Mit den im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG 2017) vorgesehenen Ausschreibungen sind verschiedene Nachteile verbunden, etwa der bürokratische und personelle Mehraufwand auf allen Seiten, Mehrkosten und ein befürchteter Verlust an Akteursvielfalt durch die Konzentration auf wenige Unternehmen und evtl. noch weniger Bürgerenergiegesellschaften, die den Zuschlag für den jeweiligen Windpark erhalten werden.
Bürgerenergiegesellschaften (abgekürzt BEG) werden vom Bundesgesetzgeber im EEG 2017 im Rahmen von Sonderregelungen ganz bewusst besser gestellt, um die Akteursvielfalt zu erhalten. Diese Sonderregelungen sind in § 36g geregelt und sorgen dafür, dass BEG schon vor Erteilung der BImSchG-Genehmigung mit bis zu sechs Windenergieanlagen (WEA) und jeweils 3 MW Nennleistung am Ausschreibungsverfahren teilnehmen dürfen:
Zum Gebotstermin am 1. Mai 2017 werden 800 Megawatt und zu den Gebotsterminen am 1. August und 1. November jeweils 1.000 Megawatt zu installierender Leistung für Wind an Land ausgeschrieben, insgesamt also 2.800 MW. Mit der Bundesnetzagentur konnte der Autor nun klären, dass die Ausschreibungsmenge absehbar jeweils eher geringfügig überschritten werden wird, beispielsweise wenn im Vergabeprozess der ersten Ausschreibungsrunde 795 MW ohne Probleme bezuschlagt werden können, man seitens der Bundesnetzagentur durch die Bezuschlagung des nächsthöheren Gebotes z.B. eines Windparks mit 45 MW aber bei insgesamt bezuschlagten 840 MW landet.
Es kann aber auch so kommen, dass im Vergabeprozess der ersten Ausschreibungsrunde 795 MW ohne Probleme bezuschlagt werden, man durch das nächsthöhere Gebot z.B. eines kleinen Windparks mit 6 MW insgesamt bei bezuschlagten 801 MW landet. Da spielt bei der bezuschlagten Menge also auch der Zufall mit.
Das Volumen oberhalb der eigentlich erwünschten Menge (in der ersten Runde 800 MW) wird laut Bundesnetzagentur nicht bei kommenden Runden berücksichtigt, erzeugt also dann keinen Abschlag (von den 1.000 MW in der zweiten und dritten Runde 2017). Aufgrund des oben geschilderten Effektes ist auch davon auszugehen, dass die bezuschlagten Mengen der zweiten und dritten Ausschreibungsrunden 2017 etwas über den jeweils vorgesehenen 1.000 MW liegen werden.
Dabei ist es besonders interessant für BEG, dass sie -sofern sie einen Zuschlag erhalten- unabhängig von ihrem Gebot die höchste noch bezuschlagte Gebotshöhe erhalten werden, während andere Bieter als Bürgerenergiegesellschaften nur entsprechend ihres eigenen Gebotes (genannt „pay as bid“) vergütet werden:
Das Ergebnis wird für Bürgerenergiegesellschaften ähnlich einem „uniform pricing“ sein, wenn auch standortabhängig, also die Vergütung für alle bezuschlagten BEG zum insgesamt höchsten bezuschlagten Gebot.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Bürgerenergiegesellschaften mit diesen Vorteilen umgehen werden. Eine Möglichkeit wäre, einen strategisch niedriges Angebot abzugeben, den Zuschlag dadurch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu erhalten und darauf zu hoffen, dass das höchste noch bezuschlagte Gebot die eigenen Stromgestehungskosten plus die eigenen Gewinnerwartungen schon decken wird.
Wie auch beim klassischen „uniform pricing“ werden strategische Gebote unter den eigenen Stromgestehungskosten zur Absenkung des Vergütungssatzes für alle bezuschlagten Gebote führen. Dies war auch der Fall bei den bereits erfolgten Ausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen, bei denben „uniform pricing“ angewendet wurde. Die Absenkung der Vergütung durch strategische Gebote veranschaulicht diese Grafik:
Erläuterung der Grafik:
Kein strategisches Bieterverhaltenvon Bürgerenergiegesellschaften führt zum höchsten bezuschlagten Gebot beispielsweise von 6,9 Cent (abhängig vom Korrekturfaktor gemäß §36 h EEG 2017). Die Stromgestehungskosten würden voll eingepreist.
