Was tut die rot-grüne Regierung für Niedersachsen in punkto Energiewende? Hat sie mit der Task-Force Energiewende vor einem Jahr den Turbo gezündet, wie Umweltminister Christian Meyer selbstbewusst beim Branchentag des Landesverbandes Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen verkündete? Oder handelt es sich eher um ein „gemütliches Lagerfeuer“? So sah es die Mehrheit der 350 Besucher, die in einer Live-Online-Abstimmung ihre Meinung dazu abgeben konnte.
Gute Ausbauzahlen für 2023
Immerhin: Schlecht sind die Zahlen nicht. Bis Ende Oktober dieses Jahres wurden 102 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 489 Megawatt (MW) in Betrieb genommen. Insgesamt gibt es in Niedersachsen damit 6.240 Turbinen an Land mit einer Gesamtleistung von 12 Gigawatt (GW). Laut LEE-Vorsitzender Bärbel Heidebroeck liegen zudem Genehmigungen für 853 MW Windenergie vor.
Auch beim Ausbau der Stromerzeugung aus Sonnenenergie habe Niedersachsen aktuell deutlich zugelegt, lobte Meyer. In diesem Jahr wurde bis Ende Oktober eine Leistung von 1.156 MW installiert, im Vorjahr waren es noch 615 MW. Insgesamt liegt Niedersachsen bei rund 6.771 MW installierter Leistung, davon knapp 6.000 MW auf Dächern und 750 MW auf Freiflächen.
Plenum zieht gemischte Bilanz
Doch die weiteren Redner des Branchentages zogen eine gemischte Bilanz. „Wir erkennen einen durchaus positiven Willen bei der Landesregierung, das Thema Energiewende voranzubringen. Aber das Genehmigungs- und Ausbautempo sind uns noch nicht hoch genug“, sagte Heidebroeck. So sei man sowohl bei Wind als auch bei der Solarenergie weit davon entfernt, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Beim Solarenergieausbau seien erst zehn Prozent des bis 2035 geplanten Ausbaus geleistet, kritisierte Heidebroeck. Beim Wind wolle Niedersachsen auf 1,5 GW pro Jahr kommen, da fehlten noch zwei Drittel.
Auch Christian Meyer räumte ein, man sei noch nicht am Ziel, doch das Tempo werde sich in den kommenden Jahren steigern. Er kündigte unter anderem die Schaffung von 30 Springerstellen an, um personelle Engpässe in den Genehmigungsbehörden zu verringern. Zudem werde die EU-Notfallverordnung weiterhin angewendet. Die Verordnung macht eine doppelte Umweltprüfung in bereits ausgewiesenen Vorranggebieten überflüssig und wurde über die jüngst von der EU beschlossene die RED III-Richtlinie entfristet. Doch die Tücken der Genehmigungspraxis liegen im Detail. Es fehle an Verordnungen und Handreichungen, damit die Mitarbeiter der Behörden auch sicher sein können, welches Recht anzuwenden sei. „Wir stoßen oft auf Rückfragen, ob wir nicht doch lieber nach alten Recht vorgehen wollen“, so Heidebroeck.
Unternehmer wollen niedrige Strompreise und bieten Flexibilität
Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. (UVN) betonte auf der Pressekonferenz des Branchentages, die Industrie ziehe dorthin, wo sie günstige grüne Energie finde. Niedersachsen habe daher eine große Chance. Strom müsse jedoch effizient genutzt werden: „Statt Milliarden Kilowattstunden abzuregeln, sollten wir prüfen, ob die Industrie in Zeiten niedriger Strompreise auch ihre Energie günstiger beziehen kann“, sagte er. Die Bereitschaft und das Potenzial seien vorhaben, Produktionsabläufe anzupassen. Gleichzeitig würden Redispatchkosten gespart.
Kritik am geplanten Beteiligungsgesetz
Auf Unverständnis stieß bei vielen Teilnehmern das neue Beteiligungsgesetz, das im Oktober vom Kabinett beschlossen wurde und demnächst im Landtag diskutiert wird. Es sieht unter anderem eine verpflichtende kommunale Beteiligung von 0,2 Cent/kWh nicht nur für EEG-Anlagen, sondern auch für PV-Freiflächenanlagen außerhalb des EEG vor. Eine solche Zahlung sei ein Hemmnis für den dringend gebrauchten PV-Ausbau, kritisiere Silke Weyberg, Geschäftsführerin des LEE: „Bei der Vermarktung über ein PPA werden den Betreibern diese Kosten nicht von den Netzbetreibern erstattet. Diese Projekte rechnen aber bei der Wirtschaftlichkeit mit der zweiten Nachkommastelle.“ Zudem sei doch von den Erneuerbaren jahrelang eine Öffnung zum Markt gefordert worden. „Dann darf man diese Entwicklung nicht gleich wieder ausbremsen.“ Auch ohne Beteiligung sei die Aushandlung von komplexen PPA-Verträgen eine Herausforderung. Auch Freiflächenanlagen hätten zunehmend mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen, betonte hingegen Marie Kollenrott, Landtagsabgeordnete der Grünen und zeigte sich in diesem Punkt wenig kompromissbereit. (kw)
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