Das Interview mit Michael Rolshoven, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Tettau Partnerschaft, haben wir kurz vor dem Ende der Ampel-Koalition im Spreewindspiegel veröffentlicht.
Drei Jahre Ampel-Koalition haben für den Windkraftausbau viele Neuregelungen gebracht. Trägt all das Früchte?
Rolshoven: Eindeutig ja. Es gibt viel mehr Genehmigungen. Etliche Probleme, die nach 2016 die Windbranche lähmten, sind abgeräumt. Unterstützt wird dies durch teils spektakuläre Urteile der Obergerichte.
Was sind die wichtigsten Neuregelungen?
Rolshoven: Vier Regelungen fallen mir als Erstes ein: Zentral ist § 2 EEG, wonach die erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Die Norm ist aus Sicht der Gerichte ein Türöffner. Ebenso zentral ist die gesetzliche Vorgabe, künftig zwei Proeznt der Landesflächen für Windenergieanlagen (WEA) auszuweisen. Das erweitert schon heute den Flächenpool. Wichtig ist auch die Standardisierung im Artenschutzrecht, § 45b BNatSchG. Seither scheitert keine WEA mehr an Rotmilan, Schwarzstorch etc. Und nach § 6 WindBG erfolgt in Windenergiegebieten weder eine Umwelt- noch eine Artenschutzprüfung.
Sie sprechen von „spektakulären Urteilen“?
Rolshoven: Hier denke ich an fünf bis sechs jüngere Entscheidungen der Obergerichte. So hat das OVG Greifswald [Beschl. v. 26.6.2024, 5 KM 192/24] bei späterer Ansiedlung eines Fischadlers eine nachträgliche Abschaltung eines Bestandsparks ausgesetzt. In der Begründung heißt es, dass Klimaschutz gerade dem Artenschutz diene; eine abgestellte WEA diene indes nicht dem Klimaschutz. Zudem würden auch Straßen nicht nachträglich wegen Artenschutz gesperrt; für WEA müsse dasselbe gelten! Solche Aussagen wären ohne § 2 EEG nicht denkbar.
Das Beispiel betrifft den Artenschutz. Wie sieht es im Planungsrecht aus?
Rolshoven: Windprojektierer sollten zum Planungsrecht die Rechtsprechung des OVG Münster kennen. Zuletzt wurden Eilanträgen gegen sog. Aussetzungen, die WEA jenseits künftiger Windgebiete verhindern sollen, stattgegeben [Beschl. v. 9.10.2024, 22 B 807/24]. Der 7. Senat lässt überdies den Zubau von WEA bei Bestandswindparks u.U. auch dann zu, wenn die WEA im Ausschlussbereich des Flächennutzungsplans oder gar im entprivilegierten Außenbereich steht. Das Gericht, so der Vorsitzende Richter, wolle „Türen öffnen“ für den Windkraftausbau. [Urt. v. 12.5.2023, 7 D 328/21 u. 16.5.2023, 7 D 423/21]
Das ist beeindruckend. Jetzt bin ich neugierig auf Ihre weiteren Fallbeispiele!
Rolshoven: Nach dem OVG Koblenz [Urt. v. 8.2.2024, 10470/22] können zwei WEA selbst im Vogelschutzgebiet zulässig sein. Nicht dass jetzt jeder solche Standorte ins Visier nehmen sollte. Das Urteil zeigt aber eindrücklich, was neues Recht im Einzelfall möglich machen kann. Ein letztes Beispiel: Vor wenigen Wochen hat das OVG Berlin [Urt. v. 17.7.2024, 7 A 7/24] entschieden, dass trotz Einspruch des Bundesfernstraßenamtes WEA auch dicht am Fahrbahnrand zuzulassen sind. Geholfen hatte uns dort einmal mehr der Bundesgesetzgeber, der Anfang des Jahres auch das Fernstraßenrecht novellierte.
Wo helfen die neuen Gesetze sonst noch?
Rolshoven: Seit Mai 2024 gibt es Neuregelungen im Zulassungsrecht. Nur zwei Punkte dazu: Die Typenänderung erfolgt nun im radikal verschlankten Verfahren. Wichtig ist auch die neue Vorbescheidsregelung: Mit wenigen Unterlagen kann eine Einzelfrage, etwa zum Planungsrecht, geklärt werden.
Ihr Fazit nach drei Jahren Ampel-Koalition?
Rolshoven: Klar positiv. Wir hatten jahrelang kaum gesetzliche Initiative, den Windkraftausbau voranzubringen. Das hat sich seit 2022 geändert. Und das merken wir täglich in der anwaltlichen Beratung. Vier der eben skizzierten Entscheidungen durften wir als Kanzlei bei Gericht vertreten. So kann ich aus erster Hand berichten: Das neue Recht wirkt!
Weitere Informationen:
www.tettaupartners.de