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Leserwettbewerb: Siegerin besteigt Turbine

Windenergiegeschichte im Panoramakino

Nun bietet sich ihr ein kleines Freiluft-Panoramakino in fast 90 Metern Höhe, ein Rundumblick auf die kleinen Turbinengrüppchen in dieser Region südlich von Hannover, die hier nach und nach entstanden sind: Mitte der 1990er Jahre, zur Jahrtausendwende, im vergangenen Jahrzehnt und im Jahr 2012. Zu sehen sind historische Wegmarken einer Branche, deren wohl bekanntester Vertreter hier im Großraum der Projektentwickler Windwärts ist – und der fast alle diese Windparks verwirklicht hat.

Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 2 | Masterstudierende des Wirtschaftsingenieurwesens mit dem Schwerpunkt Energie und Ressourcenmanagement an der TU Berlin: ERNEUERBARE-ENERGIEN-Leserin Philine Wedell und Elie Limbacher. - © Foto: Friedrich Wilke-Rampenthal / Windwärts
Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 2 | Masterstudierende des Wirtschaftsingenieurwesens mit dem Schwerpunkt Energie und Ressourcenmanagement an der TU Berlin: ERNEUERBARE-ENERGIEN-Leserin Philine Wedell und Elie Limbacher.

Philine Wedell hatte die Turbinenbesteigung bei der Leserabstimmung über das Cover des Jahres 2013 von ERNEUERBARE ENERGIEN gewonnen. Als Partner des Fachmagazins hatte Windwärts ihr nun die Tür zu einer ebenfalls historischen Windenergieanlage geöffnet, die außer dem Frauen- auch den offiziellen Projektnamen „Kunst und Windenergie zur Weltausstellung“ trägt. Von den Anwohnern wird sie hingegen als „Hasendisco“ bezeichnet. Die Turbine vom Typ Enron Wind 1.5s ist nämlich eines von drei Windrädern, die Windwärts im Jahr 2000 zur Weltausstellung in Hannover als Kunstobjekte installierte. Sie trägt in diesem Kunstprojekt den Teilnamen Smartie-Turbine. Finanziert durch eine Privatanlegerbeteiligung von knapp 400 Kommanditisten stellte der Projektierer damals an drei wichtigen Einfahrtstoren zur Klimaschutzregion Hannover diese von Künstlern verfeinerten Windturbinen auf. Smartie-Turbine einerseits und Hasendisco andererseits heißt die eine Anlage am Südrand Hannovers aber, weil sie in einer Landschaft aus Getreidefeldern und Wiesen je nach Windaufkommen eine ganz besondere Discobeleuchtung aufleuchten lässt. Vom Fuß bis zur Gondel der Anlage bedecken den Turm in alle Himmelsrichtungen weisende farbige und kreisförmige Leuchten. Ein Sensorensystem sorgt dafür, dass sie umso heller strahlen, je mehr Wind weht. Außer den Berufspendlern beispielsweise auf der nahegelegenen Autobahn A7 oder der ICE-Eisenbahnlinie Göttingen-Hannover sehen dieses Schauspiel vor allem auch die Hasen in den Feldern.

Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 4 | Besichtigung des Triebstrangs auf 85 Meter Nabenhöhe einer Enron 1.5s: Leserwettbewerbs-Siegerin Philine Wedell, Windwärts-Betriebsführer Friedrich Wilke-Rampenthal, Elie Limbacher (von links). - © Foto: Tilman Weber
Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 4 | Besichtigung des Triebstrangs auf 85 Meter Nabenhöhe einer Enron 1.5s: Leserwettbewerbs-Siegerin Philine Wedell, Windwärts-Betriebsführer Friedrich Wilke-Rampenthal, Elie Limbacher (von links).

Das Errichtungsjahr 2000 war auch das Jahr, in dem das Einspeisegesetz Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gerade erst in Kraft getreten war – und der Boom der heutigen Windkraft erstmals richtig und konstant Fahrt aufnahm. Martina heißt die Anlage zu allem Überfluss außerdem, so weiß Windwärts-Betriebsführer Wilke-Rampenthal, weil der Grundstücksinhaber entsprechend einem Brauch bei Windwärts der Turbine ihren Namen gegeben hat. Was er sich dabei dachte, weiß Wilke-Rampenthal nicht. Er arbeitet übrigens seit 2001 bei Windwärts.

Aufstieg per Leiter: Erkenntnisse über lauen Sommerwind-Strom

Im Innern der nur über eine 80 Meter hohe Leiter zu erklimmenden Turbine zeigen Monitore der Anlagensteuerung die dieses Mal nur mäßigen Bedingungen an, unter der die Anlage manchmal arbeiten muss: Zwischen fünf und sechs Meter pro Sekunde schwankt die Windgeschwindigkeit an diesem sommerlich heißen Nachmittag fast permanent. Das reicht auch aufgrund der hohen Lufttemperatur nur für eine Leistung von rund 100 Kilowatt (kW), was nicht einmal sieben Prozent der Nennleistung von 1,5 Megawatt (MW) ausmacht. „Es gibt da eine Regel: Bei hohen Lufttemperaturen trägt der Wind weniger Energie mit sich, als bei Kälte im Herbst oder Winter“, sagt Wilke-Rampenthal. Bei einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit ihres Standortes von 7,5 Metern in Nabenhöhe solle die Anlage jährlich drei Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom erzeugen – drei Gigawattstunden (GWh). Allerdings ließ dieses Jahr laut dem Betriebsführer nach einem windigen Start bisher zu wünschen übrig: Speiste die Anlage im Januar noch 391.000 kWh ein, also 0,391 GWh, waren es beispielsweise im Juli nur 0,082 GWh.

Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 5 | Betriebsführer Wilke-Rampenthal genehmigt Leserwettbewerbssiegerin Philine Wedell einen prüfenden Blick auf die Betriebsdaten ... - © Foto: Tilman Weber
Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 5 | Betriebsführer Wilke-Rampenthal genehmigt Leserwettbewerbssiegerin Philine Wedell einen prüfenden Blick auf die Betriebsdaten ...

Wilke-Rampenthal nennt sich den „Hausmeister“ der Turbine und auch der anderen Anlagen. Mit halbjährlichen Kontrollgängen wie heute muss er sich mit darum kümmern, dass der Betrieb genügend Einnahmen abwirft und dass der Turbinenhersteller oder auch der herstellerunabhängige Servicedienstleister dafür die Anlage zufriedenstellend wartet. „Diese Anlage beinhaltet eine noch einfache Technologie“, urteilt der ehemalige Industrie-Elektroniker: „Ein Schiffsgetriebe und ein Standard-Industriegenerator.“ Die preisgünstige aber verlässliche Technologie lässt dann oben in der Gondel lustige Assoziationen zu: Der Kühler für den Generator, ein Luft-Wärme-Tauscher, sitzt huckepack auf dem Generator. Weil das Ding obenauf nicht viel kleiner und ähnlich kastenförmig aussieht, wie die Hauptelektrokomponente darunter, mag es manchen an ein kopulierendes Tierpärchen erinnern, andere an einen siamesischen Zwilling.

Betriebsführung erhöht Erträge – auch durch neuen Servicevertrag

Wilke-Rampenthal prüft hier oben die Ölstände, auch ob die Zahnritzel gleichmäßig geschmiert sind. Er überblickt, ob am Azimutgetriebe, dem Drehkranz unterhalb des darauf aufgebrachten Triebstrangträgers, die Antriebsritzel richtig sitzen. Checkt auch noch, wie die Versorgungskabel am Triebstrang aussehen, ob unter dem Generator „alles fest ist“. Vor gut einem Jahr hatte die Windenergieanlagenfirma GE in dieser wie allen 1,5-MW-Enronanlagen von Windwärts neue Umrichter eingebaut. Die früheren waren häufiger ausgefallen und hatten für teure Anlagenstillstände gesorgt. Doch vor gut einem Jahr hatte Windwärts sämtliche 1,5-MW-Anlagen aus der Fertigung der GE-Vorgängerfirma Enron in die Vollwartung von GE überführt. Dazu gehörte dann auch das Umrichter-Austauschprogramm.

Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 6 | Windwärts-Betriebsführer Friedrich Wilke-Rampenthal überprüft ob im Azimut alles rund läuft. - © Foto: Tilman Weber
Leserpreis Turbinenbesteitung Smarties-Anlage 6 | Windwärts-Betriebsführer Friedrich Wilke-Rampenthal überprüft ob im Azimut alles rund läuft.

Die Studentin des Wirtschaftsingenieurwesens mit dem Schwerpunkt Energie und Ressourcenmanagement an der TU Berlin urteilt nach dem Abstieg: „Ein ganz besonderes Ereignis!“ Nur einmal war sie schon zuvor auf einer Windenergieanlage. Philine Wedell, die seit Jahren auch in der Berliner Verwaltung des Bundesverbands Windenergie in Teilzeit arbeitet, hatte kurz nach der Installation die erste und bisher einzige Windenergieanlage in der Hauptstadt besichtigt. Allerdings blieb ihr damals der vermeintlich waghalsigere Ausstieg aus der Gondel nach draußen aufs Dach erspart – oder verwehrt. Die Enercon-Anlage E82 war 2008 im nördlichen Stadtbezirk Pankow errichtet worden. „Wir gaben gar keine schlechte Figur auf der Anlage ab“, sagt sie nun beim Betrachten der digitalen Fotos nach der Rückkehr auf den sicheren Boden im Süden Hannovers. „Man sieht uns die anfängliche Angst da nicht mehr an.“

Tilman Weber

Das Windparkentwicklungsunternehmen Windwärts ist außerdem Betriebsführungsdienstleister für Windparks in Deutschland mit einem Leistungsvolumen von über 220 MW. Insgesamt 292 MW brachte Windwärts seit der Gründung 1994 in Deutschland ans Netz. Weitere Windwärts-Windparks befinden sich im europäischen Ausland in Entwicklung, so in Frankreich. Im Frühjahr musste Windwärts die Insolvenz beantragen. Die Interimsgeschäftsführung im Insolvenzverfahren sucht nach Käufern des Unternehmens, das noch gut 90 Mitarbeiter beschäftigt. Mehrere 100 MW mehr oder weniger entwickelte Projekte stecken in der Pipeline und stellen den Wert des Unternehmens dar. 2013 hatte Windwärts aufgrund Verzögerungen durch Konflikte mit Naturschützern oder Radarbetreibern kein Projekt neu errichten können und war 2014 in die Illiquidität gerutscht. Allerdings hatte dazu laut Windwärts eine anfangs noch von den Banken unterstützte, aber heute als falsch erwiesene Betrachtungsweise beigetragen, wonach Ansprüche von Genussrechtsinhabern unter den Kommanditisten nur nachrangig in die Zahlungsfähigkeitsberechnung hätten einfließen müssen. Bis Ende dieser Woche wollte Windwärts den künftigen Investor präsentieren.