Interview mit Irina Lucke, heute Geschäftsführerin der Omexom Renewable Energy Offshore. Zuvor war sie als Geschäftsführerin der EWE Offshore Service & Solutions GmbH, EWE OSS, und hat unter anderen bereits den ersten deutschen Nordseewindpark Alpha Ventus mit projektiert.
Ende 2020 hat Vinci Energies die auf Offshore-Windparks spezialisierte Tochter, der EWE AG übernommen und in ihrer Marke Omexom integriert. Omexom ist die Marke für Infrastrukturen von Vinci Energies.
Es gibt Offshore-Planer, die sagen, sie seien selbst schuld, dass es einigen Herstellern nicht so gut geht, denn schließlich würden die Planer die Preise drücken.
Irina Lucke: Das ist eine Henne-Ei-Frage: Was war zuerst? Was ich sehe: Die Hersteller haben sich den Druck selber gemacht. Adwen und Senvion gibt es nicht mehr. Der Druck ist groß. Die Hersteller haben in kurzer Zeit enorme Entwicklungen vorangetrieben, 2014 war 3,6 MW Stand der Technik heute, 7 Jahre später sind wir bereits in der 10 MW Klasse angekommen. Diese Entwicklung hat qualitative und finanzielle Spuren hinterlassen, die teilweise schmerzhaft sind. Einige haben den Skalierungseffekt nicht geschafft, um überleben zu können. Neben der Entwicklung muss man auch die Geschwindigkeit berücksichtigen, in der produziert werden musste. Da muss man dann sehen, dass die Entwicklung bzw. das Wachstum mit schuld sind. Die Menge an Projekten und der Preisdruck haben dazu geführt, dass die Hersteller sehr schnell produzieren mussten, vielleicht nicht immer die besten Zulieferkomponenten verbaut haben – und jetzt haben sie Qualitätseinbußen. Das schlägt in die Bilanzen, jetzt muss man für massive Schäden gewaltige Rückstellungen haben.
Dass da eine relativ junge Anlage einfach umkippt, ist in dem Zusammenhang ein Zeichen.
Irina Lucke: Ja, mit dieser Entwicklung haben sich die Hersteller keinen Gefallen getan. Ich wundere mich, dass die großen Hersteller nicht einmal sagen: Stopp! Wir müssen einmal Luft holen, wir müssen die bestehende Produktpalette vielleicht nochmal auf den Prüfstand stellen, bevor sie in die nächste Entwicklung gehen. Wir reden über zehn MW, das ist gigantisch. Es kam gerade die Analyse eines Versicherers raus, G-Cube. Die besagt: 2015 hatten wir Versicherungsschäden in Höhe von 124 Mio. Pfund. Im Jahr 2020 sprechen wir über 500 Mio. Pfund.
Damals gab es noch nicht so viele Offshore-Parks…
Irina Lucke: Das ist in Relation gesetzt. Mir geht es aber um den Trend des Berichts, er zeigt, dass der Druck groß ist am Markt zu bestehen und dabei eine Qualität abzuliefern, die ihnen nachher nicht auf die Füße fällt.
Sonst kann man ja sagen, dass Siemens und Vestas schon lange das Geschäft mehr oder weniger unter sich ausgemacht haben.
Irina Lucke: Die Konkurrenz im Ausland schläft nicht. Goldwind stellt gerade eine Anlage größer zehn MW vor. Und irgendwann wird für die Planer der Druck so groß sein. Wenn ich jetzt bei den Ausschreibungen ein Null-Cent-Angebot habe, einen Strompreis wahrscheinlich größer fünf Cent, muss ich aber auch Betriebskosten zwischen 2,5 und 4 Cent einplanen, unvorhergesehene Probleme noch gar nicht eingerechnet. Wie kriege ich meine Rentabilität hin?
Die Frage, ob die Asiaten irgendwann nach Europa kommen, die wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Dann hieß es, die haben mit ihrem eigenen Markt genug zu tun. Können Sie sich vorstellen, dass Goldwind, Ming Yang und Shanghai Electric nach Europa drängen?
Irina Lucke: Mit Sicherheit. Es gibt bereits ein Produktionsstandort in Deutschland, der für den deutschen Markt fertigt. Auch die Asiaten liefern gute Produkte.
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Fortsetzung Interview:
Muss die neue Bundesregierung neue Weichen stellen?
