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Branche setzt weiter auf Binnenland

Die kurz vor Start der Branchenmesse Windenergy aufgebrandete politische Debatte um die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bringe Verunsicherung in die Branche, erklärte der Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE) Hermann Albers vor Journalisten. Vor allem Geldgeber und Banken könnten mit den Angriffen aus Regierungskreisen auf das deutsche Einspeisevergütungsgesetz EEG veranlasst werden, Finanzierungszusagen für neue Windparks zurückzuhalten. Allerdings lobte der Branchenvertreter auch in Anspielung auf eine Messe-Eröffnungsrede von Bundesumweltminister Peter Altmaier: Der Minister habe auf der Husum Windenergy „Klarheit geschaffen“, dass die Bundesregierung „in die Weiterentwicklung des EEG einsteigen will“.

Altmaier beruhigt mit Verfahrensvorschlag

Altmaier hatte zuvor erklärt, er wolle mit Bedacht und einer Debatte aller Beteiligten das EEG mit der notwendigen Sorgfalt weiterentwickeln. Die Windenergie in Deutschland müsse künftig ein „organisches“ und „nachhaltiges“ Wachstum erleben. Dabei müssten Politik und Branche künftig „stärker auf systemische Lösungen setzen“: Der Ausbau der Strom-Netze und -Speicher und der Ausbau der Windenergie müssten demnach künftig ebenso in Einklang kommen.wie die Ausbauziele der Bundesländer miteinander und mit denen des Bundes. Summiert sehen die Länderziele derzeit 60 Prozent mehr Windenergie bis 2020 vor als das Mindestziel der Bundesregierung. Altmaier kündigte einen Verfahrensvorschlag binnen der nächsten Wochen an, nach welchem eine derart abgestimmte Reform des EEG entwickelt werden soll. Die Reform finde möglicherweise erst nach der Bundestagswahl 2013 statt.

Tatsächlich war die Stimmung auf der fünftägigen Messe zweigeteilt: Aussteller äußerten in Hintergrundgesprächen Sorge um die Bereitschaft der Geldgeber zu weiteren Investitionszusagen für die gewöhnlich zwei Jahre in Anspruch nehmenden Planungen neuer Windturbinenfelder. Mehrere Mitglieder der Regierungsfraktionen FDP und CDU sowie auf Ministerebene sogar Umweltminister Altmaier selbst hatten in den Tagen vor der Messe geäußert, der Windenergiezubau müsse gebremst werden. Der Zubau von Windenergieanlagen lag zuletzt mit zwei Gigawatt im Jahr 2011 und einem GW im ersten Halbjahr 2012 leicht über dem Durchschnitt der vorvergangenen drei Jahre.

Ausbau im Binnenland weiter Treiber

Andererseitzs setzten die Windenergieanlagenhersteller mit der Präsentation vieler neuer Windturbinentypen der aktuellen 2,0- bis 3,5-Megawatt-Klasse auf die in Deutschland seit dem Atomkraftwerksunfall im japanischen Fukushima herrschende Aufbruchsstimmung. Seit der Ankündigung einer Energiewende durch die Bundesregierung sowie nach mehreren Regierungswechseln in mehreren süddeutschen Ländern und in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr lassen Politiker und Behörden zunehmend Standorte für Windenergieanlagen auch im windärmeren Mittel- und Süddeutschland zu.

So präsentierten die Anlagenhersteller Turbinen mit um bis zu 20 Meter größeren Rotoren verglichen mit den zum Teil erst vor zwei Jahren in einem ersten Phase vergrößerten Vorgänger-Binnenlandrotoren. Enercon, Deutschlands Marktführer und Hersteller getriebeloser Anlagen, will künftig mit einem 115 Meter großen Rotor an einer 2,5-Megawatt-Anlage mehr Wind einfangen und damit noch mehr verlässlich Strom erzeugen, als mit der erst vor gut einem Jahr präsentierten E-101 mit 101-Meter-Rotor. Repower, Kennersys, Fuhrländer, Gamesa und Eno präsentierten auf der Husum Windenergy ihre kommenden Modelle mit 122, 120 und 114 Meter großen Flügelspannweiten bei 3,0, 2,3, 2,0 und 3,5 Megawatt Leistung (MW).

