Baden-Württemberg ist nicht nur nach Bayern der zweitgrößte Solarstromproduzent, sondern im Ländle legt man Wert auf Bürgerbeteiligung. Die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) zeichnete jetzt die Gemeinde Weissach im Tal unweit der Landeshauptstadt Stuttgart mit dem Titel „Energie-Kommune“ des Monats August 2011 aus. Damit würdigt die AEE vorbildliche kommunale Energieprojekte. „Die Energiegenossenschaft Weissacher Tal zeigt beispielhaft, wie Kommunen und Bürger beim Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgreich zusammenarbeiten können“, meint Philipp Vohrer, Geschäftsführer der AEE. „Gerade in kleinen Kommunen ohne Gemeinde- oder Stadtwerk sind Energiegenossenschaften ein geeignetes Instrument, um die Bürger zu beteiligen und die Akzeptanz für Erneuerbare-Energien-Projekte vor Ort zu schaffen.“
In dem Örtchen mit 7.000 Einwohnern gründeten im August 2009 die Kommune, die örtliche Raiffeisenbank und der Genossenschaftsverband Baden-Württemberg die Energiegemeinschaft Weissacher Tal e.G. „Es war uns besonders wichtig, jedem Interessenten aus der Region die Möglichkeit zu geben, bei diesem Projekt mitzuwirken“, erklärt Ian Schölzel, Bürgermeister von Weissach im Tal und ehrenamtlicher Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft. „Deshalb haben wir als Beteiligungsmodell die gleichberechtigte und damit demokratische und weithin akzeptierte Form der Genossenschaft gewählt.“
Anlagen auf kommunalen Dächern
In den letzten drei Jahren haben 239 Einwohner über 14.500 Geschäftsanteile zu je 50 Euro erworben. Die Mitgliederzahl der Energiegemeinschaft steigt weiter. Mit diesem Geld hat die Gemeinschaft vor allem auf Dächern von kommunalen Einrichtungen zehn Photovoltaikanlagen installiert, die insgesamt jährlich etwa 330.000 Kilowattstunden Strom produzieren. Neben dem Klima profitieren vor allem die Mitglieder. Sie bekommen für ihre Anteile ungefähr vier Prozent Rendite pro Jahr.
Mit weniger kommunalem Engagement kommt die Solargenossenschaft „Bürger Energie Bodensee“ aus. Die Genossenschaft hat durchgesetzt, dass ein Teil des Solarparks Buchbühl unweit des Bodensees mit Bürgerbeteiligung errichtet wird. Auf einer Fläche von 1,5 Hektar installiert die Genossenschaft eine Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von 0,5 Megawatt. Die Anlage mit einer Moduloberfläche von 5.000 Quadratmetern betreibt die Genossenschaft wirtschaftlich unabhängig.
Jeder hat eine Stimme
Die Investitionskosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro finanziert die Genossenschaft mit einem Eigenkapitalanteil von 300.000 Euro. Über die restlichen 900.000 Euro nimmt sie einen Kredit auf. Insgesamt können alle Bürger des Landkreises Konstanz 300 Genossenschaftsanteile von je 1.000 Euro zeichnen. Allerdings ist der Erwerb der Anteile auf maximal 50 pro Person beschränkt. Von den fünf Prozent jährlicher Rendite schüttet die Genossenschaft drei bis vier Prozent aus. Den genauen Anteil beschließt die Vollversammlung, auf der jeder Anteilszeichner eine Stimme hat, gleich wie viel Geld er investiert. „Es ist doch eine verlockende Vorstellung, den Strom selber zu erzeugen, den man verbraucht“, meint Markus Toepfer, Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Er hofft, damit die Akzeptanz für erneuerbare Energien deutlich zu erhöhen „Ich vergleiche Solarparks und Windanlagen mit dem Bau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert, da gab es auch viel Kritik“, so Toepfer. (Sven Ullrich)