Irina Lucke: Definitiv. Erstmal muss sie einen Fahrplan entwickeln, der den gesamten Energiemix berücksichtigt. Und dann eine entsprechende Regulatorik schaffen. Bei Speichern fehlt zum Beispiel das Geschäftsmodell. Wenn ich Strom speichere, zahle ich Netzentgelte. Ziehe ich die Energie wieder raus, zahle ich wieder Netzentgelte. Das kann sich nicht rechnen. Da muss nachgebessert werden. Wir sehen die steigenden Energiekosten, die viele Gründe haben. Insbesondere muss die Besteuerung überprüft werden. Insgesamt wünsche ich mir, dass die Bundesregierung zur Macherin wird. Wir haben viele Ideen gesehen, aber auch viele Dinge, die die Erneuerbaren abgewürgt haben. Denken Sie an die Strompreisbremse.
Die hat vor allem die Erneuerbaren gebremst. Die ganzen Vorschläge zur Abschaffung von Netzentgelten für Speicher, die liegen dem Bundeswirtschaftsministerium seit Jahren vor.
Irina Lucke: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat eine Task Force vorgeschlagen, die fragen, wie erreichen wir die CO2-Neutralität 2045? Und welche Schritte müssen wir dafür gehen? Das ist ein einfacher, aber richtiger Ansatz. Hoffentlich vereint diese Task Force Experten. Kurzum: die Regierung muss handeln.
Wie beurteilen Sie die Forderung zur Anhebung des Offshore-Ziels auf 60 GW?
Irina Lucke: Es gibt Studien, die sagen, wir haben genug Kapazität für 57 GW, andere sprechen von 80 GW. Aber bevor ich so ein hohes Ziel auslobe, muss ich auf Themen wie Nutzungskonflikte eingehen. Wir haben Artenschutz, Fischerei, Marine. Wir müssen sehen, wie wir das verbinden können. Wir müssen fragen: Wollen wir den Klimaschutz? Oder sagen wir: Nach uns die Sintflut. Deshalb ist 60 GW ein wichtiges Ziel, der Weg dahin ist aber noch wichtiger.
Bisher hatte das Wirtschaftsministerium ohnehin mit zu niedrigen Zahlen gerechnet. Stichwort Elektrifizierung der Energiewende. Daher hat die Offshore-Branche große Aufgaben, etwa was die Wasserstoffproduktion anbetrifft.
Irina Lucke: Absolut. Ich bin nicht gegen 60 GW. Ich mache den Job seit 16 Jahren und habe viele Ziele und Programme gesehen. Momentan haben wir nicht einen einzigen Windpark, der vor der Küste gebaut wird. Wir sollten lieber sagen: Was ist machbar? Und das setzen wir dann auch um.
Zu den Nutzungskonflikten. Gibt es da Möglichkeiten der Doppelnutzung? Früher hatte man sich auf Offshore-Konferenzen viel mit einer möglichen Havarie im Offshore-Windpark beschäftigt. Ist eigentlich auch kein Thema mehr.
Irina Lucke: Nehmen Sie den Windpark Riffgat, den ich gut kenne, zumal ich da die Projektleitung hatte. Der Windpark ist eine klassische Verkehrsinsel. Da fahren links und rechts die Schiffe vorbei. Wir hatten noch nie eine bedrohliche Situation. Wir hatten sicher ab und zu mal Container, die vorbeigetrieben sind. Aber dass das eine Einschränkung der Schifffahrt ist, sehe ich nicht. Zudem war Riffgat früher ein Truppenübungsplatz vor der Küste für die europäische Marine. Es gibt viele berechtigte Interessen. Anfang November tagten in Emden die Fischer, die auch sagen: Unsere Fangrouten und Fischgründe werden deutlich kleiner durch die Offshore-Windparks.
Gibt es Möglichkeit einer Doppelnutzung?
Irina Lucke: Ja. Aber dann könnte die Fischerei nicht mehr mit Schleppnetzen kommen. Dafür müssten wir miteinander reden. Ich bin mehr als dankbar, dass wir nicht Zustände wie in Frankreich haben, wo aktuell ein Projekt Saint-Brieuc so boykottiert wird, dass die Schiffsbesatzung für den Offshore-Park Angst um ihr Wohlbefinden haben musste.
*Hinweis: Das Interview fand Anfang November statt. Inzwischen hat die neue Bundesregierung sogar weitreichendere Offshore-Ziele genannt.
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