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Kommunale Wärmeplanung: Doppelte Chance für Stadtwerke

Die kommunale Wärmeplanung nimmt Fahrt auf: In Baden-Württemberg müssen die 104 größten Kommunen Ende des Jahres 2023 einen kommunalen Wärmeplan vorlegen. Auch in Schleswig-Holstein gilt die Pflicht für größere Kommunen. Andere Länder-Regelungen sind zu erwarten und bundesweit wird die kommunale Wärmeplanung für große Kreisstädte und Stadtkreise ebenfalls bald verpflichtend sein. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf. Künftig werden bundesweit daher mehrere hundert kommunale Wärmepläne erstellt.

Bereits bis 2030 muss der Gebäudesektor seinen CO2-Ausstoß um rund 40 Prozent vermindern. Hierbei sollen die Wärmepläne helfen. Sie umfassen eine systematische Analyse des heutigen und zukünftigen Wärmebedarfs vor Ort, beziffern die Potenziale einer klimafreundlichen Energieversorgung und weist Eignungsgebiete für Wärmenetze sowie eine dezentrale Wärmeversorgung aus. Außerdem werden Maßnahmen erarbeitet, wie sich der Wärmebedarf komplett mit erneuerbaren Energien, Abwärme und der Kraft-Wärme-Kopplung decken lässt.

Plan für die Wärmewende erstellen

Für die rund 1.000 Stadtwerke in Deutschland ist das ein neues Geschäftsfeld auf ihrem ureigenen Gebiet – dem der Energieversorgung. Sie kennen den Gebäudebestand, die Energieverbräuche sowie die Daten der Strom- und Gasnetze. Daher können sie für die Kommunen eine passgenaue kommunale Wärmeplanung erstellen. Ein Beispiel für einen solchen Versorger ist die badenova. Sie erstellte den Wärmeplan im Auftrag der Stadt Freiburg. Die Stadtwerke haben den energetischen Ist-Zustand der Quartiere und Stadtteile erstellt, Potenziale aufgezeigt und Versorgungsvarianten für Planungsgebiete durchgespielt.  

Aus dem Wärmeplan die künftige Energieinfrastruktur ableiten

Stadtwerke sollten die kommunale Wärmeplanung jedoch nicht auf eine bezahlte Dienstleistung reduzieren. Die Wärmeplanung ist viel mehr als das. Aus ihr kann die Energieinfrastruktur der nächsten Jahrzehnte – und damit auch die Stellung der Stadtwerke – abgeleitet werden.

Ein Baustein einer zukunftsfähigen Infrastrukturplanung sind vor allem präzise Daten. In Baden-Württemberg beispielsweise kann mit der kommunalen Wärmeplanung die künftige Infrastruktur mit einer höheren Sicherheit geplant werden. Durch die Erfassung von Verbrauchsdaten können Kommunen nun auf belastbare Zahlen von Bezirksschornsteinfegermeistern, Netzbetreibern, Energieunternehmen sowie Gewerbe- und Industriebetrieben zugreifen. Unter anderem ist es ihnen möglich, Auszüge aus den elektronischen Kehrbüchern und Verbrauchsdaten der Netzbetreiber auszuwerten. Damit wird der kommunale Wärmeplan keine grobe Abschätzung, sondern ein qualitativ hochwertiges Planungswerkzeug.

Daneben braucht es aber auch energiewirtschaftliches Know-how. Die Umrisse der klimaneutralen Energieinfrastruktur zeichnen sich zwar ab, im Detail wird es aber kompliziert. Welcher Anteil der Wärmeversorgung erfolgt künftig dezentral, wieviel erfolgt über zentrale Wärmenetze? In welchen Umfang werden die Gasnetze zurückgebaut beziehungsweise für Wasserstoff ertüchtigt? Wie sieht das ausgebaute Stromnetz der Zukunft aus? Hinzu kommt, dass die Kommunikation der Akteure untereinander, der Kommune, der Unternehmen und Privatleute sowie des Energieversorgers, einen wichtigen Stellenwert einnimmt und manchmal auch Fingerspitzengefühl erfordert.

Bedacht werden sollte auch: Für die anspruchsvollen Prozesse, sei es im Rahmen der Datenerhebung und -analyse oder bei der Bewertung der strategischen Ableitungen sollten sich Stadtwerke bei Bedarf die richtigen Partner ins Boot holen.

Stadtwerke und Kommunen: Partner auf Augenhöhe

Die Energieinfrastrukturplanung wird den Stadtwerken auch eine neue Rolle zuweisen. Bislang waren sie oft ein ausführendes Organ der Städte, Gemeinden und Landkreise. Künftig geht es auch umgekehrt: Die Stadtwerke werden den Kommunen im Rahmen der Wärmeplanung und Energieinfrastruktur vermehrt Vorgaben machen müssen, was erforderlich ist, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen. Denn es gilt: Die Energie- und Wärmewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Kommunen, Versorgungsunternehmen – und auch lokale Stakeholder – werden Hand in Hand zusammenarbeiten müssen, um die Generationenaufgabe Wärmewende erfolgreich zu gestalten. Partner auf Augenhöhe wäre ein passendes Bild. (nw)

Die Erstellung eines Wärmeplans dauert gut zwölf Monate. Sie umfasst vier Schritte:

-          Zuerst werden alle Informationen erfasst, die den Gebäudebestand (Baualter und Typ), den aktuellen Wärmeverbrauch, die Treibhausgasemissionen und die bestehende Infrastruktur der Wärmeversorgung im Gemeindegebiet betreffen.

-          Im zweiten Schritt gilt es zu analysieren, wo im Gebäudebestand sich die Energieeffizienz etwa durch Dämmmaßnahmen steigern lässt und erneuerbare Energien, Abwärme und Kraft-Wärme-Kopplung eine klimaneutrale Wärmeversorgung ermöglichen.

-          Für die Kommune wird anschließend ein Szenario zur klimaneutralen Deckung des zukünftigen Wärmebedarfs entwickelt. Dazu gehört eine räumlich aufgelöste, in Quartiere eingeteilte Darstellung der Versorgungsstruktur im Jahr 2040 mit dem Zwischenziel 2030.

-          In Schritt vier folgt die Identifikation von ersten konkreten Maßnahmen.

Steffen Kölln

Sterr-Kölln & Partner

Steffen Kölln

Autor:

Steffen Kölln ist Betriebswirt und geschäftsführender Partner des interdisziplinären Beratungsunternehmens Sterr-Kölln & Partner, das auf erneuerbare Energien und kommunale Energieversorgung spezialisiert ist.