Nachdem der Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee in den letzten Jahren stagnierte, soll dieser in den nächsten Jahrzehnten massiv beschleunigt werden. Hierzu wurden die Ausbauziele im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) von mindestens 30 GW bis zum Jahr 2030, mindestens 40 GW bis zum Jahr 2035 und insgesamt mindestens 70 GW bis zum Jahr 2045 erhöht. Um die Flächenkulisse zu erweitern, wurden in 2023 erstmals auch zentral nicht voruntersuchte Flächen ausgeschrieben.
Zentral voruntersuchte Flächen
Zudem wurden die vom BSH zentral voruntersuchten Flächen erstmals über einen Gebotswert und vier sog. qualitative Kriterien vergeben. Dabei wurden die einzelnen Gebote nach folgenden Kriterien durch die BNetzA bewertet.
Dekarbonisierungskriterium
Über das Dekarbonisierungskriterium soll dasjenige Projekt die höchste Punktzahl erhalten, das den höchsten Grünstromanteil bei Herstellung der Windenergieanlagen (WEA) aufweist und grünen Wasserstoff einsetzt. Da die im Projekt einzusetzenden WEA aber erst Jahre nach der Gebotsabgabe produziert werden, kann der künftige Grünstromeinsatz zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe allenfalls prognostiziert werden.
PPA-Kriterium
Über das PPA-Kriterium soll das Projekt die höchste Bewertung erhalten, dessen PPA den höchsten Anteil der zu liefernden Energiemenge an der Gesamtstromerzeugung umfasst. Da die Bieter zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe jedoch noch keinen PPA abgeschlossen haben, genügen insoweit Absichtserklärungen, mit einem anderen Unternehmen künftig einen PPA abschließen zu wollen.
Gründungskriterium
Über das Gründungskriterium sollen alternative Gründungsverfahren bevorzugt werden. Dazu darf weder eine Impulsrammung noch eine Schwergewichtsgründung eingesetzt werden. Stellt sich im Plangenehmigungsverfahren heraus, dass abweichend zu den Angaben im Gebot doch eine Impulsrammung bzw. Schwergewichtsgründung eingesetzt wird, droht die Beendigung des Plangenehmigungsverfahrens durch das BSH. Zudem muss der Bieter eine Pönale in Höhe von 100 Prozent der hinterlegten Sicherheit zahlen.
Ausbildungskriterium
Über das Ausbildungskriterium sollen Projekte bevorzugt werden, die bezogen auf die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten den höchsten Anteil an Auszubildenden aufweisen. Dabei sind der Bieter, mit dem Bieter verbundene Unternehmen und die Unternehmen zu berücksichtigen, die für den Bieter die Errichtung und Wartung der WEA übernehmen sollen. Da zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe mit den Errichtungs- und Wartungsunternehmen aber noch keine Verträge abgeschlossen sind bleibt unklar, wie entsprechende Informationen bereits bei Gebotsabgabe vorliegen sollen.
Fazit
Angesichts aktueller Kostensteigerungen und der weltweit gestiegenen Nachfrage nach WEA-Komponenten kann bezweifelt werden, dass das derzeitige Ausschreibungsdesign geeignet ist, um die ambitionierten Ausbauziele zu erreichen. Kritisch zu hinterfragen ist, ob und inwieweit die qualitativen Kriterien eine sachgerechte Differenzierung der Gebote ermöglichen oder ob diese durch den Gesetzgeber überarbeitet werden sollten.
Autor: Thorsten Kirch, Rechtsanwalt, Görg