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Anhörung zum Digitalisierungsgesetz – ein Kommentar

Debatte um intelligente Zähler geht weiter

Die Digitalisierung ist schon längst zum heiligen Gral bei der Umsetzung der Energiewende geworden. Das auch nicht ganz zu Unrecht. Denn zum Beispiel Mieterstromprojekte sind ohne intelligente Zähler überhaupt nicht umsetzbar. Da muss der Planer aufpassen, dass die Kosten für den intelligenten Zähler nicht die Preisvorteile wieder auffrisst, die durch die direkte Nutzung des Solarstroms vom Dach generiert werden.

Doch im Wirtschaftsausschuss ging es gestern um sehr weltliche Dinge. Wie schon seit Jahren streiten sich die verschiedenen Seiten darum, wer denn die intelligenten Zähler bezahlen soll. Immerhin rechnet das federführende Bundeswirtschaftsministerium mit Kosten von 100 Euro pro Jahr, die nicht nur durch den Einbau, sondern auch durch den Betrieb des Zählers anfallen. Denn die Zähler kosten nicht nur mehr. Sie müssen auch in kürzeren Abständen geeicht werden als die alten Geräte mit der Drehscheibe. Das kostet und diese Kosten muss irgendjemand tragen.

Privathaushalt kann kaum Lasten verschieben

Es läuft hier wieder auf die alte Frontlinie hinaus. Die Verbraucherschützer sehen hier ein riesiges Einfallstor für höhere Kosten ohne Nutzen für die Stromkunden. Zwar können die Energieversorger tatsächlich durch intelligente Zähler variable Tarife anbieten, wie sie im Zuge einer Energiewende auch sinnvoll sind. Aber auf der anderen Seite ist der Nutzen für den durchschnittlichen Privathaushalt nur sehr begrenzt, da dieser Lasten nur in sehr geringem Umfange in Zeiten verschieben kann, in denen der Strom billig ist. Wenn ein Mieter in einem Mehrfamilienhaus um Mitternacht seine Waschmaschine und gleichzeitig den Geschirrspüler anwirft, wird er um Ärger mit seinen Nachbarn nicht herum kommen – billiger Strom hin oder her.

Deshalb werden die intelligenten Zähler, wenn sie in jedem privaten Haushalt angekommen sind, kaum einen Beitrag zur Energiewende leisten können, da die Last ohnehin nur in sehr engen Grenzen verschiebbar ist. Das ist der beste Grund für die Verbraucherzentrale Bundesverband einen verpflichtenden Einbau abzulehnen. Zwar betont der Vertreter des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz, dass der Einbau derzeit nur für Stromkunden verpflichtend gemacht werden soll, die mehr als 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen. Doch die Verbraucherschützer sehen im jetzigen Gesetzentwurf schon die Grundlagen für eine flächendeckende Pflicht für alle bundesdeutschen Haushalte gelegt.

Kostendebatte längst nicht beendet

Tatsächlich haben die Verbraucherschützer damit nicht ganz unrecht. Denn das Gesetz sieht vor, ab 2020 optional auch Stromkunden mit einem jährlichen Verbrauch von weniger als 6.000 Kilowattstunden mit intelligenten Zähler auszustatten. Wirtschaftlich vertretbar ist das, wenn die Preise weit unter 100 Euro pro Jahr, tatsächlich aber über den jetzigen Kosten für die Kunden liegen. Die Bundesregierung will hier einen Deckel einziehen, so dass es für die Stromkunden nicht allzu teuer wird. Verlangt der Messstellenbetreiber einen zu hohen Preis für den Zählereinbau und Betrieb, kann der Stromkunde ablehnen. Mit diesem Konstrukt will die Bundesregierung die seit Jahren schwelende und den Einbau von intelligenten Zählern behindernde Diskussion um die Bezahlung endlich beenden, um beim Thema Digitalisierung der Energiewirtschaft voran zu kommen.

Doch beide Seiten finden sich jeweils ungerecht behandelt. Klar, für den Verbraucher wird es etwas teurer, ohne dass er bei einem jährlichen Stromverbrauch von weniger als 2.000 Kilowattstunden noch viel Nutzen selbst aus variablen Strompreisen ziehen kann. Doch die Kosten für ihn sind überschaubar. Auch wenn es tatsächlich fragwürdig erscheint, wieso ein Zähler, der jährlich 2.001 Kilowattstunden misst, mehr kosten soll als der gleiche Zähler, wenn er zwei Kilowattstunden weniger registriert.

