Die Schweiz hat zwar viel Potenzial für den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft. Doch bisher ist sie noch nicht sehr weit vorangekommen. Im Ranking der mitteleuropäischen Länder liegt sie auf dem letzten Platz, was die Stromerzeugung aus Wind und Sonne betrifft. Das hat die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) ausgerechnet.
Zwar fließen schon 155 Kilowattstunden Solarstrom pro Einwohner durch die eidgenössischen Netze, aber am Windstrom mangelt es noch. Über 13 Kilowattstunden pro Einwohner sind die Betreiber von Windkraftanlagen im vergangenen Jahr nicht hinaus gekommen. Da ist selbst Tschechien, dessen Regierungen sich seit Jahren als Ökostrommuffel präsentieren, weiter gekommen. Immerhin speisen die Solarstrom- und Windkraftanlagen in Böhmen und Mähren jedes Jahr 272 Kilowattstunden pro Einwohner in das Netz ein – und das bei viel geringerer Sonneneinstrahlung. Selbst Österreich, wo die Voraussetzungen was die Bevölkerung angeht, ähnlich sind wie in der Schweiz, speist mit 715 Kilowattstunden pro Einwohner fast fünf mal so viel ein, wie die schweizerischen Betreiber von Ökostromanlagen. Allerdings liegt in Österreich der Windstromanteil viel höher und der Solarstromanteil um einiges niedriger als beim Nachbarn im Westen.
Tempo der Energiewende festlegen
Die SES führt das vor allem auf die Widerstände in der Politik zurück. So streiten sich die Kammern des eidgenössischen Parlaments schon seit zwei Jahren um die Richtung, die die schweizerische Energieversorgung einschlagen soll. Längst liegt die Energiestrategie 2050 der Bundesregierung auf dem Tisch. Sie soll den Ausbaupfad der erneuerbaren Energien, die Hebung der Potenziale zur Energieeinsparung und das Tempo der Energiewende bis zum Jahr 2050 festlegen. Während der Nationalrat als Vertretung des schweizerischen Volkes das Papier schon angenommen hat, stellt sich der Ständerat – die Kammer im Parlament, die die Interessen der Kantone vertritt – bisher quer.
Ambitionierter Zubaukorridor fehlt
Der Ständerat will sowohl die Ökostromproduktion bremsen als auch die Förderung einstampfen. So soll bis 2050 der Ausbau der Ökostromproduktion so weit vorangetrieben werden, dass die Anlagen gerade mal 11.400 Gigawattstunden pro Jahr ins Netz einspeisen. Bundes- und Nationalrat haben sich auf immerhin 14.500 Gigawattstunden pro Jahr verständigt. Doch selbst das wird nicht ausreichen, um den bisher produzierten Atomstrom zu ersetzen, wie es die Energiestrategie vorsieht – selbst wenn die Effizienzmaßnahmen umgesetzt werden, die in der Energiestrategie 2050 verankert werden sollen. Einen großen Teil dieser Effizienzmaßnahmen lehnt der Ständerat wiederum ebenfalls ab, so dass es darauf hinausläuft, dass der Atomausstieg entweder nicht vollzogen werden kann oder fossile Kraftwerke im Ausland einen großen Teil der Stromversorgung der Schweizer übernehmen müssen.
Kaum noch Chancen für Einspeisevergütung
Ein zweiter Streitpunkt ist die Förderung des Baus von Ökostromanlagen. Bisher wird vor allem der Bau von Solaranlagen über eine sogenannte Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gefördert. Um diese zu finanzieren, bezahlt jeder Verbraucher in der Schweiz derzeit 1,3 Rappen pro Kilowattstunde in einen Fördertopf ein. Die Betreiber von Ökostromanlagen können sich auf eine Warteliste für die KEV eintragen, gleichgültig ob der Generator schon Strom liefert oder nicht. Für die Photovoltaikbranche ist das ein Vabanquespiel. Denn ist der Generator schon am Netz, bekommt er zwar die Einspeisevergütung in der Höhe, die zum Zeitpunkt des Netzanschlusses galt. Doch verkürzt sich die Dauer der Förderung um die Zeit, bis es die Anlage auf der Warteliste so weit nach vorn geschafft hat, dass sie überhaupt eine Einspeisevergütung bekommt. Will heißen: Wartet der Anlagenbetreiber fünf Jahre auf die KEV, bekommt er sie nur noch 15 und nicht mehr 20 Jahre.
