Fell monierte in einem von ihm verbreiteten Kommentar zu den Netzausbaukosten einen einseitigen „Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien … [konzentriert] fast nur noch auf Windenergie, und das auch noch immer mehr nur im Norden“. Zusammen mit der unterlassenen Abschaltung von Kohlekraftwerken, die ebenfalls „vielfach“ in den Windenergiekonzentrationsregionen Nord- und Ostdeutschlands anzutreffen seien, sei der mangelhafte Ausbau des Ökostroms insbesondere in Süddeutschland nun für die hohen Kosten verantwortlich, betonte der frühere energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Netzbetreiber Tennet hatte zuvor die Netzregulierungkosten des Jahres auf eine Milliarde Euro geschätzt. In den Jahren 2015 und 2016 hatte das Unternehmen noch Netzstabilisierungskosten von 710 und 660 Millionen Euro geltend gemacht. Der leichte Rückgang dieser Kosten im Jahr 2016 auf „nur“ noch 660 Millionen Euro um 50 Millionen Euro ließ sich dabei auf ein verhältnismäßig schwaches Windjahr zurückführen. 2016 waren die Windstromeinspeisungen nämlich trotz zeitgleichen starken Ausbaus der Windkraft in Deutschland auf fast dem Niveau des Vorjahres bei knapp 80 Terawattstunden (TWh) stagniert. 2017 hatte die Windstromerzeugung hingegen um etwa 30 Prozent zugenommen. Die Aussagen über die Netzregulierungskosten von Tennet gelten als richtungsweisend für Gesamtdeutschland, weil das Unternehmen als einziger der großen vier Übertragungsnetzbetreiber ein von Norden nach Süden durch ganz Deutschland führendes Versorgungsgebiet betreut. Tennet-Stromtrassen transportieren damit regional überschüssigen Wind-Strom aus Norddeutschland direkt bis zu den großen industriellen Verbrauchern in Süddeutschland.
„Es ist gut und richtig, dass die Windenergie auch im Norden stark ausgebaut wird. Aber den Ausbau des Ökostromes fast nur noch auf die Windenergie im Norden unter Vernachlässigung der anderen Regionen sowie der anderen Ökostromarten zu konzentrieren ist ein dramatischer, schon lange sichtbarer Fehler“, betonte Fell. Einzig der flächendeckende bundesweite Ausbau verschiedener Erneuerbare-Energien-Stromanlagen in Verbindung mit einem Ausbau von Stromspeichern könne auf den Anstieg der Netzregulierungskosten daher die richtige Antwort sein. Fell erneuerte in diesem Zusammenhang einen von ihm bereits veröffentlichten Vorschlag einer gesetzlichen Kombikraftwerksvergütung von zehn Cent pro Kilowattstunde (kWh). Sie sollte laut Fell an Betreiber von Anlagen gezahlt werden, die aus verschiedenen Erneuerbare-Energien-Technologien in Verbindung mit Stromspeichern eine konstant verlässliche und sichere Stromversorgung bewerkstelligen.
Derweil hat die Bundesnetzagentur die Mehrzahl der von den Netzbetreibern vergangenes Jahr im Netzentwicklungsplan Strom 2017 bis 2030 präsentierten Netzausbauvorhaben bestätigt: Die Behörde sprach sich für 95 der 165 Netzentwicklungsplan-Ausbauvorhaben aus. Insgesamt fordert sie damit einen weiteren Ausbau der Stromnetze noch über den im sogenannten Bundesbedarfsplan als verbindlich beschlossenen Netzausbau hinaus. Die Bundesregierung muss den Bundesbedarfsplan alle vier Jahre dem Parlament zum Beschluss vorlegen.
Die Bundesnetzagentur betonte, bei den rund 1.000 Kilometern von ihr bestätigten zusätzlichen Neubauleitungen handele es sich überwiegend um Verstärkungen oder Erneuerungen bestehender Leitungen. Ein Schwerpunkt sei darüber hinaus auch der Ausbau des Wechselstromnetzes zwischen Thüringen, Bayern und Hessen.
(Tilman Weber)