Die Deutsche Energieagentur (Dena) hat den Modernisierungsbedarf für die Verteilnetze in Deutschland neu bestimmt. Bis 2030 müssten demnach in Deutschland zwischen 135.000 und 193.000 Kilometer Leitungen ausgebaut werden. Zwischen 21.000 und 25.000 Kilometer sind umzubauen. Die erforderlichen Investitionen bezifferte die Dena auf 27,5 bis 42,5 Milliarden Euro. Der Ausbaubedarf hänge wesentlich davon ab, wie hoch der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 ist. Schwerpunkt ist der Ausbau der Mittelspannungsebene. Das erspart erhebliche Investitionen in neue Hochspannungstrassen.
Ausbau der erneuerbaren Energien ist machbar
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßte die neue Dena-Studie. Sie mache deutlich, dass der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien in den Verteilnetzen technisch und finanziell machbar sei. „Die Verteilnetze weisen noch erhebliche Reserven für den Zubau erneuerbarer Energien auf“, kommentiert BEE-Präsident Dietmar Schütz die Ergebnisse der Studie. „Durch technische Innovationen kann deren Kapazität zudem weiter erhöht werden. Dem zügigen Umbau unserer Energieversorgung steht auf der örtlichen Netzebene also nichts im Wege.“
BEE sieht positives Signal
Auch was die Kosten für die Modernisierung der Verteilnetze angeht, sieht der BEE in der aktuellen Untersuchung ein positives Signal. Diese seien selbst bei ambitionierten Ausbauzielen für erneuerbare Energien überschaubar. Hinzu komme, dass sich der Investitionsbedarf durch den Einsatz innovativer Technologien deutlich senken lasse. Das zeige auch die Potenzialabschätzung der Dena-Studie. Der BEE geht davon aus, dass die Kosten für die Ertüchtigung des Verteilnetzes beispielsweise durch den Einsatz regelbarer Ortsnetztrafos oder weitreichendes Lastmanagement annähernd halbiert werden. „All diese Optionen sollten intensiv untersucht werden, um Fehlinvestitionen zu vermeiden und die Entwicklung geeigneter Technologien voranzutreiben“, regt Schütz an.
Intelligente Wechselrichter nutzen
Jörg Mayer, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Solarwirtschaft (BSW Solar), schlug vor, auch die intelligenten Funktionen von Solarwechselrichtern zu nutzen, um Geld beim Netzausbau zu sparen. Laut der Dena-Studie lassen sich durch intelligente Einspeisetechnik bis 2030 rund 15 Milliarden Euro beim Ausbau der Stromkabel sparen. „Solche Technologien müssen zum Standard für die künftige Ertüchtigung des Verteilnetzes werden, um die Stromverbraucher so wenig wie möglich zu belasten“, fordert Mayer. „Auch ambitionierte Ausbaupläne der Bundesländer oder der Erneuerbare-Energien-Branche können dadurch effizient umgesetzt werden.“
Blindleistung glättet die Spannung im Netz
Seit Anfang 2012 sind blindleistungsfähige Wechselrichter für neue Photovoltaikanlagen bis auf Kleinstanlagen vorgeschrieben. Sie können unerwünschte Spannungsspitzen oder Spannungseinbrüche im Netz ausgleichen. Neue, regelbare Ortsnetztransformatoren, die flexibel auf Stromabnahme und Solarstromangebot reagieren, sind bereits auf dem Markt erhältlich. Netzdienlich betriebene Speicher seien ebenfalls günstiger als der konventionelle Netzausbau, argumentiert die Dena-Studie. Damit widersprechen die Autoren der Bundesnetzagentur, die kürzlich die Energiespeicher als nicht systemrelevant bezeichnet hatte.
Große Reserven in der Niederspannung
Denn angesichts steigender Strompreise wird der Eigenverbrauch des Sonnenstroms immer attraktiver. „Deshalb rechnen wir mit einer stärkeren Konzentration neuer Anlagen in Städten und Vorstädten, wo ein hoher Strombedarf besteht und wo die Netze ohnehin noch größere Mengen Solarstrom aufnehmen können“, erläutert Jörg Mayer. „Der Trend zur künftig größeren Nähe von Stromerzeugung und Stromverbrauch wird in der Dena-Studie noch nicht berücksichtigt.“ Solarstrom wird überwiegend in die Niederspannungsnetze eingespeist. Hier kommt die Dena-Studie zu dem Schluss, dass ein vergleichsweise geringer Ausbau vonnöten ist, da diese Netze über erhebliche Reserven verfügen. Mayer resümiert: „Die Stromnetze sind schon heute in der Lage, noch größere Mengen Solarstrom aufzunehmen. Sie sind nicht – wie vielfach behauptet – der Flaschenhals, der eine Begrenzung des Zubaus neuer Anlagen rechtfertigen könnte.“ Bernhard Beck, Geschäftsführer der Belectric Solarkraftwerke GmbH im fränkischen Kolitzheim, sagt: „Jetzt ist die Politik gefragt, die richtigen Schlüsse aus der Studie zu ziehen.“ Belectric hat die dynamische Blindleistungsregelung moderner Solarwechselrichter maßgeblich vorangetrieben. „Stromverbraucher können mit dem Zubau von netzstabilisierenden Solarkraftwerken von zusätzlichen Milliardenkosten für den Netzausbau entlastet werden.“ (Heiko Schwarzburger)