Strompreise am Spotmarkt erreichen derzeit ungeahnte Höhen von weit über 100 Euro/MWh. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Im Kern trifft knappes Angebot auf eine starke Nachfrage (Economist zum Thema). Die Entwicklung ist in Europa relativ einheitlich und trifft Großbritannien am stärksten. Was für Stromverbraucher zu erheblichen Mehrkosten führen kann, stellt für Betreiber von Erneuerbare Energien Anlagen möglicherweise eine Chance dar, den Ertrag ihrer Anlagen zu optimieren. Insbesondere ein (teilweiser) Wechsel der Veräußerungsform von der geförderten Direktvermarktung in die freie Vermarktung über oder am Spotmarkt kommt in Betracht – ein solcher will aber wohl überlegt sein.
Potenziale
Das EEG räumt den Anlagenbetreibern eine relativ große Flexibilität ein, um Strom zu veräußern und zu vermarkten. Die inzwischen wohl häufigste Vermarktungsform ist die geförderte Direktvermarktung. Die alternativ vorgesehene Einspeisevergütung hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Auch die Vermarktung als Mieterstrom(zuschlag) ist relativ engen Konstellationen vorbehalten. Schließlich sieht das EEG die sonstige Direktvermarktung vor, die es dem Anlagenbetreiber ermöglicht, erzeugten Strom in anderer Weise etwa über den Spotmarkt oder langfristig unter einem PPA in Verkehr zu bringen. Der Anlagenbetreiber kann auch eine Kombination der verschiedenen Vermarktungsformen wählen.
Neuere und größere Anlagen dürften bereits ohne einen Wechsel der Vermarktungsform von den hohen Strompreisen profitieren, da die Vergütung unter Direktvermarktungsverträgen regelmäßig die – derzeit hohen – durchschnittlichen Monatsmarktwerte abbildet. Im Unterschied zu anderen Staaten ist hierzulande die geförderte Direktvermarktung nicht als Contract for Difference ausgestaltet, mit der Folge, dass es bei einem Monatsmarktwert über dem Wert der Förderung (anzulegender Wert) nicht etwa zu einer Zahlungspflicht des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber kommt. Dies ist in Anlage 1 des EEG 2017, 2021 explizit geregelt. Der Anlagenbetreiber kann also den Mehrerlös aufgrund hoher Strompreise behalten. Ist das Lastprofil der Anlage aber so, dass bei direkter Vermarktung über den Spotmarkt Erlöse erzielt werden können, die signifikant über dem Monatsmarktwert liegen, sollte ein Wechsel in eine sonstige Direktvermarktung jedenfalls erwogen werden. Hierzu sind die Stundenpreise in der jeweiligen Preisregion mit dem Erzeugungsprofil der Anlage abzugleichen, um Optimierungspotenziale zu identifizieren. Bei der wirtschaftlichen Bewertung ist auch zu beachten, dass der Anlagenbetreiber ohne eine Inanspruchnahme der EEG Förderung Anspruch auf Grünstromzertifikate (Herkunftsnachweise) erhält, die gesondert veräußert werden können. Dadurch kann weiteres Optimierungspotenzial generiert werden.
Anlagenbetreiber, die eine Einspeisevergütung erhalten, die unter dem Monatsmarktwert liegt und/oder deren Anlage ein Profil abbildet, das am Spotmarkt (voraussichtlich) Erträge über dem Monatsmarktwert erwirtschaftet, sollten ebenfalls über einen Wechsel der Veräußerungsform entweder in die geförderte Direktvermarktung oder in eine sonstige Direktvermarktung nachdenken, um ihre Strommengen über den Strommarkt zu verkaufen und sich so wirtschaftlich zu optimieren.
Interessant wäre ein Wechsel auch für Anlagen, deren EEG-Förderung bereits ausgelaufen ist und die eine Vergütung nach Maßgabe des Jahresmarktwertes oder im ungünstigsten Fall für Windenergieanlagen sogar nur eine Vergütung zwischen 1,0 und 0,25 ct/KWh erhalten. Dabei ist zu beachten, dass ausgeförderte Anlagen im Jahr 2021 nur einmal zwischen verschiedenen Veräußerungsformen wechseln können, § 21b Abs. 1a EEG 2021.