Die andere Variante ist, dass der Photovoltaikinteressent die potenzielle Anlage schon mal auf die Warteliste einträgt, aber noch nicht errichtet. Dann wartet er so lange, bis er einen positiven Bescheid für die KEV bekommt und baut die Anlage. Dann bekommt er aber die Einspeisevergütung nur noch in der Höhe, wie sie zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage galt und nicht zum Zeitpunkt der Eintragung in die Warteliste. Da die KEV jährlich weiter zurückgefahren wird, ist es die Frage, ob sich die Anlage dann wirtschaftlich noch rechnet.
Einmalvergütung für Eigenverbrauchsanlagen
Inzwischen hat die Regierung in Bern darauf reagiert und eine Einmalvergütung für Anlagen mit einer Leistung von bis zu 30 Kilowatt eingeführt. Der Betreiber eines solchen Generators kann einen Zuschuss in Höhe von 30 Prozent der Investitionskosten bekommen. Dies rechnet sich vor allem für Eigenverbrauchsanlagen sehr schnell im Vergleich zur KEV, die inzwischen sehr niedrig ist und wo die Chancen, überhaupt noch eine Einspeisevergütung zu bekommen, sehr gering sind. Denn dieses System hat dazu geführt, dass derzeit mehr als 37.000 Anlagen auf ihre Einspeisevergütung warten. Davon sind 36.000 Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als zwei Gigawatt. Daran wird auch die schon beschlossene Anhebung des Netzzuschlags auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde nichts ändern. Der Fördertopf wird auf diese Art und Weise niemals so voll werden, dass alle Anlagen, die auf der Warteliste stehen, auch realisiert werden. Wäre das der Fall – so haben es die Experten von der SES ausgerechnet, würde die Schweiz immerhin von Rang 25 auf Platz 12 der europäischen Rangliste der Ökostromländer katapultiert werden.
Förderung soll eingestellt werden
Dazu kommt noch, dass der Ständerat in der Energiestrategie 2050 verankern will, dass jegliche Förderung spätestens sechs Jahre nach deren Inkrafttreten auslaufen soll. Das würde zwar bedeuten, dass alle Photovoltaikanlagen bis dahin ohne Förderung wirtschaftlich sein müssten und die Energieversorger auskömmliche Tarife für den Solarstrom anbieten müssten. Denn dies ist in den meisten Kantonen der Schweiz bisher nicht der Fall. Dazu kommen noch irrwitzige Messkonzepte, die die Energieversorger verlangen, wenn die Analgenbetreiber nur einen Teil ihres Solarstroms ins Netz einspeisen und den anderen Teil selbst verbrauchen.
Energiestrategie endlich verabschieden
Doch immerhin würde dies der Branche einen sicheren Rahmen geben, der derzeit überhaupt nicht existiert. Niemand weiß genau, wann die Energiestrategie 2050 in Kraft tritt. Niemand weiß, wie die konkreten Bedingungen dann aussehen werden. Setzt sich der Ständerat durch oder der Nationalrat und die Bundesregierung oder gibt es einen Kompromiss? Diese Frage kann bisher niemand sicher beantworten. Aufgrund dieser Unsicherheit geht der eidgenössische Branchenverband davon aus, dass der bisher sehr stabile Markt in den kommenden Jahren schrumpfen wird. Er zieht erst wieder an, wenn die Energiestrategie 2050 endlich in Kraft ist. Die SES fordert das Parlament in Bern deshalb auf, die Energiestrategie endlich zu verabschieden, damit der Ausbau der Ökostromversorgung in der Schweiz endlich schneller voran kommt. (Sven Ullrich)