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Photovoltaikindustrie in der Krise

Wissenschaftler regt Staatsholding an

Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (Saale) Ulrich Blum fordert mit Blick auf die Insolvenz vieler Solarunternehmen in Deutschland die Einführung einer Holdinggesellschaft, um wichtige Techologiefirmen der Branche aufzufangen. „Wirtschaftspolitisch ist die Staatsholding natürlich eine Sünde, doch von denen wurden schon viele begangen, sonst säßen wir nicht in diesem Schlamassel“, sagt Blum gegenüber der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung. „Zuerst muss die Technologie gerettet werden. Vor allem muss die Politik die Patente im Land erhalten. Das heißt, aus der Insolvenzmasse sollten diese herausgekauft werden. Die Patente sind die Voraussetzung, um einen Neustart zu versuchen“, so Blum weiter. Er kritisiert, dass für die politisch Verantwortlichen die Arbeitsmarktdebatte viel wichtiger ist als die langfristige Techologiedebatte. Zwar werde eine solche Holdinggesellschaft eine Milliarde Euro kosten. „Doch dies ist immer noch billiger, als die zig Milliarden, die schon ausgegeben wurden, jetzt abzuschreiben“, so Blum.

Chinesen suchen nach einem Marktzugang

Den Grund für die derzeitige Lage in der Photovoltaikindustrie in Deutschland sieht der Wissenschaftler im „sogenannten Halsabschneiderwettbewerb“. „Fast alle Solarzellen-Hersteller auf der Welt produzieren derzeit mit Verlust“, erklärt Blum. „Das gilt auch für den größten chinesischen Hersteller. Jedes Unternehmen versucht, länger als die andere Firma durchzuhalten. Verschwinden genügend Anbieter vom Markt, brechen wieder gute Zeiten an. Durch billige chinesische Staatskredite haben die dortigen Unternehmen den längeren Atem.“ Deshalb sieht er die ostdeutsche Solarindustrie in der Zukunft unter chinesischer Kontrolle, was an sich erst einmal nicht so schlimm ist. „Doch diese chinesischen Unternehmen sind am Marktzugang und der Technologie interessiert“, fürchtet Blum. „Neue Produktion wird in Deutschland künftig kaum aufgebaut werden. Eine grundlegende Erkenntnis aus vielen Branchen ist, dass man ohne Endfertigung langfristig auch keinen Solarmaschinenbau und keine Forschung haben wird. Es gibt schon Forschungsinstitute, die überlegen, ob sie nach China gehen.“

Politik ist für die derzeitige Lage mitverantwortlich

Heftige Kritik übt er auch am derzeitigen Fördersystem, das die jetzige Situation mit verursacht hat und von der Politik zu verantworten ist. „Mit der derzeitigen Förderung unterstützen wir nur die Installation von Solaranlagen, egal ob sie aus Deutschland oder China stammen“, sagt Blum. „Damit päppeln wir auch die chinesische Solarindustrie. Wir machen eine schlechte Politik. Es werden die Schaufeln bereitgestellt, die die Gräber der ostdeutschen Solarfirmen ausheben. Die Politik hat mit Milliardenhilfen eine neue Industrie aus dem Boden gestampft. Es ist vom Bundeswirtschaftsministerium jetzt sehr billig, die Verantwortung für die schlechte Lage nur auf die Solarfirmen zu schieben. Man hat durch die Förderung die Unternehmensstrukturen erzeugt, die nun den Untergang befördern.“ (Sven Ullrich)