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Zukunft Stromhandel

Strommarktgesetz: Flexibilisierung des Willens

Strommast trägt StromnetzLicht und Schatten birgt der Referentenentwurf des Strommarktgesetzes, findet der Bundesverband Erneuerbare Energien zu Recht. Eigentlich von klugen Grundgedanken getragen lässt der Entwurf vor allem auf inhaltliche Lücken blicken, größer als jene in der Struktur dieses Gittermasten.Foto: Siemens

Die „Stellungnahme zum Referentenentwurf `Strommarktgesetz´ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie“ des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) vom 29. September scheint gemäß erstem Blick auf die Einleitung geradezu positive Überraschung auszustrahlen. Mit den im Lobbyistendeutsch üblichen Vokabeln und Satzbausteinen heißt es da: „Der Bundesverband Erneuerbare Energien begrüßt das Strommarktgesetz, das in einer Vielzahl von Punkten in die richtige Richtung geht und eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung des Strommarktes ist. Aus Sicht des BEE kann das Strommarktgesetz aber nur ein erster Schritt sein.“  Der Teilsatz, es handele sich nur um einen ersten Schritt, darf ungeprüft als Standardformel verstanden werden, um dem Verband ein Fenster für spätere Nachforderungen offenzuhalten. Parolen wie „in einer Vielzahl von Punkten in die richtige Richtung“ und „eine wichtige Grundlage“ zeigen hingegen deutliche Zustimmung. Allerdings erkennt im Folgesatz dann eine regelrechte Ohrfeige, wer über dessen Bedeutung  tiefer nachdenkt: „Es müssen weitere Schritte folgen, die zur Flexibilisierung des Strommarktes beitragen.“

Eine Kritik an mangelnder Ausrichtung des Gesetzentwurfs auf einen flexiblen Elektrizitätsmarkt trifft die Gesetzestüftler bei ihrem Tun nämlich ins Mark. Denn  immer wieder verbreiteten die von Bundeskanzlerin Merkel unter unterschiedlichen Koalitionen geführten Regierungen das Mantra, sie wollten eine hochmoderne, flexible und immer grünere Energieversorgung aufbauen. Dafür aber brauche es marktwirtschaftliche Dynamik statt Auswüchse züchtende staatliche Förderung. Sie soll garantieren, dass die Energiewende kosteneffizient passiere, dass richtige Preissignale die am besten geeigneten technologischen Entwicklungen fördere und dass die verschiedenen Ausbauaufgaben der Energiewende wie moderne Netze, Ausstieg aus konventionellen Kraftwerken sowie Ausbau der Grünstromerzeugung im gut abgestimmten zeitlichen Einklang geschehe. Auch das Bundeswirtschaftsministerium erklärt auf seinem Internetportal heute noch das Faible für Flexibilität: „Kurz- und mittelfristig benötigen wir ausreichend Kraftwerke, um kontinuierlich Strom zu erzeugen und auf Netzschwankungen flexibel reagieren zu können.“

Berlin tut nichts für seine Visionen

Der BEE aber resümiert, dass es im Strommarktgesetz noch Regeln braucht, die erst noch zu einer Flexibilisierung führen. Klar und zugespitzt lässt sich das vor dem Hintergrund der mehrfach verdeutlichten Vision der Bundesregierung auch anders sagen: Berlin hat Visionen und tut rein gar nichts dafür.

Es sei hier gleich gesagt: Die Kritikpunkte des BEE sind richtig.  Und sie sind intelligent ausgewählt statt wie an Lobbyisten-Äußerungen häufig zu kritisieren am Klein-Klein eigener Klientelwünsche orientiert:  Die fehlende Dynamisierung bei EEG-Umlage, Netzentgelten und Bonus der Kraft-Wärme-Kopplung, eine sinnvollere reformierte Regelung bei der Netzengeltbefreiung, Maßnahmen zur Kopplung des Strommarktes mit Wärme- und Verkehrssektor. Außerdem wendet sich der BEE gegen die geplante Verhinderung negativer Strompreise als massiven Eingriff in die Preissignalwirkung des Stromhandels – der ja schließlich dem Dauerbetrieb fossiler Kraftwerke berechtigterweise das Wasser abgräbt. Besonders spannend auch: Der BEE plädiert noch einmal für regionale Strommarktsignale – die durch Abrechnungen und Preisbildungen innerhalb der verschiedenen Netzbilanzkreise entstehen könnten. Schließlich sind die erneuerbaren Energien dezentrale Erzeuger und könnten Vorteile gerade dadurch ausspielen, dass unterschiedliche Kleinwetterlagen für gegenläufige Preisentwicklungen sorgen. Nur aber dort, wo Preisentwicklungen auf und abwärts gehen, das müsste den Marktwirtschafts-Euphorikern in den Ministerien klar sein, lässt sich eine Dynamik entfalten. Und nur dort, wo diese Dynamiken auch den dezentralen Strukturen der Erneuerbaren entsprechen, können sie der Energiewende nutzen. Es wäre das dringend benötigte Stoppschild gegen dauerhaft fallende Spotmarktpreise, die über die EEG-Umlage die erneuerbaren Energien rechnerisch verteuern.

Wollte Politik das Gesetz vereinfachen – oder Debatten meiden?

Die Eckpunkte der Regierung zeigen eine grundsätzliche Schieflage erneut auf: In Grün- und Weißbuch hatte das Wirtschafsministerium vorab sehr fein differenziert viele der klugen Anforderungen bereits erwähnt. Jetzt fehlen diese wieder, so moniert der BEE zu Recht. Eventuell hat die Politik die Diskussion vereinfachen wollen, eventuell wollte sie Klippen für neuen Streit umgehen, oder sie wollte heiße Eisen nicht anfassen – mit dem Scheinargument eines einfacheren, verständlicheren Gesetzes. Doch all dies zeigt nur eines: Das Bundeswirtschaftsministerium und die Merkel-Regierungen wollen bei der Energiewende nur performen – nicht aber gestalten.

(Tilman Weber)

Eine weitere Stellungnahme zum Referentenentwurf des Strommarktgesetzes: DGB will als Interessenvertreter mehr Schutz von Arbeitnehmerinteressen.