Das Verfahren
Der Wechsel der Veräußerungsform erfolgt durch Mitteilung an den Netzbetreiber. Gewechselt werden kann zum Beginn eines Monats. Seit Geltung des EEG 2017 muss die Mitteilung aber vor Beginn des jeweils vorangegangenen Monats erfolgen. Bis Ende September etwa kann also ein Wechsel zu Anfang November mitgeteilt werden. Das Gleiche gilt, wenn ein Wechsel wieder rückgängig gemacht werden soll.
Vertrag und Gestaltung
Im Rahmen des Wechsels sind neben den Regelungen des EEG auch die von Fall zu Fall zu prüfenden Regelungen des gegebenenfalls bestehenden Direktvermarktungsvertrages zu beachten. Läuft ein Direktvermarktungsvertrag nicht zufällig aus, muss eine Anpassung des Direktvermarktungsvertrages dahingehend verhandelt werden, dass Strom nicht mit dem Monatsmarktwert, sondern dem jeweiligen Spotmarktpreis abzüglich einer Gebühr für dessen Vermarktung vergütet wird. Für zukünftig abzuschließende Direktvermarktungsverträge bietet es sich an, Regelungen für längere Hochpreisphasen zu treffen. So sollten Anlagenbetreiber darauf drängen, Regelungen in ihre Direktvermarktungsverträge aufzunehmen, die es ermöglichen, zwischen geförderter Direktvermarktung und Vermarktung am Spotmarkt durch das Direktvermarktungsunternehmen zu wechseln.
Im Rahmen der Verhandlung langfristiger PPAs treffen beide Parteien Annahmen über die Entwicklung des Strompreises. Es kann sich anbieten, für längerer Phasen hoher Strompreise eine Teilung der einen bestimmten Betrag überschreitenden Marktpreise (upside share) zu vereinbaren oder aber ebenfalls eine Option des Anlagenbetreibers vorzusehen, bei Überschreiten bestimmter Preismarken, Strom teilweise anders als unter dem PPA zu vermarkten. Dies wird Teil des auszugestaltenden wirtschaftlichen Interessenausgleichs.
Teilweiser Wechsel als Alternative
Vor dem Hintergrund der zwar nicht übermäßig langen aber doch relevanten zeitlichen Verzögerung zwischen Erklärung und Wirksamkeit des Wechsels ist im Einzelfall abzuwägen, ob ein vollständiger Wechsel der Veräußerungsform auf Basis der aktuellen Strompreise sinnvoll ist. Fallen die Preise beispielsweise in einem windstarken November und Dezember kann ein kurzfristig erklärter Wechsel in eine Spotvermarktung zu erheblichen Verlusten führen, der sich erst mit Verzögerung umkehren lässt. Eine Möglichkeit, das Risiko fallender Strompreise teilweise abzufedern ist ein nur teilweiser Wechsel der Veräußerungsform. Anlagenbetreiber dürfen den in ihren Anlagen erzeugten Strom prozentual auf verschiedene Veräußerungsformen aufteilen, § 21b Abs. 2 EEG 2017, 2021. Es ist also zum Beispiel möglich, 70 % des Stroms in der geförderten Direktvermarktung und 30% im Rahmen der sonstigen Direktvermarktung etwa zu Spotmarktpreisen zu veräußern. Die Aufteilung muss dabei zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden. Eine solche Aufteilung ist ausgeförderten Anlagen wiederum nur begrenzt möglich, § 21b Abs. 5 EEG 2021.
Fazit
Die aktuelle Hochpreisphase eröffnet Gestaltungsräume und bietet die Möglichkeit, den Ertrag erneuerbarer Energien Anlagen zu optimieren. Diese Optimierungen ändern aber auch das Risikoprofil eines Projektes. Die derzeitige Strompreisentwicklung mag daher zwar ein Grund sein, um über einen (teilweisen) Wechsel der Vermarktungsform nachzudenken, sie sollte aber nicht zum vorschnellen Handeln verleiten.
Zum Autor: Tilman Petersen ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Schulze Hagen – Horschitz - Hauser in Mannheim. Erneuerbaren Energien – insbesondere Projektentwicklung und PPAs – sind seit 2016 sein Schwerpunkt.
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