In der vergangenen Monaten gab es zwei wichtige juristische Siege im Zusammenhang mit der Verschmutzung durch Kohlekraftwerke und Bergbau. In der Türkei hat ein Gericht die Umweltverträglichkeitsprüfung für eine geplante Erweiterung des Braunkohlekraftwerks Afsin C um 1800 Megawatt (MW) abgelehnt. In Südafrika entschied der Oberste Gerichtshof, dass eine Luftverschmutzung, die über den nationalen Luftqualitätsnormen liegt, einen Verstoß gegen das verfassungsmäßige Recht der Einwohner auf eine gesunde Umwelt darstellt. Der Umweltminister hat nun 12 Monate Zeit, um mit der Durchsetzung der Normen für saubere Luft zu beginnen. In China sieht der neue Fünfjahres-Energieplan bis 2025 keine Beschränkungen für die Kohlekraft vor. Dennoch legt er mit seiner Betonung eines erheblichen Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Fernübertragung den Grundstein für eine geringere künftige Kohleverstromung.
Die Auswirkungen der Sanktionen gegen russische Banken halten an, da die asiatischen Kohlekäufer entweder vor dem Kauf von Ladungen zurückschrecken oder Schwierigkeiten haben, Transaktionen abzuschließen. Vietnam, das in zunehmendem Maße auf die Einfuhr von Kraftwerkskohle angewiesen ist, wurde durch den Anstieg der Weltmarktpreise für Kohle und die Verringerung der heimischen Produktion aufgrund eines Anstiegs der COVID-19-Fälle bei Bergleuten in Mitleidenschaft gezogen. In Indien hat die vorrangige Verwendung von heimischer Kohle für den Energiesektor andere Industriesektoren wie Aluminiumhütten anfällig gemacht. Der Preisanstieg auf dem Weltmarkt für Kraftwerkskohle hat die Debatte über neue Kohlekraftwerke, wie in Pakistan, verschärft, die zu Zeiten weitaus niedrigerer Kohlepreise geplant wurden.
Gleichwohl, kommerzielle Banken haben in den vergangenen drei Jahren die globale Kohleindustrie mit über 1,5 Billionen US-Dollar in Form von Krediten und Underwriting-Mandaten unterstützt. Zudem hielten institutionelle Investoren mit Stand November 2021 – dem Monat, als die COP26 in Glasgow stattfand – Aktien und Anleihen der globalen Kohleindustrie im Wert von über 1,2 Billionen US-Dollar. Dies zeigt eine neue Recherche der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald, die gemeinsam mit Reclaim Finance und 25 weiteren internationalen Partnerorganisationen veröffentlicht wurde.
Weltweit mehr fossile Kraftwerkskapazitäten stillgelegt
Derzeit verändert sich einiges, aber immer noch rollt der Motor für die Kohle, Veränderungen treten zu langsam ein. Der weltweite Ausbau von Kohlekraftwerken ist das vierte Jahr in Folge zurückgegangen, doch für das Pariser Klimaabkommen sind weitaus stärkere Reduzierungen erforderlich. Und es zeigte sich, dass Stilllegung von Kohlekraftwerken in den USA unter Präsident Trump um 67 % höher waren als unter Obama.
In jüngster Zeit haben die Reaktionen auf COVID-19 in China, Südostasien und Südasien erhebliche Auswirkungen auf die Kohlekraftwerkspipeline. In einem offensichtlichen Schritt zur Ankurbelung der heimischen Wirtschaft hat China die Genehmigungen für neue Kohlekraftwerke drastisch erhöht. Vom 1. bis 18. März 2020 genehmigten die Behörden in China mehr Kohlekraftwerkskapazität zum Bau (7.960 Megawatt) als im gesamten Jahr 2019 (6.310 MW).
In Süd- und Südostasien hat Global Energy Monitor 15 Standorte mit einem geschätzten Investitionsvolumen von insgesamt 21 Milliarden US-Dollar identifiziert, an denen der Bau von Kohlekraftwerken aufgrund von Unterbrechungen der COVID-19-Arbeitskräfte und der Lieferkette derzeit auf Eis liegt. Diese Unterbrechungen zeigen, wie anfällig der Ausbau der weltweiten Kohleflotte für Störungen durch die Pandemie ist, da die Überkapazitätsprobleme durch die rezessiven Bedingungen noch verschärft werden. Einzelheiten zu den Auswirkungen von COVID-19 auf den Kohlesektor sind auf der Wiki-Seite "Kohle und Coronavirus" zu finden.
Laut einem neuen Bericht, der von Global Energy Monitor, Greenpeace International, dem Sierra Club und dem Centre for Research on Energy and Clean Air veröffentlicht wurde, ist die Zahl der weltweit im Bau befindlichen Kohlekraftwerke 2019 das vierte Jahr in Folge stark zurückgegangen.
