Die dezentrale Stromversorgung hat sich in den vergangenen Jahren durch immer neue Projekte wie das Modell Mieterstrom, Objektstrom, Quartierstrom oder Lokalstrom gut entwickelt. So hatte Urbana gemeinsam mit der Berliner Gewobag ein großangelegtes Projekt für Mieterstrom initiiert. Dort können die Mieter von 1.423 Wohnungen einer Berliner Siedlung Falkenhagener Feld den Strom direkt aus dem Quartier beziehen. Die nötige Energie für die Pilot-Wohnsiedlung im Stadtteil Spandau liefert ein Blockheizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung, das von Urbana installiert wurde. Perspektivisch sollen weiterer Gebäude in dem Quartier folgen – 2.100 Wohnungen werden dann mit Wärme und Mieterstrom aus dem BHKW versorgt. Neben mehr als 1100 Heizwerke betreibt Urbana deutschlandweit 47 Blockheizkraftwerke, die in Summe etwa 60 gWh-Strom im Jahr erzeugen.
Nun warnt der VfW, die Interessenvertretung für Energiecontracting, in einer Pressemitteilung vor einem Strategiepapier für die demnächst stattfindende Energieklausur des Kabinetts. Darin wird angekündigt, die künftige Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen solle auf „gasbetriebene Anlagen der öffentlichen Versorgung konzentriert“ werden. Was heißt das? Im Kern soll es nur noch dann, wenn man den Strom in die sowieso stark belasteten Stromnetze einspeist und einem Versorgungsunternehmen verkauft, eine Förderung geben. Weitgehend gestrichen werden sollen derweil die Förderungen bei Versorgungsprojekten in Häusern oder Siedlungen, in denen der vor Ort erzeugte Strom als günstiger klimaschonender Mieterstrom verkauft wird oder vom Betreiber des BHKW selbst anstelle von Strom aus dem Netz verbraucht wird.
Unverantwortliches Handeln
Birgit Arnold, Vizepräsidentin des VfW, erklärte, das Papier sei ein Schlag gegen alle Bemühungen, die Effizienz der Wärme- und Stromversorgung durch intelligente Objektversorgungsprojekte zu verbessern. „Mit der Energiewende zu mehr Klimaschutz und weniger Verbrauch hat das nichts zu tun.“ Es sei nicht nachvollziehbar, dass auf diesem Weg alle Initiativen von Energiegenossenschaften, Wohnungsunternehmen, kleinen Gewerbetreibenden und anderen Vorreitern einer umweltfreundlichen und klimaschonenden Energieversorgung behindert und ausgebremst würden. Sie erinnert an das deutsche Ziel, bis 2020 die Energieeffizienz um 20 Prozent zu steigern. „Überall wird geklagt, dass das mit großen Belastungen gerade für gering verdienende Menschen verbunden ist. Dezentrale Strom- und Wärmeversorgungsmodelle sind einer der wenigen Wege, auf denen die Klimaschutzziele ohne Kostensteigerungen oder gar günstiger erreicht werden können.“ Die Regierungskoalition handele unverantwortlich, wenn sie diesen Weg verbaut.
Micro-KWK bleibt unwirtschaftlich
Wesentlicher Fakt aus dem Strategiepapier: Bei den heutigen Strompreisen sind Versorgungsmodelle, die eine Einspeisung von Strom in das Netz vorsehen, unwirtschaftlich. Niemand baut heute ein BHKW, wenn er nur die Vergütung bei Einspeisung ins Netz bekommt. Der Zuschlag für Strom, der ins Netz eingespeist wird, steigt um 2,59 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) bei Anlagen bis 50 Kilowatt (kW) elektrischer Leistung und 1 ct/kWh bei allen größeren Anlagen. Dafür wird bei Anlagen bis 50 kW die Förderungsdauer auf 45.000 Vollbetriebsstunden gedeckelt, also auf rund sieben Jahre. Mithin wird eine Erhöhung des Zuschlages um rund 47 Prozent durch eine Streichung der Förderdauer um mindestens 30 Prozent, bei guten Anlagen mit 7.000 Stunden um rund 40 Prozent „kompensiert“.
Der VfW-Justiziar Martin Hack sagt, für größere Anlagen könne damit in manchen Fällen die Errichtung eines BHKW bei Netzeinspeisung wirtschaftlich gerade eben funktionieren. „Kleinst- und Mikro-KWK bleiben weiter völlig unwirtschaftlich. Die geänderte Förderung würde also nichts für eine weitere Verbreitung solcher energetisch sinnvoller Anlagen bringen.“
Zuschlag für Mietermodell soll sinken
Ein weiterer Aspekt aus dem Strategiepapier: Wird der Strom in einem Gebäude erzeugt und dort und den Nachbargebäuden als Mieterstrom verkauft oder selbst genutzt, können Blockheizkraftwerke wirtschaftlich betrieben werden. Grund dafür ist, dass man hier etwas mehr für den Strom als Vergütung von den Bewohnern und den bisherigen gesetzlichen Zuschlag bekommt. Der Zuschlag bei Verbrauch in der Kundenanlage soll nach den Regierungsplänen bei Anlagen bis 50 kW auf vier Cent sinken und im Übrigen vollständig gestrichen werden. Damit würden sehr viele Mieterstromprojekte unwirtschaftlich, vermutet der VfW. So gehe viel Potenzial für klimafreundliche Kraft-Wärme-Kopplung und günstige Mieterstromversorgung verloren. „Die Regierung nimmt sich mit dieser Behinderung der Dezentralität die Chance, günstige Energie besonders im Mietwohnbereich zur Verfügung zu stellen“, resümiert der VfW. Einmal mehr würden überkommene Abnahmestrukturen geschützt. (Nicole Weinhold)