Die Projektfirma Denker & Wulf aus Sehestedt im Kreis Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein hat 2023 bei Ausschreibungen Zuschläge für zwölf Projekte ergattern können. Gleichwohl ist nicht alles eitler Sonnenschein, wie Vorstand Torsten Levsen verrät.
Früher wurden Solar und Wind stets getrennt betrachtet. Das hat sich geändert. Aber warum war das früher so?
Torsten Levsen: Grundsätzlich ist es der Druck auf die Fläche. Wir müssen die gegebenen Flächenverhältnisse optimal nutzen. Der Haupttreiber ist aber die Infrastruktur, die uns den Weg zu den Netzverknüpfungspunkten weist. Heute sammeln sich die Projekte um den Netzverknüpfungspunkt wie Tiere in der Savanne um die Wasserstellen.
Ich bin kein großer Freund davon, in Windeignungsflächen unbedingt auch Solar zu bauen, sondern das in derselben Region zu machen. Aber nicht zu stark zu verzahnen, denn eine Windparkfläche mit der gegebenen Infrastruktur wird der landwirtschaftlichen Nutzung ja nicht entzogen. Während eine Solarfläche in der Regel dazu führt, dass die landwirtschaftliche Nutzung dort Geschichte ist, wenn Sie nicht gerade Agri-PV machen. Zudem passen die Planungszeiten und Lebenszyklen von Windkraft- und Solaranlagen nicht perfekt zusammen. Da die Solarfläche eher durch gemeindliche Planung und die Windfläche durch regionalplanerische Maßnahmen realisiert wird, ist die Solarplanung ohnehin schneller als ein Windprojekt. Wind wird in der Regionalplanung zudem immer so ausgewiesen, wie es die vielfältigen Restriktionen im jeweiligen Landstrich erlauben. Bei der Solaranlage sind derartige Einschränkungen zumeist anders gelagert und weniger spielbestimmend. Häufig geht es eher darum, welche Flächen eine geringere Wertigkeit haben.
BWE-Event:
Hören Sie Torsten Levsen in einer Diskussionsrunde zur effizienten Netznutzung beim Windbranchentag
Schleswig-Holstein, 24. April 2024 in Husum
Ergänzen sich Wind und Solar besser am Netzverknüpfungspunkt?
Torsten Levsen: Das auf jeden Fall. Aber wenn es darum geht, sich einen Platz an einem Netzverknüpfungspunkt zu sichern, sind die Solarparks natürlich planerisch viel schneller als die Windparks. Das heißt, wenn der Windpark fertig errichtet ist, ist der Netzverknüpfungspunkt vielleicht schon mit Solar überfüllt, weil das vorher nicht abgestimmt wurde. Wenn Sie den Aufstellungsbeschluss im Solarbereich haben, dann wird Ihnen das Netz im Prinzip reserviert. Auch bei einer regionalplanerisch fest vergebenen Windparkfläche kann vor der Genehmigung der Windenergieanlagen der Netzpunkt plötzlich durch Solar vereinnahmt sein und die übergeordnete planerische Idee Wind kommt nicht mehr zum Zuge.
Was kann man tun?
Torsten Levsen: Ich möchte eigentlich keine Neuregelung einführen, aber der richtige Energiemix in der Region stellt sich nicht durch Zufall ein! Eventuell sollten für Planungsgebiete auch Netzkapazitäten mitgedacht beziehungsweise vorgesehen werden. Auf der anderen Seite darf die Anschlusskapazität kein Grund sein, Flächen längerfristig nicht auszuweisen! Es muss ein Entwicklungsplan für Netze her.
In der Planung waren bisher Genehmigungen der größte Mangel. Das hat sich jetzt massiv geändert. Wir haben deutlich höhere Genehmigungsmengen, weil in Berlin sehr gute Gesetze gemacht wurden und sich der gesellschaftliche Wille zu mehr regenerativer Energie gewandelt hat. Nun kommt der Mangel an Netzkapazität ins Spiel.
Wie geht man mit dieser Problematik um?