Mittleres strategisches Bieterverhaltenvon einem eher kleinen Teil der Bürgerenergiegesellschaften führt dazu, dass sich das höchste bezuschlagte Gebot nach unten absenkt, weil so andere Gebote -die ohne strategische Gebote noch den Zuschlag erhalten hätten- in den nicht mehr bezuschlagten Bereich verdrängt werden. Hier ein hypothetisches Beispiel zum mittleren strategischen Bieterverhalten beim Gebotstermin 1. Mai 2017: Bürgerenergiegesellschaften geben für 200 MW strategische Gebote deutlich unterhalb der eigenen Stromgestehungskosten ab und erhalten dafür jeweils Zuschläge. Es verblieben 600 MW, die durch nicht-strategische Gebote bedient werden, das höchste bezuschlagte Gebot liegt dann beispielsweise bei 6,4 Cent. Für die mit oder ohne strategischem Bieterverhalten bezuschlagten Bürgerenergiegesellschaften würde dies bedeuten, dass sie ebenfalls 6,4 Cent erhalten (abhängig vom Korrekturfaktor gemäß §36 h EEG 2017).
Ausgeprägtes strategisches Bieterverhaltenvon großen Teilen der Bürgerenergiegesellschaften führt dazu, dass sich das höchste bezuschlagte Gebot deutlich nach unten absenkt, weil viele andere Gebote -die ohne strategische Gebote noch den Zuschlag erhalten hätten- in den nicht mehr bezuschlagten Bereich verdrängt werden. Hier ein hypothetisches Beispiel zum ausgeprägten strategischen Bieterverhalten am 1. Mai 2017: Bürgerenergiegesellschaften geben für 800 MW strategische Gebote von 3,4 Cent bis 4,2 Cent ab und erhalten dafür jeweils Zuschläge. Da die 800 MW somit komplett abgedeckt sind, werden keine Gebote ohne strategischen Hintergrund mehr bezuschlagt und es bliebe bei den 4,2 Cent pro Kilowattstunde, die den Bürgerenergiegesellschaften vermutlich nicht zu einem kostendeckenden Betrieb ausreichen würden.
Kommt es also zu ausgeprägtem strategischen Bieterverhalten durch Bürgerenergiegesellschaften, so kann dies im schlechtesten Fall dazu führen, dass das höchste bezuschlagte Gebot die eigenen Stromgestehungskosten nicht betriebswirtschaftlich deckt und daher vermutlich vom Bieter darauf verzichtet wird, den Zuschlag zur Realisierung eines Windparks zu nutzen. Besonders ärgerlich ist ein strategisches Gebot unter den eigenen Stromgestehungskosten, wenn man mit dem echten Gebot in Höhe der Stromgestehungskosten noch den Zuschlag erhalten hätte. Denn dann gilt für alle Bürgerenergiegesellschaften das nächstniedrigere Gebot als das höchste noch bezuschlagte Gebot.
Es könnte so kommen, dass zwar einige Bürgerenergiegesellschaften strategisch niedrige Gebote abgeben werden, aber insgesamt mit ihrer Gebotsmenge unter der bezuschlagten Menge von z.B. 800 MW bleiben, wodurch auch Bürgerenergiegesellschaften und andere Bieter ohne strategische Gebote den Zuschlag zu machbaren Konditionen erhalten. Damit würde deren höchstes bezuschlagtes und im günstigsten Fall betriebswirtschaftlich machbare Gebot die Vergütungshöhe für die strategischen BEG-Bieter bestimmen und dadurch auch diesen BEG-Bietern die Chance ermöglichen, das jeweilige Windpark-Projekt Realität werden zu lassen.
Für Fragen zu diesem komplexen Thema steht der Autor gerne zur Verfügung.
Das gesamte EEG 2017 ist hier abrufbar: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2016/0301-0400/355-16.pdf?__blob=publicationFile amp;v=1