Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag Michael Kauch berichtet in der gestrigen Sitzung des Umweltausschusses, die Fraktionen der Regierungskoalition haben sich darauf geeinigt, die Regelungen zum atmenden Deckel im Erneuerbare-Energien-Gesetz zu behalten. Damit ist die feste Degression, wie sie im Gesetzentwurf von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vorgesehen war, vom Tisch. Die Absenkung der Einspeisevergütung wird sich in Zukunft auch weiterhin nach dem aktuellen Zubau richten. „Außerdem haben wir uns darauf verständigt, dass die Verordnungsermächtigung zur Marktintegration komplett gestrichen werden soll“, verkündet Kauch. „Bei der anderen Verordnungsermächtigung sind wir in Beratung.“
Übergangsfristen zu kurz
Damit sind zwar zwei der Punkte, die auf heftige Kritik seitens der Opposition und der Solarbranche gestoßen sind, aus dem Gesetz gestrichen, doch bleibt die Regierung weiter unter Beschuss. Vor allem die Kurzfristigkeit der Novelle lehnen die Parlamentarier von SPD, den Grünen und der Linken sowie die im Umweltausschuss angehörten Sachverständigen ab. Vor allem die Photovoltaikindustrie hat damit große Probleme. „Wir brauchen angemessene Übergangsfristen, insbesondere für Freiflächenanlagen“, betont Martin Zembsch, Geschäftsführer von Belectric. „Dass der Aufstellungsbeschluss am 1. März vorliegen musste, ist schon gut, aber der 30. Juni für die Inbetriebnahme der Anlage ist für uns nicht akzeptabel. Mit diesen kurzen Übergangsfristen ist die Verlässlichkeit der Politik in Frage gestellt.“ Zembsch erinnert die Ausschussmitglieder daran, dass vor allem Anlagen auf der Freifläche einen enormen Planungsvorlauf haben. „Was heute immer noch nicht verstanden wird: Es gibt neben dem EEG auch ein Baugesetzbuch und dieses Baugesetzbuch verpflichtet uns, gewisse Regeln einzuhalten“, so der Geschäftsführer des Anlagenplaners aus Kolitzheim. „Schon allein bis wir von einem Aufstellungsbeschluss zum Satzungsbeschluss der Gemeinde kommen, was die Basis für eine Baugenehmigung ist, brauchen wir in der Regeln zwei bis drei Monate. Dann braucht die Behörde, die die Baugenehmigung ausstellt, auch noch in der Regel vier bis sechs Wochen. Teilweise kann das bis zu einem halben Jahr dauern. Das heißt, selbst wenn wir einen Aufstellngsbeschluss zum 1. März haben, können wir gar nicht in der Lage sein, die Anlage bis zum 1. Juli fertigzubauen, selbst wenn wir die Heinzelmännchen mit dazunehmen. Die vorgeschlagene Übergangsfrist ist zwar gut gemeint, aber in der Praxis überhaupt nicht anwendungstauglich.“ Belectric prüft deshalb eine Verfassungsklage gegen die Novelle. „Die Aussage, zu der die Gutachterin gekommen ist, die das rechtlich geprüft hat, lautet, dass die Frist so gestaltet werden muss, dass wir auch technisch und wirtschaftlich in der Lage sind, ein solches Kraftwerk zu errichten“, sagt Zemsch. Dass es jetzt zu einem nachträglichen Boom beim Bau von Freiflächenanlagen kommt, sieht Zemsch nicht, da je der 1. März als Zeitpunkt für den Aufstellungsbeschluss bleibt.
„Hochwertige Arbeitsplätze in der Industrie erhalten“
Auch Hubert Aulich, Chef der deutschen Niederlassung von PV Crystalox Solar in Erfurt kritisiert den Zick-Zack-Kurs der Bundesregierung bei der Solarstromförderung. „Was uns Sorgen macht ist, dass die Bundesregierung im letzten Jahr eine Gesetzesnovelle gemacht hat und die hat noch nicht mal richtig gewirkt, da geht es schon wieder um eine neue Novellierung der Novellierung“, so Aulich. „Das ist für Investitionen absolut tödlich. Wir haben in Bitterfeld etwa 120 Millionen Euro in eine Produktionsanlage investiert. Die Abschreibung für eine solche Anlage dauert etwa zehn Jahre“, rechnet er vor. Da kann man nicht jedes halbe Jahr etwas Neues machen. Das geht nicht. Deshalb ist die Verlässlichkeit, vor allem im Energiebereich, absolut notwendig. Dieser Vertrauensschwund, der hier generiert wurde, ist das, was wir nicht akzeptieren können.“ Aulich verweist darauf, dass der Ausbau der Photovoltaik in einer Größenordnung von fünf bis sieben Gigawatt pro Jahr keinen nennenswerten Kosten für den Verbraucher mehr verursacht. Er schlägt vor, einen Bonus für Module einzuführen, die in Europa produziert wurden, um „hochwertige Arbeitsplätze in der Industrie in Deutschland zu erhalten“.
