Die digitale Revolution ist dominierendes Thema beim VKU-Stadtwerkekongress. Und „Ihre“ Wuppertaler Stadtwerke legen hier schon einiges vor, so das mit Blockchain- und Smart-Meter-Technologie als regional erzeugter Ökostrom gekennzeichnete und abgerechnete Produkt Talstrom. Sind so weitreichende Energiewende-Digitalisierungsstrategien schon heute Trend der Stadtwerke – oder bleiben sie vorerst Leuchtturmprojekte?
Andreas Feicht: Es geht um deutlich mehr mehr als um Leuchtturmprojekte. Die Digitalisierung macht auch vor uns nicht halt. Wir ergreifen die Chancen, die uns daraus erwachsen. Selbstverständlich sind Leuchttürme natürlich wichtig dafür, Impulse zu setzen und für Inspiration zu sorgen. Die Frage, wie wir die Digitalisierung der Stadt organisieren und welche Grundlage die Smart City für den künftigen Geschäftserfolg bietet oder bieten muss, ist eine entscheidende.
Wird so eine von den Stadtwerken geführte Smart-City-Versorgung immer notwendigerweise auch der Energiewende dienen?
Andreas Feicht:Schauen Sie: Die größten Hemmnisse der Energiewende sind die noch unbeantworteten Fragen, wie man die fluktuierenden Mengen der Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen mit der zunehmend flexiblen Nachfrage durch die Stromverbraucher klug und effizient zusammenbekommt. Es geht darum, die Nachfrage dynamischer zu gestalten – also reaktionsschneller in Bezug auf das Grünstromangebot - und welche Angebote ein Stadtwerk dafür schaffen kann. Dazu beschäftigt uns: Wie lösen wir die Problematik mit dem bisher unzureichenden Netzausbau zum Abtransport regional überschüssigen Grünstroms an andere Orte, wo er gebraucht wird? Nicht nur für diese beiden Fragestellungen sind die Stadtwerke die entscheidenden Player. Sie können die Dinge grundsätzlich vor Ort und dezentral gut lösen. Die Digitalisierung hilft dabei, auch um etwa zu hohe Transaktionskosten zu vermeiden.
Grundsätzlich dürfen wir die städtische Energiewende nicht mehr nur in einem Sektor denken – ob die Versorgung mit Strom, mit Wärme oder mit Treibstoff im Verkehr, wir müssen sektorübergreifend, systemisch denken und die Dinge entsprechend durchlässig und übergreifend angehen . Wir müssen in Verbundprojekten,denken. Also, welche Rolle kann meine Versorgungssparte in den Sektoren und bei ihrer Vernetzung jeweils spielen? Nicht jedes Stadtwerk hat die gleichen Voraussetzungen. Nicht jedes Stadtwerk besitzt dieselbe Infrastruktur wie etwa eine Müllverbrennungsanlage, die sich zur Strom- und Wärmerzeugung nutzen lässt und mit der sich die Versorgung einer Stadt im Einklang mit der Energiewende optimieren lässt. Zudem: Manche Städte wachsen, andere schrumpfen. Und all diese unterschiedlichen Voraussetzungen sind es, die die Leitplanken dafür vorgeben, inwieweit ein Stadtwerk mit der Digitalisierung die Energiewende vorangehen kann – ob in Eigenregie oder in Kooperationen.
Das Tempo kann genauso wie die Maßnahmen sehr unterschiedlich sein. Die Lösung ist oft einfach individuell, selbst wenn wir uns übertragbare Musterlösungen wünschen. Trotzdem können wir von einander lernen. Welche erneuerbaren Energien ein Stadtwerk beispielsweise nutzen kann, hängt von den regionalen Bedingungen ab: Bei uns in Wuppertal spielt die Windenergie eine geringe Rolle. Dafür wird hier PV immer wichtiger.
Welche Aussage hat es für das derzeitige Selbstverständnis der Stadtwerke, dass gleich nach dem Eröffnungsvortrag zur Digitalisierung mit dem Titel „Stadtwerke als Gestalter“ die Bundeswehr mit einem Vortrag zum Stichwort Datensicherheit auf dem Programm steht? Ist die Verteidigung gegen Gefahren von außen für die Städte erst einmal wichtiger als die Energiewende?
Andreas Feicht: Der Vergleich hinkt. Die Sicherheit und der Schutz vor Angriffen von außen ist eine reale Herausforderung. Es gibt ähnlich wie in anderen Branchen auch jeden Tag irgendwelche Versuche von außen auf die digitalen Strukturen von Stadtwerken und Netzbetreibern zuzugreifen. Dies ist eine Tatsache in der digitalen Welt Teilweise sind diese Versuche mit kriminellen Absichten, teilweise mit aufklärerischen Motiven, wo der Angreifer prüft, ob sich die IT-Systeme vielleicht irgendwann einmal knacken lassen.Das ist Fakt. Versorgungssicherheit ist unser Job. Deshalb gehört es schlichtweg zu unserer Verantwortung, uns damit zu beschäftigen.
Am zweiten Tag des Stadtwerkekongresses folgen erst die reinen Energiewendethemen mit den zwei Fokusthemen: „Finanzierung der Energiewende und Zeitenwende“ sowie „Wie sich Städte mit Digitalisierung, Dekarbonisierung und Dezentralisierung zukunftsfähig aufstellen.“ Welche Bedeutung haben nun ausgerechnet diese beiden Fragen für die Stadtwerke?