Der Bericht, Boom and Bust 2020: Tracking The Global Coal Plant Pipeline" ist die fünfte jährliche Untersuchung der Kohlekraftwerkspipeline. Zu den Ergebnissen gehört ein Rückgang der im Bau befindlichen und vor dem Bau befindlichen Kapazitäten um 16 % im Vergleich zum Vorjahr und ein Rückgang um 66 % seit 2015. Die Baubeginne sind im Vergleich zu 2019 um 5 % im Jahr 2018 und um 66 % im Jahr 2015 zurückgegangen.
Trotz des Rückgangs in der Entwicklung wuchs die Kohleflotte 2019 um 34,1 Gigawatt (GW), der erste Anstieg der Nettokapazitätserweiterungen seit 2015. Fast zwei Drittel (43,8 GW) der 68,3 GW neu in Betrieb genommener Kapazität entfielen auf China. Außerhalb Chinas schrumpfte die globale Kohleflotte insgesamt das zweite Jahr in Folge, da diese anderen Länder zusammen mehr Kohlekraftwerkskapazität (27,2 GW) stilllegten als in Betrieb genommen wurde (24,5 GW) .
Klammert man China einmal aus, wurden im Jahr 2019 weltweit mehr fossile Kraftwerkskapazitäten stillgelegt als in Auftrag gegeben. Das geht aus dem Bericht "Boom and Bust" aus dem Vorjahr hervorgeht, der in Zusammenarbeit mit Greenpeace International, dem Sierra Club und dem Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) entstanden ist. 27.200 Megawatt an Abschaltungen standen hier neuen Kohlekraftwerk Aufträgen in Höhe von 24.500 Megawatt gegenüber.
Die Kraftwerke neigen immer stärker dazu, nicht ausgelastet zu sein. Im Schnitt laufen alle Kohlekraftwerke weltweit nur 51 Prozent der Zeit. Dadurch rechnet sich Kohle immer weniger, was am deutlichsten in den USA zu sehen ist, wo Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen scharenweise abschalten und viel obendrein gleich Insolvenz anmelden. Mit 16.500 Megawatt entfielen fast 50 Prozent der Kraftwerksschließungen auf die USA, während dort die Kohleverstromung um 16 Prozent sank (weltweit waren es drei Prozent). In der EU ist die Kohleverstromung 2019 um 24 Prozent gesunken - der Grund lag hier in höheren CO2-Preisen im Emissionshandel.
Gleichwohl: ein Abschied von der Kohle, wie er für die Klimaschutzziele erforderlich wäre, ist noch nicht in Sicht. Im Januar 2020 waren laut Global Energy Monitor immer noch 661 Kraftwerksblöcke in Planung oder im Genehmigungsprozess und 385 im Bau. Von den 2.045 Gigawatt (GW) an weltweit laufender Kraftwerkskapazität (Januar 2020) entfallen 1.005 GW allein auf China. Und aufgrund der Coronakrise hat China nun besonders viele Genehmigungen für den Bau neuer Kraftwerke erteilt, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Deren Auslastung ist allerdings mittelfristig nicht zu erkennen.
Chinesische Kohlekraftwerkskapazität für den Balkan
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu. China ist nicht erst im Zuge seiner Initiative Neue Seidenstraße hochaktiv beim Werben für den Bau chinesischer Kohlekraftwerkstechnologie rund um den Globus. So ist gerade das erste chinesische Kohlekraftwerk in der nähe von Sarajewo in Bosnien-Herzegowina entstanden. Derzeit errichtet China ein Kohlekraftwerk in der Türkei, nahe der Grenze nach Syrien. Allen chinesischen Projekten gemein ist, dass sie mit hohen Krediten versehen sind. Auch in Bosnien-Herzegowina stellen chinesische Banken Millionen zur Verfügung. Hinzu kommt, dass es dort reichlich Braunkohle gibt. Demnächst könnte auch das Kosovo auf chinesische Kohlekraftwerkstechnik setzen, denn auch dort gibt es die fossilen Ressourcen. Und die Asiaten haben bereits attraktive Angebote unterbreitet. Zwar gelten die neuen Kohlemeiler als besonders sauber, doch der Weg, der hier eingeschlagen wird, ist der falsche. Besser wäre es, wenn die EU diesen Ländern entsprechende Angebote im Bereich der erneuerbaren Energien unterbreiten würde.
Wollen Sie neue Erkenntnisse zum Ausbau schädlicher fossiler Energien im Blick behalten? Dann abonnieren Sie einfach den kostenlosen Newsletter von ERNEUERBARE ENERGIEN – dem größten verbandsunabhängigen Magazin für erneuerbare Energien in Deutschland!