonnenbatterie und Varta Storage beteiligt.
Kostenloser Strom im Speicher
Einen anderen Weg geht die Deutsche Energieversorgung. Der Speicherhersteller aus Leipzig hat ein Netz von kleinen dezentralen Batterien aufgebaut, in die er Strom einspeichert, wenn die Preise an der Börse negativ sind. Damit bekommen die Besitzer der Speicher ihren Strom kostenlos aus dem Netz. Für sie fallen nur die Investitionskosten in die Batterien an. „Vereinfacht dargestellt ist unser neues System ein Zusammenschluss vieler kleiner Batteriespeicher zu einem virtuellen Großspeicher“, erklärt Mathias Hammer, Geschäftsführer von Deutsche Energieversorgung. Econamic Grid nennen die Leipziger ihr System. Es hat nicht nur einen Mehrwert für den Besitzer einer Photovoltaikanlage, der ohnehin einen Speicher installiert hätte, sondern auch für die Betreiber großer Solarstrom- und Windkraftanlagen. Denn wenn der überschüssige Strom im Netz einen Abnehmer findet – den Speicher – müssen die Erzeugungsanlagen nicht abgeregelt werden, um die Stabilität des Netzes zu sichern. Dies bekommt die Deutsche Energieversorgung wiederum als Systemdienstleistung vergütet. Damit können die Leipziger das Econamic Grid finanzieren.
Für den Regelenergiemarkt qualifiziert
Der Strom selbst ist kostenlos. Die ersten 50 Kunden haben alle energiewirtschaftlichen Prozesse durchlaufen und sind damit für den Regelenergiemarkt qualifiziert. Die nächsten 350 Kunden folgen in den kommenden Wochen. Die ersten Kilowattstunden haben die Leipziger am Anfang dieses Monats in die Batterien ihrer Kunden eingespeichert. Wenn die Qualifizierung abgeschlossen ist, können die Anlagenbeitreiber etwa 800 Kilowattstunden Strom pro Jahr kostenlos bekommen. Dazu kommen noch 2.500 Kilowattstunden Wärmeenergie, die die Kunden kostenlos verbrauchen können, indem eine im Gebäude installierte Wärmepumpe oder ein Heizstab anspringt, wenn überschüssiger Strom im Netz vorhanden ist. „Der Endverbraucher sichert sich damit an bis zu 80 Tagen im Jahr, vornehmlich im Herbst und Winter, einen kostenlosen Strom- und Wärmebezug“, rechnet Mathias Hammer vor.
Voraussetzung für die Einbindung eines Haushalts in das Econamic Grid ist, dass der Hausbesitzer eine Photovoltaik- oder Kleinwindanlage oder ein Blockheizkraftwerk installiert hat. Diese Anlage muss mit dem Senec-Speicher der Leipziger erweitert werden. Bisher ist die Teilnahme am Econamic Grid noch auf 5.000 Teilnehmer begrenzt. Nach Angaben des Unternehmens sind noch etwa 100 Plätze verfügbar. Doch diese werden immer weniger. „Täglich registrieren wir etwa zehn Neuanmeldungen“, erklärt Hammer. „Wir arbeiten jedoch daran, die begrenzte Teilnehmerzahl zu erhöhen“, betont der Geschäftsführer des Leipziger Unternehmens. (Sven Ullrich)