Unterscheidungsmerkmal Volllaststunden

Der wichtigste Parameter beim Leistungsvergleich dieser Binnenlandanlagen heißt Leistungsdichte: Sie soll möglichst geringe Werte erreichen - handelt es sich hierbei doch um die auf die pro Quadratmeter vom Rotor überstrichener Windfläche einzufangende Leistung. Bei möglichst wenig Watt pro Quadratmeter muss der Rotor weniger Wind pro überstrichener Fläche einfangen, um auf seine Volllast zu kommen. Und die Volllaststundenzahl gilt in Zeiten lauter werdender Forderungen nach verlässlicher Netzeinspeisung sowie günstiger erzeugten Kilowattstunden als eine zentrale Maßgabe für Windparkbetreiber.

So liegen die Leistungdichten der auf der Husumer Messe zum Teil bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr vorgestellten Anlagen bei 196 (Gamesa, 2,0 MW) oder 203 (Kenersys, 2,3 MW) bis 240 (Enercon, 2,5 MW) oder 265 (Fuhrländer, 3,0 MW) Watt pro Quadratmeter. Eno landet in diesem Koordinatensystem mit der 3,5-MW-Anlage freilich außerhalb der Konkurrenz beim Leistungsdichtewert 343. Zum Vergleich: Die bisherigen Turbinenmodelle derselben Hersteller und aktuelle Anlagen anderer Windenergieanlagenbauer haben in der Zwei- bis Drei-MW-Klasse derzeit noch Leistungsdichten von 223 (Nordex' N117, 2,4 MW) bis 305 (Vestas' V112, 3,0 MW) oder 318 Watt pro Quadratmeter (Kenersys, Fuhrländer, beide 2,5 MW).

Vestas will hier sogar einen 126-Meter-Rotor an der Drei-MW-Turbinenplattform andocken, deren Markteinführung der dänische Weltmarktführer vor zwei Jahren mit V112 begonnen hatte. Die V126 mit 126-Meter-Rotor und 3,0 MW Leistung wird mit einer Leistungsdichte von dann 241 Watt pro Quadratmeter nach der Markteinführung bis 2014 den niedrigsten Wert der Drei-MW-Anlagen haben. Vestas setze als "klare Antwort auf die Krise" nun auf eine Produktoffensive, sagte der Geschäftsführer von Vestas' Mitteleuropaabteilung Central Europe, Wolfgang Schmidt. Das Unternehmen werde in seinen verschiedenen Märkten "schneller werden mit Einführungen" neuer Anlagentypen, erklärte der Abteilungschef des Unternehmens, das seit Jahresanfang trotz Verkaufsrekorden auch mit Entlassungen und Verlusten auf sich aufmerksam macht. Als Ursache gelten fallende Turbinenpreise und zu teure Strukturen beim Weltmarktführer. In den nächsten Wochen schon, werde Vestas weitere Neuheiten vorstellen.

Das Argument dafür, neue Rotorgrößen in noch schnellerem Tempo als bisher entwickeln zu können lautet, dass hierzu in den vergangenen zwei bis drei Jahren Anlagentypen als technologische Plattformen ähnlich dem Automobilbau entwickelt worden seien. An ihnen müsse nur wenig mehr als ein neuer Rotor angeschraubt werden. Vestas betont, es gebe auf der vor zwei Jahren mit V112 im Markt eingeführten 3,0-MW-Plattform Luft für noch längere Rotorblätter. Möglich wird all dies allerdings nur mit noch mehr elektronischer Anlagensteuerung. Ab welchem Verkaufsumfang allerdings die immer neuen und auf einzelne Windregionen und wandelnde Kundenansprüche zielenden Produktserien rentabel bleiben, darauf wollen viele Hersteller keine Antwort nennen.

Logistik Offshore auch in Husum Thema

Als weitere Herausforderung thematisierten die Husum Windenergy die Logistik. So präsentierte Offshore-Windenergieanlagenbauer Areva wie angekündigt die so genannte Einzelblattmontage: Mit speziell entwickelten Werkzeugen schafft es das Bremer Unternehmen nun, die Rotorblätter auf See einzeln in die Naben direkt auf der Gondel zu setzen. Das vermindert das Risiko, dass ein großer Rotor während der Montage aufgrund starker Winde zu viel Angriffsfläche bietet und daher in nur kurzen Wetterfenstern montiert werden kann.

(Tilman Weber)