Wirtschaftlichkeit durch Eigenverbrauch
Die Interessen der Verbraucher hat indes Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen im Blick. Er beharrt darauf, dass die Bundeskanzerlin im letzten Jahr versprochen hat, dass die EEG-Umlage nicht über 3,5 Cent pro Kilowattstunde steigen soll. „Wir sind schon dieses Jahr leicht darüber, aber ich denke, dass das was man hier seitens der Bundesregierung vorgeschlagen hat, dem Ziel ein Stück näher kommt“, so der Verbraucherschützer. Er unterstützt die Vorschläge der Regierung und betont, dass er nicht davon ausgehe, dass es das Ende der Solarenergie in Deutschland sein wird. Er plädiert dafür, den Eigenverbrauch zu stärken. „Gerade im mittleren Segment bei den gewerblichen Anlagen im Bereich von mehreren hundert Kilowatt könnten Systeme mit einer Gesamtleistung von etwa zwei Gigawatt ganz ohne Förderung laufen, weil sie sich durch den Eigenverbrauch wirtschaftlich tragen“, so Krawinkel.
Mehr Eigenverbrauch lässt EEG-Umlage steigen
Doch genau dieser Eigenverbrauch sollte den Netzbetreibern und Stromanbietern Angst machen. Denn „es könnten sich ja Betreiber einer Solaranlage mit einem Speicher ganz abkoppeln“, sagt Karl-Heinz Remmers, Vorstandvorsitzender der Solarpraxis. Er sieht das Marktintegrationsmodell, das von der Regierung vorgeschlagen wurde, sehr kritisch. „Wir haben bereits zum 1. Januar eine Marktregelung eingeführt“, so Remmers. „Wenn die jetzt nicht funktioniert, frage ich mich, warum wir eine zweite einführen wollen. Und wenn man die erste weiterentwickeln will, dann sollte man sehr genau hinschauen, was man mit dem Strom in einem kleinen Haus anfangen kann.“ Für Großanlagen müssten erst einmal vernünftige Vertriebsmodelle entwickelt werden, damit man den Strom auch wirklich vermarkten kann, bevor man ein neues Marktintegrationsmodell einführt. „Es ist im Moment noch nicht so weit, dass man den Strom handeln oder in Größenordnungen selbst verbrauchen kann. Kommt es aber so, wie es momentan im Gesetzentwurf steht, dann ist das nichts anderes als eine weitere Vergütungsabsenkung“, kritisiert Remmers. Das Argument der Verbraucherschützer, die EEG-Umlage auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde halten zu müssen, um die Verbraucher nicht zu sehr zu belasten, hält Remmers für fadenscheinig. Zum einen „ist das 3,5-Cent-Ziel im Herbst sowieso dahin, wenn man das ganze System nicht aus den Angeln hebt“, so Remmers. „Wir sehen, dass die Preise an der Strombörse fallen und wir haben die niedrigsten Preise seit wir die Strombörse haben und das ohne Atomstrom. Die erneuerbaren Energien und vor allem die Photovoltaik senken die Börsenstrompreise. Das wird im Herbst dazu führen, dass sich die EEG-Umlage möglicherweise erhöht.“ Dass es dazu kommt, liegt aber nicht an den Solaranlagen, sondern am Stromvermarktungssystem. Denn je niedriger der Preis an der Strombörse ist, desto geringer werden die Erlöse vor den Netzbetreiber aus dem Solarstrom. Die Differenz zwischen Einspeisevergütung und Erlös an der Strombörse zahlt aber der Verbraucher über die EEG-Umlage. (Sven Ullrich)