Fürchten sich die Behörden in Baden-Württemberg vor Konflikten und ignorieren in den Planungen windhöffige Flächen? Diesen Vorwurf hat jetzt der Bundesverband Windenergie erhoben. „Mit großer Sorge verfolgen wir die Entwicklungen bei der Diskussion um die Ausweisung von geeigneten Windenergiestandorten innerhalb der Regionalplanungsverbände. Wir stellen eine zunehmende Neigung fest, sich nicht mit den wirklich windhöffigen Potenzialflächen auseinanderzusetzen und diese aktiv in den Planwerken zu berücksichtigen“, warnt Julia Wolf, Vorsitzende des BWE Landesverbandes Baden-Württemberg. Hintergrund seien „scheinbare Zielkonflikte mit Auerhuhn, Flora-Fauna-Habicht-Flächen und Denkmalschutz, um diese Flächen als Ausschlussbereiche zu definieren“.
Bislang liegt Baden-Württemberg beim Ausbau der Windenergie zurück
Baden-Württemberg hat das Ziel, 1,8 Prozent seiner Landesfläche für die Windenergie auszuweisen. Erst kürzlich betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, bei der Windenergie sei zumindest bei Errichtung und Genehmigung eine Trendwende erreicht, insgesamt seien 400 Windenergieanlagen „in der Pipeline“. 100 Anlagen davon seien bereits genehmigt, 173 Anlagen befänden sich noch in Genehmigungsverfahren und 178 Windturbinen seien in einem „Stadium der Projektvorstellung“. Bislang findet sich Deutschlands zweitgrößtes Bundesland bei Statistiken zur Nutzung der Windenergie allerdings zuverlässig auf den hinteren Plätzen.
Konflikte bei „Auerhuhnerwartungsgebieten“ und Kulturdenkmälern
Der BWE im Land befürchtet offenbar, dass sich daran nichts Grundsätzliches ändert. So habe Regionalverband Südlicher Oberrhein mit seinem Kriterienkatalog für den Regionalplan zahlreiche windhöffige Standorte nicht zur Nutzung der Windenergie ausgewiesen, um eventuellen Konflikten schon im Vorfeld auszuweichen. Sogenannte „Auerhuhnerwartungsgebiete“ würden nicht berücksichtigt, obwohl das Auerhuhn nachweislich nicht windkraftsensibel sei.
Auch beim Denkmalschutz sieht der BWE Probleme. Zwar habe das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen (MLW) die bedeutendsten Kulturdenkmäler definiert. „Allerdings fehlt bis heute ein schlüssiges, nachvollziehbares und objektiv überprüfbares Konzept, wie nun mit diesen Denkmälern im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen umgegangen werden soll“, kritisiert Wolf. „Ohne Vorlage eines objektiven und für alle nachvollziehbaren Konzeptes bleibt somit eine Entscheidung pro oder contra Genehmigungsfähigkeit weiterhin in den teilweise nicht nachvollziehbaren Händen des Landesdenkmalamtes.“
Staatskanzlei weist die Kritik zurück
Die baden-württembergische Staatskanzlei weist diese Kritik allerdings zurück. Für über 99 Prozent der rund 90.000 Kulturdenkmale werde eine Prüfung künftig entfallen, betont Sprecherin Caroline Blarr. Die Kriterien seien jetzt so eng gefasst, dass nur noch bei rund 100, also etwa 0,1 Prozent überhaupt, Einzelfallprüfungen durchgeführt werden müssten.
Zudem werde Baden-Württemberg das Ziel, 1,8 Prozent seiner Fäche für die Windenergie auszuweisen, bis 2025 umsetzen und nicht die vom Bund eröffnete Möglichkeit nutzen, die Ausweisung bis 2032 abzuschließen. Dafür habe das Land rund 6.900 Hektar Staatswald für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung gestellt. Das ermögliche rechnerisch den Bau von circa 230 bis 340 Windenergieanlagen, so Blarr. Mit der Planungsgrundlage Auerhuhn werde zudem für über 15.000 Hektar windstarke Bereiche eine deutliche Erleichterung geschaffen, da auf diesen Flächen mit einer zügigen Genehmigung gerechnet ewrden könne.
„Bereits beplante Flächen dringend aufnehmen“
Dem BWE reicht das indessen nicht. Es müsse klar sein, dass in Baden-Württemberg perspektivisch mehr als 1,8 Prozent der Fläche ausgewiesen werden müssen, wenn eine Stromversorgung aus Erneuerbaren geschaffen werden solle, sagt die Vorsitzende Julia Wolf. Sie fordert, bereits von Kommunen und Projektierern beplante Flächen ausnahmslos und dringend in die Regionalpläne aufzunehmen. In der Regel stießen diese Projekte auf hohe Akzeptanz, hätten eine große Realisierungswahrscheinlichkeit und können vergleichsweiße zeitnah umgesetzt werden. (kw)
Zum Weiterlesen:
Niedersachsen schwenkt schnell auf den Windstrompfad
2023 noch keine einzige Genehmigung für neue Windturbine in Bayern
Bundesländer-Vergleich: Saarländer verbrauchen 27 Prozent mehr Strom als Sachsen