Bis zu seiner letzten Neufassung hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) attraktive Rahmenbedingungen für die Biobranche geschaffen. Die Vergütungen für Strom und Wärme sorgten für einen Wachstumsschub bei den Blockheizkraftwerken (BHKW), in denen Bio-, Klär-, Deponie- und Grubengas genutzt werden. Aufgrund der Marktattraktivität und der relativ geringen Markteintrittsbarrieren sind neue Wettbewerber in den Markt eingetreten.
Dann kam die EEG-Novelle im Jahr 2012. Sie hat sich negativ auf den Absatz für Biogasanlagen ausgewirkt und zu einem verlangsamten Wachstum geführt. Dieser Rückgang lässt sich unter anderem auf die Änderungen in den Vergütungsstrukturen zurückführen. Das neue EEG führte bei einhergehender Erhöhung des Investitionsrisikos zu reduzierten Renditechancen für die Investoren.
Der Biogas-BHKW-Markt Deutschland ist aus Expertensicht in die Marktsättigungsphase eingetreten. Die Absatzchancen für Standardanlagen verschlechtern sich, während die Nachfrage nach Individuallösungen steigt. Diese sind immer dann notwendig, wenn zum Beispiel aufgrund der räumlichen Verhältnisse oder der Lage der Zuleitungen eine Standard-Containerbauweise nicht möglich ist. Diese Entwicklung bietet Vermarktungschancen für Anbieter, die in der Lage sind, Anlagen mit Individualisierungsgrad zu liefern.
Verhaltene Martkperspektiven vor allem im Inland
Der internationale Biogas-BHKW-Markt ist differenziert zu betrachten. In Ländern mit guten Rahmenbedingungen (Förderung, gesamtwirtschaftliche Entwicklung, Finanzierungs- und Substratkosten) expandieren die Märkte. Dies kommt unter anderem auch in dem prognostizierten starken Anstieg des Exportgeschäfts zum Ausdruck. Italien stellt neben Frankreich, Großbritannien, Irland, Polen und Nordamerika aus Expertensicht einen der wichtigsten Wachstumsmärkte dar.
Die Überkapazitäten und der intensive Verdrängungswettbewerb im Biogasbereich haben dazu geführt, dass einige Anbieter versuchen, den Absatzrückgang bei Biogas-BHKW durch Absatzsteigerung bei Erdgas-BHKW zu kompensieren. Durch diese Marktbewegung entwickelt sich auch in diesem Marktsegment zunehmend ein Verdrängungswettbewerb.
Das Ökoinstitut prognostiziert für das Jahr 2013 ein Wachstum des Gesamtmarkts der Biogas- und Erdgas-BHKW von rund sieben Prozent. Dabei soll der Export um etwa 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen und der Inlandsumsatz 2013 wieder Vorjahresniveau erreichen. In den Folgejahren wird der Biogas-BHKW-Absatz im Inland auf dem aktuellen Niveau stagnieren. Dabei wird der Rückgang bei der Nachfrage nach Neuanlagen zum Teil durch Anlagenerweiterungen beziehungsweise Repowering ausgeglichen. Wachstum wird nur in einigen wenigen Exportregionen möglich sein.
Handlsungsstrategien für die Krise
Ein mögliches Zukunftsfeld bietet sich aus Expertensicht Biogas-BHKW-Anbietern, die Anlagen mit der höheren Leistungsklasse von zwei Megawatt und mehr im Lieferprogramm haben, da diese Module für die Bereitstellung von Regelenergie genutzt werden können. Hierzu müssen jedoch geeignete Partner gefunden werden, welche die Direktvermarktung und Steuerung der Regelenergie übernehmen. Dieser Markt befindet sich noch in einer frühen Experimentierphase.
Die Absatzrate im europäischen Markt ist heterogen. Während in Ländern wie Italien, Großbritannien und Frankreich ein stabiles Wachstum zu erwarten ist, ist unter anderem in Tschechien, Griechenland und Ungarn mit Stagnation oder Rückgang der Nachfrage zu rechnen.
Die Erfahrungen aus dem Putz amp;Partner-Beratungsumfeld zeigen, dass sich die Hersteller in vielen Fällen nicht oder nur teilweise auf die veränderten Rahmenbedingungen strategisch neu ausgerichtet haben. Unternehmen, die darüber hinaus wesentliche interne Schwächen haben, wie zum Beispiel eine ungünstige Kostenstruktur, ineffizienten Vertrieb oder ein nicht hinreichend professionelles Projektmanagement, sind 2012/2013 in eine Krise geraten.
In diesen Fällen gestalten sich die primären Handlungsfelder wie folgt:
- Ausrichtung auf die Wachstumsmärkte in Europa und Nordamerika.
- Viele Unternehmen sind strategisch noch auf den deutschen Markt fokussiert. Zur Nutzung internationaler Wachstumschancen in den primären Auslandsmärkten bedarf es einer konsistenten Globalisierungs- und Markterschließungsstrategie.
- Intensivere Entwicklung der sonstigen Auslandsmärkte.
- Sekundäre Auslandsmärkte sind in Abhängigkeit der mittelfristigen Entwicklung der Rahmenbedingungen in ein Marktmonitoring einzubinden. Eine frühzeitige Entwicklung von lokalen Vermarktungspartnern bietet gute Chancen für eine Marktdurchdringung, falls sich die Rahmenbedingungen ändern.
- Verstärkte Ausrichtung auf den Erdgasmarkt.
- Der Markt für fossile BHKW – insbesondere Erdgas – zeigt höhere Wachstumsraten als der biogene BHKW-Markt. Die Portfoliostrategie bedarf einer grundlegenden Überprüfung und gegebenenfalls einer stärkeren Ausrichtung auf das Erdgassegment.
- Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Biogasmarkt.
- Der Wirkungsgrad eines BHKW hat einen hohen Einfluss auf die zu erwartende Rendite. Viele Hersteller nutzen die technischen Möglichkeiten noch nicht im vollen Maße aus.
- Optimierung der Kostenstrukturen.
- Durch die Erweiterung der Produktionskapazitäten sind in vielen Unternehmen Kostenstrukturen entstanden, die in einem Benchmark- und Konsolidierungsansatz auf die zukünftige Marktsituation angepasst werden müssen.
- Professionalisierung der Auftragsabwicklung.
- Schwächen in der Projektsteuerung führen insbesondere zu höheren Materialkosten. Dies wirkt sich negativ auf das Ergebnis aus. Erforderlich ist die Optimierung der übergreifenden Prozessebenen sowie ein stringenteres Projektcontrolling.
- Steigerung der Vertriebseffizienz und -steuerung.
Der Vertrieb ist oftmals reaktiv ausgerichtet. Durch eine Anpassung der Vertriebsstrategie und -führung können zusätzliche Marktchancen genutzt werden. Wenn diese Ansätze konsequent verfolgt werden, haben die BHKW-Anbieter gute Chancen, gestärkt aus der derzeitigen Krise hervorzugehen.
Marco Luerssen
Principal bei der PUTZ amp; PARTNER Unternehmensberatung AG