Die Welt kann bis 2050 komplett mit erneuerbaren Energien bestromt werden. Das Ergebnis einer umfassenden Studie eines Teams der finnischen Lappeenranta University of Technology (LUT), die auf der diesjährigen Weltklimakonferenz präsentiert wurde, lässt aufhorchen. Denn banal ist die Aussage keineswegs. Sie basiert auf tausenden Daten über Potenziale in den einzelnen Regionen der Erde, die in ein eigens entwickeltes Prognosemodell eingearbeitet wurden.
Die Forscher haben so den kostenoptimierten Mix von Technologien ermittelt, der auf den lokal verfügbaren Ressourcen in den einzelnen 145 Regionen basiert, in die die Wissenschaftler die Erde aufgeteilt haben. Danach haben sie stündlich aufgelöst die jeweilige Stromerzeugung errechnet und diese dem Stromverbrauch gegenübergestellt – ebenfalls stündlich aufgelöst. Den Ausbaupfad haben sie in Schritten von fünf Jahren berechnet, damit am Ende im Jahr 2050 die komplette Umstellung auf Ökostrom funktioniert. Danach haben sie die Ergebnisse in neun Hauptregionen zusammengefasst. Das sind Europa, Eurasien, Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA), Afrika südlich der Sahara, Südasien, Nordostasien, Südostasien, Nordamerika und Südamerika.
Energiewende ist keine Zukunftsvision
Die Ergebnisse zeigen: Die weltweite Energiewende ist keine Zukunftsvision mehr. Der Nachweis ist erbracht, dass es tatsächlich funktionieren kann. Genau das wurde von den Skeptikern und Gegnern der Energiewende immer als Argument vorgebracht, dass die volatil erzeugenden erneuerbaren Energien keinesfalls in der Lage sind, die komplette Stromversorgung zu übernehmen.
Diese Argumentation klingt erst einmal plausibel. Doch mit dem richtigen Design ist das durchaus möglich. Selbst die sogenannten Dunkelflauten, die gar nicht so lang sind, wie immer angenommen, können überbrückt werden und zwar mit Speichern.
Zusätzlich dazu ist die Versorgung dann sogar noch preiswerter als eine Fortführung des bisherigen Systems, das vor allem auf Kohle und Atomkraft und zu einem kleineren Teil auf Gaskraftwerken und zu einem noch kleineren Teil auf erneuerbaren Energien beruht. Denn wenn die Energiewende einmal geschafft ist, liegt der durchschnittlich Preis für eine Megawattstunde Strom bei 52 Euro – inklusive der Kosten für die Abregelung von Ökostromanlagen und die Speicherung von Strom sowie der Netzkosten. Zum Vergleich: Der Strompreis des hauptsächlich fossil erzeugten Stroms lag 2015 im weltweiten Durchschnitt bei 70 Euro pro Megawattstunde.
Steilvorlage für die Weltklimakonferenz
Außerdem haben die Forscher ausgerechnet, dass aufgrund der Energiewende 17 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. So werden im Jahr 2050 36 Millionen Beschäftigte im Stromsektor arbeiten. Im Jahr 2015 waren hingegen nur 19 Millionen Menschen in diesem Sektor beschäftigt.
Nun ist die Politik am Zuge. Die Studie ist eine Steilvorlage für die Teilnehmer der Weltklimakonferenz in Bonn. „Die Energiewende ist nicht länger eine Frage von technologischer Umsetzbarkeit oder wirtschaftlicher Rentabilität, sondern eine Frage des politischen Willens” bestätigt Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der LUT und Hauptautor der Studie. Er ist außerdem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Energy Watch Group. Die Hürden beim Ausbau der Ökostromanlagen müssen endlich beseitigt werden.
Die Energiewende wird also zur politischen Herausforderung. Das wird nicht einfach sein. Denn die alte Energiewirtschaft hat eine starke Lobby, die in der Politik ihre Interessenvertreter findet, die auf der Bremse stehen bleiben und Glauben machen, ohne fossile und atomare Kraftwerke würden wir irgendwann im Dunkeln sitzen. Die Studie der LUT straft diese Politiker Lügen. „Es gibt keinen Grund auch nur einen weiteren Dollar in fossile oder nukleare Energiegewinnung zu investieren” fasst Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group, die Konsequenz aus den Ergebnissen der Studie zusammen. „Alle Investitionspläne in Stromerzeugung mit Kohle, Kernkraft, Erdgas oder Erdöl müssen eingestellt werden und sollten umgelenkt werden in die Bereiche erneuerbarer Energie und die dafür notwendige Infrastruktur”, fordert er. „Alles andere würde nur unnötige Kosten bedeuten und die Klimaerwärmung weiter verschlimmern.“
Photovoltaik und Windkraft übernehmen das System
Konkret haben die Wissenschaftler der finnischen Universität festgestellt, dass das größte Potenzial bei der Photovoltaik liegt. Um einen kosteneffizienten Energiemix zu erreichen, wird die Solarenergie aufgrund der Kostendegression am Ende der Energiewende 69 Prozent der globalen Stromerzeugung übernehmen. Die Windenergie wird 18 Prozent des weltweit erzeugten Stroms produzieren. Der Anteil der Wasserkraft wird bei acht Prozent liegen und die Bioenergie wird mit zwei Prozent zur globalen Stromproduktion beitragen.
Bei den notwendigen Speichertechnologien, die vor allem aufgrund des hohen Anteils der Photovoltaik ausgebaut werden müssen, werden die Batteriespeicher die Nase vorn haben, da vor allem die kurzzeitige Speicherung gebraucht wird. Satte 95 Prozent wird der Marktanteil der Batteriespeicher betragen. Die saisonale Stromspeicherung wird auf Gas basieren, das mit überschüssigem Ökostrom hergestellt wird. Insgesamt werden 31 Prozent des gesamten Stroms in Speichern zwischengelagert und bei Bedarf bereitgestellt. (Sven Ullrich)