Andreas Feicht: Für mich handelt es sich hier um die Dinge, die bei der Energiewende zusammengehören. Wie organisieren wir den Dekarbonisierungspfad – als Stadtwerke-Branche und als jeweiliger Energieversorungssektor? Unsere besondere Stärke hierbei ist es, unsere Strom, Wärme und Mobilität der Zukunft zusammen zu denken und zu bringen. Hier schließt sich unmittelbar die Finanzierungsfrage an. Wir müssen beispielsweise kalkulieren, wie sich die EEG-Umlage mit all ihren Ausnahmetatbeständen entwickelt Natürlich kostet auch die digitale Infrastruktur ihr Geld. Die ist notwendig, um alle Dinge zu finanzieren, die es für eine flexible erneuerbare Energieversorgung der Zukunft braucht. Wir müssen hohe Investitionen für die Datensicherheit leisten, für die Verlegung von Breitband-Glasfasern, um die Datenübertragung zwischen uns und unseren Kunden zu beschleunigen. Es braucht die digitale Infrastruktur, um neue und wirtschaftliche Energieversorgungskonzepte für uns Stadtwerke aufzubauen. Ein einfaches Beispiel: Ohne Digitalisierung hätten wir viel zu hohe Transaktionskosten, um die flexiblere grüne Elektrizität mit den Kunden auch nur abrechnen zu können.
In Wuppertal dient die Digitalisierung eindeutig der Energiewende. Ist diese Zielsetzung aber auch ein politischer Konsens unter den Stadtwerken in Deutschland?
Andreas Feicht: Das wichtigste ist, die Themen systemisch zusammen zu denken und zusammen zu lösen - Strom und Wärme sowie Mobilität. Und auch den Kunden und seine Wünsche im Blick zu behalten. Dabei hilft die Digitalisierung. Sie hilft folglich bei der Energiewende. Das ist meines Erachtens auch Konsens.
Wir haben den Eindruck, dass die Stadtwerke derzeit sich in der Rolle des Abwartens sehen, bis die Bundesregierung endlich einen verlässlichen energiepolitischen Kurs vorgibt. Richtig?
Der Eindruck täuscht. Wir sind nicht in der Rolle des Abwartenden, wenn ich mir alle bereits gestarteten Projekte bei den Stadtwerken ansehe. Das wird dieser Kongress zeigen. Stadtwerke investieren in Quartiers-Energiemanagement oder in die Elektromobilität. Wir entwickeln Modelle und Technologien, stellen Leute ein, die sich darum kümmern. Weniger zufrieden sind wir aktuell mit den verhaltenden politischen Aktivitäten Am Beispiel der Stromverteilnetze: Der Aktionsplan Stromnetze enthält viele richtige Ansätze, und doch vermissen wir etwas Entscheidendes. Nämlich, dass die Rolle der Stromverteilnetze als entscheidender Baustein stärker mit einbezogen wird. Denn wir regeln das vor Ort. Jeder Stromnetzbetreiber sollte für die Steuerung seiner Netzebene verantwortlich sein und so seinen Beitrag zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit leisten
Sie wollen sagen, hier herrscht bei Ihnen Unruhe, da die VKU-Mitgliedsunternehmen mangels politischer Klarheit nicht ganz in das investieren können, was für eine schnelle und ausreichend Digitalisierung notwendig wäre?
Ja. Wenn wir Kabel in der Erde verlegen, wird das finanziell anerkannt. Wenn wir in intelligente Systeme investieren, dagegen nicht. Das muss sich dringend ändern.
Viel war in der Politik in der jüngeren Vergangenheit von einer neuen wichtigeren Rolle der Stadtwerke die Rede. Kristallisiert sich heraus, wie diese aussehen wird?
Andreas Feicht: Zunächst einmal ist es positiv, dass die Stadtwerke im Koalitionsvertrag explizit benannt werden und ihnen eine wichtige Rolle in der Sektorenkopplung zugeschrieben wird. Aber es fehlt in der Politik noch der Konsens. Insbesondere betrifft das die Frage, welche Rolle uns künftig als Verteilnetzbetreiber zugedacht wird. Aktuell sieht es leider in der Europäischen Union so aus, dass uns Brüssel wenig zutraut. Brüssel will mit dem Clean Energy Package, die Rolle der Übertragungsnetzbetreiber bei der Netzregelung von den Höchst- und Hochspannungsleitungen bis hinunter zu den Verteil- und Ortsnetzen stärken. Für uns Stadtwerke und Verteilnetzbetreiber sieht Brüssel nur eine ganz geringe Rolle vorWir sollten nicht darauf warten, was uns in Brüssel und Berlin zugedacht wird. Wir sollten besser jetzt schon in eigenen Projekten zeigen, was wir schaffen können, und dass dezentrale Energieversorgung und -verteilung eine wichtige Rolle für die neue Energiewelt spielen.
Was erhoffen Sie sich konkret von diesem Kongress?
Andreas Feicht: Der Kongress soll Impulse liefern – für Stadtwerke und andere Stakeholder. Dass unser Programm angenommen wird, zeigen die nahezu 500 Teilnehmer. Ein neuer Rekord. Unter dem Motto „Verstehen. Verbinden. Vernetzen.“ soll der Kongress den Austausch fördern, Ideen generieren, die in unseren Branchen Tätigen und Stakeholder überall dazu anregen, an den wichtigen genannten Themen dranzubleiben Und schließlich soll er die Notwendigkeit unserer regionalen Arbeit stärker in den Vordergrund stellen.
Das Gespräch führte Tilman Weber.
Der Stadtwerkekongress 2018 findet vom 18. bis 19. September in Köln statt. Hier geht es zum Programm der Tagung.