Ukraine-Krieg, möglicher Lieferstopp von russischem Gas, Klimaschutz: Das Thema Wärmewende drängt sich ins öffentliche Bewusstsein. Endlich, könnte man sagen. Denn mehr als 50 Prozent unseres Energieverbrauchs nutzen wir für Wärme.
„Wir haben uns lange auf Strom fokussiert“, kritisiert Werner Lutsch, Geschäftsführer des Energieeffizienzverbands AGFW. Die Wärmewende sei hingegen vernachlässigt worden. Zu viele Verordnungen und Gesetze seien schon seit Jahren ohne Ergebnis in der Diskussion. Es brauche stattdessen zügiges Handeln, zum Beispiel die Abschaffung der Wärmelieferverordnung oder ein schnelles Ausrollen der Bundesförderung effiziente Wärmenetze, um bestehende Stadtwärmenetze auszubauen und auf Klimaneutralität umzustellen. „Das Programm braucht eine Laufzeit bis 2030 und eine finanzielle Ausstattung von mindestens 2,5 Milliarden Euro pro Jahr”, fordert Lutsch.
Power-to-Heat-Anlagen dauerhaft von Netzentgelten befreien
„Unsere Stadtwärme ist ein großer Hebel für eine schnelle Wärmewende. Sie kann klimafreundliches Wohnen skalieren”, betont auch Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wärme Berline AG. Deutschland komme beim klimafreundlichen Wohnen viel zu langsam voran. Der Konzern, der bis 2040 klimaneutral sein möchte, hat deshalb einen 12-Punkte-Plan zur Wärmewende vorgelegt, der Klimaschutz und Versorgungssicherheit verbinden soll. Mit einer Reihe von Vorschlägen möchte Vattenfall die städtische Wärmeversorgung unabhängiger von Gas und Kohle machen.
Für sogenannte Power-to-Heat-Anlagen brauche es auch über das Jahr 2023 hinaus eine Befreiung von Netzentgelten, um Investitionen anzuregen, sagt Wielgoß. „Dafür brauchen wir leistungsfähige Stromleitungen in städtischen Gebieten, der Netzausbau muss schneller gehen.“
Abwärme zur Wärmeerzeugung nutzen
Weiterhin fordert Vattenfall, Abwärme – etwa aus Rechenzentren, Abwasser oder industriellen Prozessen und insbesondere Energie aus Abfällen – konsequenter zur Wärmeerzeugung zu nutzen als bislang. „Statt Müll aus den Städten herauszuschaffen und teils ungenutzt im Umland zu verbrennen, sollte der Abfall in den Städten verbleiben und dort nach dem Verursacherprinzip in die Klimabilanz aufgenommen werden. Wird er hier statt im Umland verwertet, kann die resultierende Hitze für die Stadtwärme genutzt werden – wie es mit zwei Drittel der Berliner Abfälle bereits seit den 1960er Jahren geschieht”, fordert Wielgoß. Das restliche Drittel könne im Müllheizkraftwerk Ruhleben verbrannt, statt in Umland exportiert werden. Damit ließen sich 7 Prozent des Berliner Gasverbrauchs ersetzen.
Auch in Biomasse aus Gartenabfällen, Waldrestholz oder Kurzumtriebsplantagen sieht Vattenfall großes Potenzial – denn sie setzt bei der Verbrennung nur so viel CO2 frei, wie sie zuvor zwischengespeichert hat. „Mengenmäßig ist Biomasse aber nur begrenzt verfügbar”, bemerkt Lutsch. „Sie sollte deshalb nicht überall, sondern gezielt dort eingesetzt werden, wo es energetisch am sinnvollsten ist – und das ist in Wärmenetzen der Fall.” (kw)
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