Torsten Levsen: Die Schleswig-Holstein Netz AG sagt zum Beispiel: Für eine Reservierung brauchst du einen Aufstellungsbeschluss der Gemeinde, dann reservieren wir die Kapazität für zwei Jahre. Maximal 20, wenn nicht 15 Prozent der Projekte, die wir planen, werden über Baupläne vorangetrieben, wenn nicht noch weniger. In der Regel wird direkt ein BImSchG-Antrag gestellt, der dann seine Zeit dauert. Somit gibt es für Wind auch keine Reservierung. Das führt dazu, dass man eine Hase-und-Igel-Situation hat. Der Solar-Igel ist dann schon am Ziel, wenn der Wind-Hase am Netzverknüpfungspunkt eintrifft.
Wie kann man das Risiko minimieren?
Torsten Levsen: Das ist ein ganz zentraler Punkt: Es gibt eine Möglichkeit, die Infrastruktur intelligent zu nutzen. Beide Energieformen haben nicht nur tagsüber, sondern auch übers Jahr, eine sich ergänzende Lastgangkurve. Solar ist besonders stark, wenn die Sonne scheint, und wenn der Wind weht, fließt der Windstrom reichlich. Deshalb gibt es ein Optimum, wie stark man diese Anschlüsse überbauen kann. Dieses Optimum wird gerade durch eine Studie vom Fraunhofer IWES in Kassel untersucht. Wir unterstützen diese Studie. Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen, wo das Optimum ist. Wenn man einen 100-MW-Windpark und 100-MW-Netzanschluss hat, wie viel Prozent Solar kann ich dort noch anschließen, ohne im wirtschaftlichen Chaos auf Seiten des Wind- oder Solarparks zu landen?
Eine Überbauung der erneuerbaren Energien wird ja ohnehin zunehmen, oder?
Torsten Levsen: Der Strompreis wird durch die Standortwahl mitbestimmt. Wenn ein Betreiber für die Windenergie über sieben Cent für die Kilowattstunde bekommt und in der Ausschreibung für Solar fünf Cent, dann wird er im Zweifel immer den Solarpark abregeln wollen. Wir würden den Solarpark regeln und über einen gemeinsamen Regler mit dem Energieversorger ein Gesamteinspeiseniveau bestimmen, das wir nicht überschreiten.
Kompliziert wird es, wenn man sich mit vielen Partnern einigen muss, oder?
Torsten Levsen: Die Zwänge bringen uns da zusammen. Selbst, wenn wir nicht die gleichen ökonomischen Interessen haben, sitzen wir im selben Boot. Ein bisschen Einschränkung bei der Einspeiseleistung hinzunehmen, ist der bessere Weg, als eine Kabeltrasse oder ein Umspannwerk zweimal zu bauen. Und diese Einschränkung muss jetzt durch die Fraunhofer-Studie quantifiziert werden.
Wird nun in der Regenerativbranche stärker miteinander kommuniziert, weil man sich beim Netzanschluss einigen muss?
Torsten Levsen: Unbedingt. Vor allen Dingen, wenn es darum geht, dass wir 380-kV-Umspannwerke realisieren müssen. Da müssen ganze Regionen zusammenarbeiten, weil die Kosten da im Verhältnis zu der 110-kV-Einspeisung ungefähr Faktor vier sind. Aber auch die Kosten auf 110-kV-Ebene sind dramatisch gestiegen. Für die Umspannwerke, die wir gerade bauen, hätte ich vor vier Jahren wahrscheinlich ein Drittel des Preises bezahlt. Wir haben eine unglaubliche Kostenkurve, zurzeit ist der Netzanschluss ein großer Kostentreiber.
Wichtig ist, dass die Ausbaudynamik bei Wind und PV nicht wegen fehlender Netzanschlussmöglichkeiten zum Erliegen kommt. Die nächsten sechs bis acht Jahre werden diesbezüglich herausfordernd sein. Es wäre falsch, den Zubau von Erzeugungsanlagen zu verlangsamen und auf den Netzausbau zu warten. Stattdessen müssen wir technische oder wirtschaftliche Lösungen finden, die den weiteren Ausbau bei knappen Übertragungskapazitäten sicherstellen.