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Linstow: Klimaaktivist diskutiert mit Publikum über Strategien

Fast 4.000 Teilnehmer kamen diesmal zu den Windenergietagen von Spreewind nach Linstow. Das Van der Valk Resort  platzte mit 103 Foren, rund 300 Ausstellern und 34 Themenhäusern aus allen Nähten. Zumal die Windenergie inzwischen in einer rasanten Beschleunigungsphase angekommen ist, zeigten sich die meisten Gäste gut gelaunt. 

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Gut, Engpässe sind jetzt das neue Thema, das ist klar. Es gibt immer noch zahlreiche offene Fragen, zum Beispiel was das neue Finanzierungsregime anbelangt: Diese besondere Form des Contract for Differenz, die a) niemand versteht und b) bisher völlig unerprobt ist. 

Aber dann mündeten die Windenergietage politisch in einer wahren Schock-Phase statt: Erst gewinnt Donald Trump die Wahlen in den USA und dann geht auch noch die Ampel in die Brüche. Wie lange hält die Ukraine durch, wenn die USA die Gelder zur Gegenwehr streichen? Und welches Land rückt dann als nächstes in Putins Fokus? Teile der Union und FDP würden am liebsten sämtliche Gelder für Klimafonds und Erneuerbare streichen. 

Schlechte Zeiten für Klimaschutz, so scheint es. Gleichwohl gibt es auch Überlegungen in die Richtung, dass europäische Staaten nun umso schneller eine unabhängige Energieversorgung mit Erneuerbaren aufbauen müssen. Und was den Verlust von Christian Lindner anbelangt, naja, dem weint die Regenerativbranche wohl kaum hinterher. Jetzt ist die Frage, ob noch ein paar Abstimmungen mit Zustimmung der Union im Bundestag machbar sind bis zu den Neuwahlen im März. 

Fest steht, die russische Invasion in der Ukraine hat das Klimathema für viele Menschen in den Hintergrund gedrängt. Umso erfreulicher, dass MVV und Juwi einen Klimaaktivisten in ihr Forum auf den Spreewindtagen geladen hatten. Tobias März von der Letzten Generation sprach in seinem Vortrag über seine Motivation, über neue Klimaprognosen, und Mittel des Widerstands.

Er sei bereits Solaringenieur gewesen, als er auf einer Reise in Bangladesch merkte, dass das nicht genug ist. Die Menschen dort haben einen minimalen CO2-Fußabdruck, sind aber vom Klimawandel massiv betroffen, zumal das Land sehr flach ist und regelmäßig extreme Fluten erlebt. „Einfach weitermachen war keine Option für mich“, berichtete März den Zuhörer:innen. 

Der Aktivist hat sich seither über Jahre an Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligt, sich auf die Straße geklebt und festnehmen lassen. Er stand vor Gericht und musste „für 15 Min. auf der Straße 2.500€ zahlen“. Dabei hatte er eigentlich den Richter in einem persönlichen Gespräch von seinen Beweggründen überzeugen können. Gleichwohl ist er sich sicher, dass persönlicher Austausch eine Chance bietet, Menschen von der Notwendigkeit zu handeln zu überzeugen.

März weist zudem darauf hin, dass sich Klimawissenschaftler wie Stefan Rahmstorf inzwischen mit über 50 Prozent Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass wir in Europa eine Abkühlung erleben werden.  Dieser Kipppunkt, eine Veränderungen des Golfstroms, könnte Mitteleuropa in den nächsten Jahren auf das Niveau von Nordskandinavien abkühlen.  

März verweist auf die positiven Effekte von Bündnissen und Unterstützern, etwa Prominenten wie Marc-Uwe Kling oder Firmen oder sogar religiöse Vereinigungen wie die Evangelische Kirche. 

Anfang 2024 habe die Letzte Generation sich entschieden, die Strategie des auf die Straße klebens nicht weiter zu verfolgen, sagt März. Moderatorin Katharina Wolf hatte zuvor zu Bedenken gegeben, dass die Stimmung in der Bevölkerung gegen die Letzte Generation gekippt sei wegen der „Klimakleber“. Statt der Kleber gibt es nun Ungehorsam-Versammlungen, auch auf der Straße. 

Aus dem Publikum kam dann die Frage: Was bringt das überhaupt, wenn Staaten wie die USA ungebremst weiter CO2 ausstoßen? Ein häufig gehörtes Argument. März sagt dazu nur: „Man kann immer sagen: Aber die anderen.“ Diese Argumentation bringt einen nicht weiter. Ebenso wenig übrigens wie der Hinweis aus dem Publikum, dass jeder gern fliegen möchte und jedes Jahr ein neues Handy haben möchte. Bei diesem Thema ist die Politik gefragt, das Erwecken von Bedürfnissen und Wünschen von Seiten der Konsumgüter-Industrie zu reglementieren, so wie bei Zigarettenwerbung. Das Glück sollte nicht von einem Handy, neuen Klamotten oder Langstreckenflügen abhängen. (nw)    

Nicole Weinhold