Ein derbes Sprichwort könnte das umschreiben, was die Deutschen bewegt, wenn es um die Akzeptanz der Energiewende geht. Angesichts der Ergebnisse einer aktuellen und repräsentativen Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien unter der Bundesbürgern fragt man sich, ob die Leute überhaupt verstanden haben, worum es beim Bau von Ökostromanlagen geht. Denn die Diskrepanz derjenigen, die solche Anlagen ablehnen, aber überhaupt keinerlei Erfahrung damit in ihrem alltäglichen Leben haben und die Zustimmung derjenigen, die in der Nähe eines solchen Generators wohnen steigt stetig.
Am Beispiel der Photovoltaik- und Biogasanlagen zeigt es sich am deutlichsten. So hatten im vergangenen Jahr 77 Prozent der befragten Bundesbürger nichts gegen Solarparks in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld. In diesem Jahr ist diese Zustimmung auf 73 Prozent gesunken. Zugegeben ist sie immer noch hoch, aber man könnte auf den ersten Blick meinen, damit sinke die Akzeptanz von Solaranlagen. Doch weit gefehlt. Denn zum Glück haben die Meinungsforscher diejenigen separat ausgewiesen, die schon Erfahrungen mit einem Solarpark in ihrem Umfeld haben. Da zeigt sich: Die Zustimmung ist von 86 Prozent im vergangenen Jahr auf 90 Prozent in diesem Jahr gestiegen.
Mit Erfahrung gelassener
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Biogasanlagen. Viele denken, es sein eine Belästigung, wenn in ihrer Nähe Biomasse zu Gas vergoren wird. Nur 38 Prozent der Befragten könnten sich vorstellen, in der Nähe einer solchen Anlage zu wohnen. Das heißt im Umkehrschluss, 62 Prozent der Befragten würden es ablehnen, wenn eine Biogasanlage in ihrer Nähe gebaut würde. Wenn sie einmal steht, sieht die Sache schon ganz anders aus. Dann kommen immerhin 56 Prozent der Befragten prima mit einer solchen Anlage in ihrem Wohnumfeld zurecht – drei Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr. Da hat plötzlich die Mehrheit nichts mehr gegen die Herstellung von Biogas, weil sie gemerkt haben, so schlimm ist es dann doch nicht. Auch bei der Windkraft sind die Akzeptanzwerte von Bürgern, die in der Nähe einer solchen Anlage wohnen, nicht so stark gesunken, wie die derjenigen, die überhaupt keine Ahnung haben, wie es sich in der Nähe eines Windrades wohnt.
Erneuerbare schlecht geredet
Die Daten zeigen aber auch ganz deutlich: Die Bundesregierung hat ganze Arbeit geleistet, wenn es – mit tatkräftiger medialer Unterstützung – darum geht, die erneuerbaren Energien möglichst schlecht zu reden. Zwar wolle man die Energiewende – so zumindest lautet das Lippenbekenntnis. Doch die Ökostromanlagen will man nicht. Das oft genug wiederholt, scheint sich in den Köpfen derjenigen, die überhaupt nicht wissen, wie es sich neben einem Solarpark, einer Windkraft- oder Biogasanlage wohnt, zu verfangen. Das Ergebnis dieser „Kommunikationsstrategie“ ist, dass die Akzeptanz der Energiewende zwar immer noch hoch ist, aber die Umgestaltung der gesamten Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien etwas nachgelassen hat, immerhin um sechs Prozentpunkte. Wie schmerzhaft sechs Prozent sein können, haben die CDU und die SPD jüngst bei der Berliner Landtagswahl erfahren müssen, auch wenn es da nicht um die Energiewende ging.
