Die Bundesnetzagentur hat jüngst den neuen Rahmen für die Netzausbauszenarien bis 2037 und 2045 genehmigt. Auf Grundlage dieser Szenariorahmen wird der nächste Netzentwicklungsplan Strom (NEP) gebildet. „Die von der Bundesnetzagentur jüngst genehmigten Annahmen zur Stromnetzplanung fallen deutlich ambitionierter aus als von den Übertragungsnetzbetreibern in ihrem Entwurf vom Januar 2022 veranschlagt. Erfreulich ist insbesondere, dass die Stromverbräuche nach oben korrigiert wurden und etwa der Ausbau von PV-Speichern und Großbatterien sowie von Sektorenkopplungstechnologien wie Wärmepumpen schneller erfolgen soll“, lobt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). „Auch die Anpassung der Erzeugungsleistung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen nach oben ist positiv zu bewerten. Der NEP orientiert sich in den genannten Punkten damit an den Annahmen der BEE-Strommarktdesignstudie und weicht deutlich von den Langfristszenarien des früheren BMWI ab.“
Erdgas statt Bioenergie berücksichtigt
Doch der BEE mahnt auch Verbesserungen an. Vor allem finden die flexiblen Verbraucher wie Wasserstoffelektrolyse, Power-to-X sowie der Bioenergie und Geothermie zu wenig Berücksichtigung. „Überhaupt nicht nachvollziehbar ist, weshalb das große Potenzial der Bioenergie vernachlässigt und deren Leistung bis 2045 deutlich zurückfahren werden soll“, kritisiert Peter. „Der Rückbau der Stromproduktion aus Bioenergie beträgt im Vergleich zum heutigen Stand je nach Szenario bis zu 64 Prozent, während für Erdgaskraftwerke im Bestand explizit kein Rückbau vorgesehen wird“, wundert sie sich. „Das ist absurd angesichts der aktuellen Situation des Gasmangels und der daraus resultierenden Versorgungs- und Kostenkrise.“
Zu wenig Geothermie eingerechnet
Selbst bei einem Einsatz alternativer Brennstoffe verkenne die Bundesnetzagentur, dass dezentrale Lösungen neben regionaler Wertschöpfung auch Vorteile zum Beispiel bei der Wärmewende in ländlichen Gebieten bieten, sagt die BEE-Chefin. „Auch die Geothermie und andere sonstige erneuerbare Energien kommen mit veranschlagten einem Gigawatt viel zu kurz und schöpfen die Potenziale bei Weitem nicht aus.“
Zubau von Wind und Solar braucht flexible Leistung
Zudem führe die deutlich unterschätzte Sektorenkopplung zu zusätzlichen negativen Auswirkungen im Energiesystem. „Die Strommarktdesignstudie des BEE hat gezeigt, dass ein massiver Leistungszubau von Wind- und Solarenergie mit mehr flexibel steuerbarer Leistung einhergehen muss“, erklärt Simone Peter. „Dazu zählen die Flexibilitätsoptionen Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, Speicher, KWK oder Power-to-X. Fehlt diese Flexibilität, sind niedrige Marktwerte der erneuerbaren Energien und eine Ausweitung negativer Strompreise die Folge. Damit würde selbst 2050 immer noch keine betriebswirtschaftliche Grundlage für erneuerbare Energien existieren, was sich negativ auf deren Ausbau auswirkt“, warnt sie.
So könnte sich durch die Nutzung der heutigen Biomassepotenziale beziehungsweise Ausweitung auf Rest- und Abfallstoffe oder von Biodiversitäts- und Grünlandflächen sich Biogasanlagen positiv auf das Marktgeschehen auswirken. „Sie können damit vor allem auch hohe Strompreise verhindern, die künftige Wasserstoffgasturbinen erzeugen würden“, beschreibt Simone Peter einen Ausweg. (su)