Tilman Weber
Am Freitag stimmte der schleswig-holsteinische Landtag mit der Abgeordnetenmehrheit der Koalition aus CDU, Bündnisgrünen und FDP für die wiederholte Verlängerung des landesweiten Moratoriums gegen den Windparkzubau. Bis Ende 2020 gilt demnach weiterhin wie schon seit 2015, dass „raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet vorläufig unzulässig sind“ und neue Turbineninstallationen nur durch Ausnahmegenehmigungen des Landes möglich bleiben. Schon zu Jahresbeginn hatte sich angedeutet, dass die CDU das Ende des Moratoriums vom 5. Juni 2019 auf 31. Dezember 2019 hinausschieben will.
Jamaika für längeres Moratorium, SPD und SSW dagegen
Gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD und SSW, die Partei der dänischen Minderheit im Land, beschloss die Regierungsmehrheit im Landesparlament damit die bereits dritte Verlängerung des Moratoriums. Dabei weicht Schleswig-Holstein auch von der im Bundes-Raumordnungsgesetz vorgesehenen Höchstdauer für den generellen Windparkbaustopp im Land ab. Diese Möglichkeit aber räume aber die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte für die Landesregierung ein, argumentierten CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in dem jetzt beschlossenen Gesetzentwurf.
Das Moratorium war 2015 auf Veranlassung der damaligen schwarz-grünen Landesregierung aus CDU und den Grünen erstmals in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hatte damit auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig aus demselben Jahr reagiert. Es hatte einzelne Regionalpläne in Bezug aufgrund nicht nach transparenten und systematischen Kriterien ausgewiesener Windpark-Vorrangflächen für ungültig erklärt. Weil das Baugesetzbuch dann aber zu einem grundsätzlichen Baurecht überall in sogenannten Außenbereichen geführt hätte, hatte die Regierung zum Moratorium gegriffen. Mit Ausnahmegenehmigungen versucht sie seither den Ausbau regional zu konzentrieren, ohne den Zubau neuer Windkraft ganz abzuwürgen.
Zubau an Windkraft drastisch eingebrochen
Allerdings war das zuletzt immer weniger gelungen: Der Netto-Zubau an Windkraft nach Abzug der Erzeugungskapazitäten abgebauter Altanlagen – die nicht mehr so rentabel waren oder für die Errichtung ertragreicherer Neuanlagen wichen – betrug 2018 gerade einmal noch knapp 100 Megawatt (MW). Nur 20 neu genehmigte Anlagen im Jahr 2018 deuten zudem auf ein weiteres, möglicherweise drastisches Absinken des Netto-Kapazitätszubaus 2019 hin. Weil 2021 zudem aufgrund eines Endes der Förderung vieler Altanlagen eine sehr große Anzahl kleinerer Windturbinen vom Netz gehen werden, droht spätestens dann ein Negativzubau im Land. Immerhin sind laut Angaben der Landesregierung derzeit neue Windkraftkapazitäten mit 382,4 MW brutto im Bau. 233 durch Vorranggebiete eigentlich abgesicherte Anlagen mit 784 MW befinden sich zudem im Genehmigungsverfahren und ließen sich durch Ausnahmegenehmigungen durchsetzen, bilanziert die Landesregierung.
Erst nach einer Veröffentlichung neuer Regionalpläne will die Landesregierung das Moratorium aufheben. Seit 2015 arbeitet Kiel daran, neue und rechtssichere Regionalpläne zu schaffen. Die Ausweisung neuer Windkraftflächen muss nun laut Gerichtsauflagen durch eine systematischere, transparentere und aufgrund einheitlicher Kriterien nachvollziehbare Ausweisung neuer Windpark-Vorrangflächen erfolgen. Die Verlängerung des Moratoriums am Freitag begründen Koalition und Regierung damit, dass die neuen Regionalpläne erst im Herbst und demnach nach der bisherigen Moratoriumsfrist veröffentlicht werden könnten. Zuvor seien noch zahlreiche Einsprüche von Bürgern und Interessengruppen abzuarbeiten und teils zu berücksichtigen.
Jamaika will Genehmigungsverfahren beschleunigen
Zugleich mit der Verlängerung des Moratoriums verabschiedete der Landtag auch einen Begleitantrag der Regierungsfraktionen, die Landesregierung solle Maßnahmen zur Beschleunigung des Windparkausbaus entwickeln.
Was damit gemeint sein könnte, hatte die schleswig-holsteinische Landessektion im Bundesverband Windenergie (BWE) vor kurzem mit einem Brief an die Landesregierung definiert: Kiel müsse es Windparkplanern einfacher machen und „verlässliche Vereinbarungen über den Umfang einzubringender Antragsunterlagen … treffen“. Auch „sollten gültige Erkenntnisse aus vorliegenden Gutachten“ zu drohenden Gefahren durch Windparks auf Kleintiere am Boden sowie auf Vögel oder Fledermäuse „weiter genutzt werden, anstatt gänzlich neue Untersuchungen anzufordern“. Nachforderungen weiterer Gutachten und Prüfauflagen in schon fortgeschrittenen Genehmigungsverfahren müssten seltener werden, auch Fristverlängerungen für Einwendungen müssten zurückgehen.
Verbände warnen vor falschem Signal
Der BWE in Kiel kritisierte die Fristverlängerung für das Moratorium dennoch heftig. Unabhängig voneinander hätten sich mit ihm „unterschiedlichste Verbände und Institutionen“ wie DGB Nord, IHK Schleswig-Holstein, BDEW Nord oder ARGE Netz „für eine Verlängerung nur bis Sommer 2020 ausgesprochen“.
Die Moratoriumsverlängerung bis Ende 2020 sei „ein falsches Signal“ sagte BWE-Geschäftsstellenleiter Marcus Hrach. Die Landesregierung „sollte … jetzt alles Machbare tun, um den Planungsprozess bis zum Sommer 2020 abzuschließen“. Laut dem BWE-Landesverband müsste Schleswig-Holstein bis 2025 jährlich 670 MW Windkraft zubauen, um die im Jamaika-Koalitionsvertrag festgelegten Ausbauziele zu erreichen. Dies sei auch möglich, weil der Netzausbau in Schleswig-Holstein gut vorangekommen sei und die Leitungen mehr Windstrom daher leichter aufnehmen können: Die Abregelungen von Windturbinen aufgrund überlasteter Leitungen seien 2018 um 15 Prozent zurückgegangen.