Tausende Erneuerbare-Energien-Anlagen, die vor 2001 installiert wurden, müssen ab Ende nächsten Jahres ohne EEG-Unterstützung auskommen – ihre Förderung läuft nach 20 Jahren aus. Mit welchen Geschäftsmodellen lassen sich Anlagen auch ohne EEG-Erträge weiter wirtschaftlich betreiben? GP JOULE hilft Betreibern, Antworten auf diese Frage zu finden. So auch in Bosbüll, einer Gemeinde in Nordfriesland: Hier haben die Expertinnen und Experten des Unternehmens ein Modell entwickelt, das die Zukunft der Anlagen sichert, die lokale Wertschöpfung erhöht und den Klimaschutz voranbringt.
Im nordfriesischen Bosbüll fallen zwei Windenergieanlagen Ende 2021 aus der EEG-Förderung; weitere folgen einige Jahre später und Ende des Jahrzehnts auch ein Solarpark. GP JOULE plant, diesen Strom verschiedentlich zu vermarkten. Zum einen sollen die Bürgerinnen und Bürger von Bosbüll über eine Direktleitung mit Windstrom versorgt werden. Das ist wirtschaftlich attraktiv, weil damit teilweise Netzentgelte und andere Abgaben entfallen können. Zum anderen ist vorgesehen, mindestens einen Elektrolyseur zu installieren, der mit der Windenergie Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge erzeugt. In der Region entstehen zwei entsprechende Tankstellen.
Darüber hinaus soll der Windstrom die Gemeinde mit regenerativer Wärme versorgen. Sie lässt sich über Wochen speichern. Für Aufbau und Betrieb des Wärmenetzes hat GP JOULE zusammen mit der Gemeinde Bosbüll eine GmbH gegründet; die Federführung dort liegt bei der Kommune. GP JOULE übernimmt Konzeptionierung, Planung, Umsetzung und Betrieb des Gesamtprojekts. Technisch wird das Ganze mithilfe einer Wärmepumpe, einer Power-to-Heat-Anlage mit Elektroheizstab, und eines Wärmespeichers möglich. Über ein Nahwärmenetz wird die Energie zu den Verbrauchern transportiert. Auch die Abwärme des Elektrolyseurs soll in dieses Netz eingespeist werden.
„Bosbüll ist eines der ersten Projekte, bei dem Windkraftanlagen, die aus dem EEG laufen, genutzt werden, um die Sektoren Wärme und Mobilität zu bedienen, und so ein Post-EEG-Vermarktungsmodell aufgezeigt wird, welches in ganz Deutschland umgesetzt werden kann“, sagt Sören Haase, Abteilung Wärme bei GP JOULE. „Natürlich stellen EEG-Umlage und Stromsteuer für solche innovativen Projekte noch eine kontraproduktive Belastung für die Wirtschaftlichkeitsrechnung dar – aber es geht, das wollen wir am kooperativen Beispiel von Bosbüll auch mit der Gemeinde zeigen.“
Im ersten Schritt sollen 25 Wohnhäuser mit regenerativer Wärme versorgt werden, insgesamt sind das rund 525 Megawattstunden thermische Energie (MWh). Außerdem soll die Wärme an einen Schweinestall gehen, um damit einen Ölkessel zu ersetzen – dafür werden nochmal rund 548 MWh gebraucht. „Insgesamt sparen wir rund 180.000 Liter Heizöl pro Jahr in den 25 Häusern und dem Schweinestall“, freut sich Johnny Ingwersen als Betreiber der Windkraftanlagen. Im zweiten Schritt sollen 15 weitere Wärmeabnehmer angeschlossen werden, nachfolgend zusätzliche Großabnehmer.
Heizzentrale Startpunkt des Wärmenetzes
Als Startpunkt des Wärmenetzes ist die Heizzentrale geplant, direkt neben dem Schweinestall als Großabnehmer. Über ein 2,25 km langes Verteilnetz inklusive Hausanschlüsse wird die Wärme dann im Ort Bosbüll verteilt werden.
Die Wärmeverluste des Verteilnetzes werden über optimale Dämmung minimal gehalten. Das Wärmenetz wird mit den für die Kunden notwendigen Vorlauftemperaturen gefahren, also mindestens 65 Grad Celsius. Darüber hinaus ist der Plan, mit den Kunden die Heizsysteme so abzugleichen, dass möglichst niedrigere Vorlauftemperaturen über das ganze Jahr im Netz möglich sind und so die Netzeffizienz weiter gesteigert werden kann.
Mit diesen Projekten strebt Bosbüll eine fossilfreie, auf regionalen Lieferbeziehungen basierende Energieversorgung an, die alle Sektoren umfasst: Die Nahwärme ersetzt künftig die bislang noch dominierenden Ölheizungen, der Wasserstoff verdrängt Benzin und Diesel. Das Projekt wurde in der Machbarkeitsstudie durch das Förderprogramm Wärmenetz 4.0 der BAFA mit dem Modul I gefördert.
Power-to-Gas
Wind-Wasserstoff, als neues Produkt aus Windstrom durch Elektrolyse erzeugt, eröffnet neue und zahlreiche Märkte wie vor allem Mobilität, PtGtP, Gewerbe, Autarkie. Denn für die Dekarbonisierung von Verkehrssektor, Industrie und auch Wärmesektor muss auf Basis von erneuerbaren Energien eine Lösung gefunden werden, schnell.
Hier ist grüner Wasserstoff aus Windstrom Schlüsselenergieträger, um diese Sektoren emissionsarm zu machen. Denn Baseload-Quellen wie Geothermie, Hydro und Biomasse sind limitiert im Wachstum und PV bietet nicht so viel Überschuss wie Wind.
Aktuell ist die Wirtschaftlichkeit stark abhängig von der jeweiligen Regulierung (EEG, Strombezug, Netzentgelt, CO2-Preis etc.) und der Logistik. Dennoch gehen Windenergieerzeuger bereits voran. So setzt der Bürgerwindpark Ellhöft einen PEM-Elektrolyseur der GP-JOULE-Tochter H-TEC SYSTEMS für die Windstrom-Veredelung ein. Die neu entwickelte Anlage mit einer Nennleistung von einem Megawatt soll im schleswig-holsteinischen Haurup ab 2020 aus überschüssigem Windstrom jährlich bis zu drei Millionen Kilowattstunden Wasserstoff ins Gasnetz einspeisen. „Das ist ein perfekter Standort für das Projekt“, sagt Co-Geschäftsführer und Windkraftpionier Reinhard Christiansen, „weil es dort einen Netzknoten gibt, an dem besonders viel überschüssiger Windstrom anfällt, den wir mit unserem Elektrolyseur künftig in erneuerbaren Wasserstoff – also Windgas – umwandeln können. So nutzen wir jede Kilowattstunde, anstatt Windkraftanlagen abzuschalten.“
Dieser Artikel ist Teil der Sonderbeilage Wind Innovation in ERNEUERBARE ENERGIEN 6/2019, die auch auf der Husum Wind ausliegt.