Die Verbraucher stehen im Nebel
Auch bei der Akzeptanz der Finanzierung hat die ständige Wiederholung der Argumentation gefruchtet, die Energiewende würde finanziell aus dem Ruder laufen. Die Höhe der im Ausgleichsmechnismus zirkulierenden 23 Milliarden Euro sind nicht wegzudiskutieren, auch wenn diese Summe viel besser auf die Stromverbraucher verteilt werden könnte. Doch immer noch wissen die Wenigsten, wie diese 23 Milliarden Euro zustande kommen. Es hält sich hartnäckig die Ansicht, die sei allein dem Ausbau der Ökostromleistung anzulasten. Doch dass mit vermehrter Einspeisung die Strompreise an der Börse sinken und nur die wenigsten Stromanbieter diese Senkungen an die Kunden weitergeben, die Erhöhung der EEG-Umlage aber schon, ist zwar eine Tatsache, wird aber im großen Politikzirkus vehement verschwiegen. Denn anders ist die leicht sinkende Zustimmung zur Förderung der Erneuerbaren nicht zu erklären. Dass es dabei tatsächlich darum geht, monatlich drei Euro mehr oder weniger für die EEG-Umlage zu zahlen, ist eher unwahrscheinlich, auch wenn der eine oder andere hier schon auf Heller und Pfennig rechnet. Doch wenn er dies tut, sollte er sich dann auch das gesamte System anschauen. Aber die meisten Verbraucher stehen immer noch im Nebel, wenn es darum geht, die kompletten Mechanismen zu durchschauen und die Bundesregierung tut möglichst wenig, um diesen Nebel zu lichten.
Zudem liegen schon längst Vorschläge auf dem Tisch, wie die Energiewende ohne Umlagemechanismus finanziert werden kann. Wenn die Stromanbieter einen stetig steigenden Anteil an Ökostrom in ihr Portfolio verpflichtend aufnehmen müssten, ginge die Finanzierung der Energiewende transparenter und ehrlicher über die Bühne. Denn dann würden die Kunden nur den tatsächlichen Anteil an erneuerbaren Energien in ihrem Strommix bezahlen.
Neue Geschenke für Atomkraftwerke
Dass es nicht ums Geld gehen kann, zeigen auch die zusätzlichen Geschenke, die die Bundesregierung den Betreibern der Kernkraftwerke aushändigen will. So soll still und leise die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll langfristig auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Mit insgesamt 17,2 Milliarden Euro sollen sie an einen staatlichen Fonds zahlen, um die Lagerung des Atommülls zu finanzieren. Wenn sie noch einmal 6,1 Milliarden Euro drauflegen, sind sie das Problem ganz los. Alles was dann noch an Geld fehlt, kommt aus der Steuer.
Dass die Atomkraftwerksbesitzer auch nicht mittelbar doch noch die Zwischen- und Endlagerung ihres Müll mitfinanzieren, bekommen sie auch noch eine Steuer gestrichen. Denn so wie es jetzt aussieht, werden sie ab kommendem Jahr keine Brennelementesteuer mehr bezahlen müssen. Diese hatte die Bundesregierung im Jahr 2011 eingeführt und sie wurde auch vom Europäischen Gerichtshof gebilligt. Die Atomkonzerne scheiterten mit ihren Klagen auch vor dem Bundesfinanzhof. Doch die Bundesregierung unternimmt keinerlei Anstrengungen, diese zum Jahresende auslaufende Steuer zu verlängern. Damit können die Atomkraftwerksbetreiber künftig neues Uran und Plutonium in ihre Reaktoren einsetzen, ohne dafür vom Fiskus zur Kasse gebeten zu werden. Auf immerhin 145 Euro pro Gramm Kernbrennstoff verzichtet damit der Bund. Die Schätzungen, wie hoch der Verlust ist, sind sehr unterschiedlich, da auch der Austausch der Brennelemente nicht kontinuierlich ist. Die Organisation Ausgestrahlt geht davon aus, dass schon in diesem Jahr dem Fiskus 700 Millionen Euro durch die Lappen gehen, weil die Kraftwerksbetreiber den Austausch der Brennelemente auf das kommende Jahr verschieben, wenn sie keine Steuer mehr bezahlen müssen. Auf diese Weise wird die alte Atomkraft, die ja eigentlich auslaufen soll, noch einmal mittelbar gefördert, während die Bundesregierung über die sinnvolle Förderung von erneuerbaren Energien wettert und dabei noch nicht einmal die ganze Wahrheit sagt. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. (Sven Ullrich)