Die Insolvenzwelle in der Solarindustrie fordert nun auch von der ersten Kommune die lange befürchteten Konsequenzen. Einst als Solarstadt gepriesen muss nun Frankfurt an der Oder einen Sparhaushalt verabschieden, nachdem die Stadt in eine Haushaltskrise geschlittert ist. Als Grund nennt man im Rathaus die Schließung der Fertigungsstellen von First Solar. Der amerikanische Dünnschichtproduzent beschäftigte in der Oderstadt immerhin 1.200 Arbeitnehmer und war einer der größten Gewerbesteuerzahler in der Stadt. Mit der Schließung der Fabrik gehen Frankfurt jetzt 28,5 Millionen Euro jährlich verloren. Außerdem fordert First Solar die bereits im Voraus gezahlten fünf Millionen Euro Gewerbesteuer zurück. Inzwischen haben sich die Parteien in der Stadtverordnetenversammlung auf einen detaillierten Fahrplan zur Bewältigung der Haushaltskrise verständigt. „Wir streben einen genehmigungsfähigen Haushalt 2012 an, um die Handlungsfähigkeit der Stadt zu gewährleisten“, erklärt der parteilose Oberbürgermeister Martin Wilke. Die konkrete Einsparliste will die Stadt am kommenden Freitag veröffentlichen. Am 5. Juni beschäftigen sich der Hauptausschuss und der Finanzausschuss in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Haushalt 2012. Der soll bis zum 12. Juni vorliegen. Dies ist Voraussetzung für eine in Aussicht gestellte Soforthilfe in zweistelliger Millionenhöhe vom Land Brandenburg.
Zügige Beratungen angestrebt
Damit kommen neben den Photovoltaikunternehmen erstmals auch Kommunen infolge der Krise in der Solarindustrie ins Strudeln. Um noch weiteren Schaden abzuwenden ist eine schnelle Entscheidung notwendig, damit die Verunsicherung der Investoren endlich ein Ende hat. Das wurde auch nochmals in der Bundesratssitzung betont. „Wir brauchen eine zügige Beratung“, sagte der Thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) im Bundesrat. „Wenn wir heute den Vermittlungsausschuss anrufen, sollte das Ziel sein, bis Juli zu Entscheidungen zu kommen. Denn die Hersteller und die Märkte wollen Klarheit in der Sache; das ist unbestreitbar. Diese Klarheit sollten wir schaffen. Nach allen Diskussionen, die ich miterlebt habe, glaube ich, dass es die große Bereitschaft der Länder gibt, partei- und koalitionsübergreifend diesen Pfad aufzunehmen und zu schnellen Entscheidungen in der Sache zu kommen. Wir brauchen Investitionssicherheit.“
Doch ob diese schnelle Entscheidung nach der Ablehnung der EEG-Novelle durch den Bundesrat und die Anrufung des Vermittlungsausschusses kommt, ist sehr fraglich. Immerhin fordern die Bundesländer erhebliche Nachbesserungen. Die Länderkammer stellt die gesamte Novelle zu Disposition, so dass hier die Hängepartie bis zum Ende weitergeht. Neben der Höhe der Förderungsabsenkung, dem Marktintegrationsmodell, der Neuordnung der Vergütungsklassen, der Absenkung des Zubaukorridors, der Regelung, dass Anlagen eines Betreibers in einem Umkreis von vier Kilometern als eine Anlage gelten, seht vor allem der Zeitpunkt der Einführung zur Debatte. Außerdem fordert der Bundesrat, die Novellierung der Solarstromförderung mit der Einführung einer Förderung für Energiespeicher zu verbinden.
Vermittlungsausschuss berät gesamte EEG-Novelle
Eine solche grundlegende Ablehnung erfahren nicht alle Gesetze im Bundesrat. Schließlich hat der Vermittlungsausschuss nur den Auftrag, die Teile eines Gesetzes zu verhandeln, bei dem der Bundesrat auch Verhandlungsbedarf sieht. Bei einer grundlegenden Ablehnung muss der Vermittlungsausschuss über das gesamte Gesetz debattieren und möglichst eine Einigung herbeiführen. Dafür hat das Vermittlungsgremium zwischen Bundestag und Bundesrat drei Sitzungen Zeit. Sollte es bis dahin zu keiner Einigung kommen, wird der Bundesrat das Gesetz in seiner jetzigen Form erneut abstimmen. Da die Länderkammer am vergangenen Freitag nach Angaben der Deutschen Presseagentur das Gesetz mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt hat, ist ein solches Votum auch zu erwarten, wenn die EEG-Novelle erneut unverändert im Bundesrat zur Abstimmung gelangt. Dann müsste der Bundestag wiederum das Gesetz mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit oder mit einer sogenannten Kanzlermehrheit verabschieden, um das Votum der Länderkammer zu überstimmen.
Rösler bleibt unnachgiebig
Außerdem zeigt sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auch nach dem Abstimmungsdesaster für die Bundesregierung in der Länderkammer kompromisslos. Er wiederholt seine Forderung nach einer drastischen Absenkung der Vergütung für Solarstrom. „Einen Großteil der Subventionen erhält die Solarbranche, die aber nur minimal zur Stromproduktion beiträgt“, sagt er dem Handelsblatt. „Das ist nicht akzeptabel. Es muss deshalb bei der verabredeten Kürzung der Solarförderung bleiben.“ Eine solche kontraproduktive Haltung des Wirtschaftsministers ist kein gutes Zeichen für eine schnelle Einigung bei der Förderung der Photovoltaik in Deutschland. Es könnte im Vermittlungsausschuss lange dauern, bis ein Kompromiss gefunden ist, wenn jetzt nicht die Legislative die Exekutive zur Vernunft bringt.
Immerhin setzt man einige Hoffnungen auf den designierten neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Der bisherige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium gilt als offen für Kritik und für die Perspektive seiner Gesprächspartner. Doch hinterlässt ihm der bisherige Umweltminister Norbert Röttgen einen Scherbenhaufen und ein mehr als fragiles Reformgerüst. (Sven Ullrich)