Auf der anderen Seite steht der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Er will mehr für seine Klientel herausholen. Der Deckel soll weg und die tatsächlichen Kosten sollen komplett an den Stromkunden weitergegeben werden. Mit den Maixmalforderungen bleiben beide Seiten – sowohl die Verbraucherschützer als auch der Interessenverbrand der alten zentralistischen Energiewirtschaft – auf der Diskussionsebene hängen, die eigentlich schon längst obsolet ist.

Netzausbau sparen

So wirbt denn auch der Zentralverbrand der Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEH) damit, dass nur durch die intelligenten Systeme auch variable Tarife möglich werden – eine Forderung, die aus den Branchen der Erneuerbaren schon lange kommt, um den ganzen Strommarkt auf eine Ebene zu heben, die der Energiewende angemessen ist. Denn die Lastverschiebung kann viel bewirken, auch wenn sie sich in Grenzen hält. Intelligente Systeme sparen aber immerhin Investitionen in den Netzausbau, was wiederum ein Argument dafür ist, dass die Netzbetreiber doch auch ihren Anteil an den Kosten tragen sollten. Schließlich haben sie es einfacher und müssen nicht so viel investieren, wenn sie aktuelle Daten bekommen. Zudem werden durch die intelligenten Zähler auch Geschäftsmodelle möglich, die sie sonst gar nicht hätten.

Da fängt aber schon der nächste Streitpunkt an. Der BDEW macht ein neues Fass auf, indem er fordert, dass die Netzbetreiber die Oberhoheit über alle Zähler Deutschlands behalten sollen. Das Argument: Man brauche ja als Netzbetreiber die qualifizierten Verbrauchsdaten, um das Netz stabil halten zu können, wenn immer mehr Strom aus volatilen Erzeugungsanlagen ins Netz drängt.

Es geht hier um viel. Satte 43 Millionen Messstellen und einheitliche Kosten für deren Ablesung und Abrechnung stehen auf dem Spiel. Was längst durch das Energiegesetz neu geregelt ist, nämlich dass der Netzbetreiber im Zweifelsfall an der Grundstücksgrenze gestoppt werden kann, will der BDEW jetzt wieder zurückdrehen. Mit Blick auf Mieterstromprojekte wäre es ein Desaster, wenn sich der Planer noch mit teilweise recht unbeweglichen Netzbetreiber herumärgern muss, wie das Zählerkonzept im Gebäude aufgebaut werden soll. Zumal das Lastverschiebungspotenzial in privaten Haushalten nur sehr begrenzt ist und auch keine riesigen Auswirkungen auf die Netzstabilität hat, wenn eine Waschmaschine anspringt. Das merkt der Betriebsführer in der Leitzentrale des Netzbetreibers überhaupt nicht.

Technische Grundlagen gelegt

Anders sieht es da schon aus, wenn zu viele Elektroautos gleichzeitig an der Ladesäule hängen. Doch wenn es erst einmal so weit sein wird, debattiert niemand mehr über intelligente Zähler. Die werden dann Standard sein. Die Frage ist nur, wie diese Standards aussehen werden. Dafür legt das Digitalisierungsgesetz jetzt die Grundlagen. Auf dieser Ebene sieht der Bundesverbrand Erneuerbare Energie das Gesetz in seiner jetzt vorliegenden Form eher ein Hindernis als eine Unterstützung für den Ausbau der Ökostromerzeugung. Denn immerhin gibt es jetzt schon genügend Anforderungen an Betreiber von Erzeugungsanlagen zur Datenkommunikation, die durch das neue Gesetz in seiner vorliegenden Form obsolet werden. Der Anlagenbetreiber müsste dann noch einmal nachrüsten, ohne dass es irgendeine Verbesserung zum jetzigen Stand der Technik gibt. Hier muss die Bundesregierung nachbessern und darf die jetzigen Kommunikationsmöglichkeiten nicht durch das neue Gesetz in Frage stellen. (Sven Ullrich)