Nur 0,34 Prozent der Landesfläche hätten die Regionalverbände im schwäbisch-badischen Bundes-„Ländle“ als Potenzialfläche und damit als zulässige Planungszonen für neue Windparks ausgewiesen, räumte der Ministerpräsident bei einem Online-Treffen mit Landtagskandidaten seiner Partei und mit Bürgerwindparkbetreibern aus dem badischen Ortenaukreis nun ein. Darüber berichtete am Donnerstag die Nachrichten-Internetseite Baden online. Mehr habe der Koalitionspartner von Bündnis 90/Die Grünen im Stuttgarter Landtag, die CDU-Fraktion, nicht zugelassen, zitierte die Website den für seine Wiederwahl werbenden Landeschef. Kretschmann benannte nicht die CDU-Parlamentarier an sich, sondern „das CDU-geführte Wirtschaftsministerium“ unter der Regie der Christdemokratin Nicole Hoffmeister-Kraut als entscheidendes Hindernis für ehrgeizigere Windenergieförderung durch die sogenannte grün-schwarze Koalition. Zur geringen Ausweisung neuer Potenzialflächen sagte Kretschmann wörtlich: „Das ist zu wenig. Eine Pflicht zur Ausweisung von zwei Prozent haben wir nicht hinbekommen, weil das CDU-geführte Wirtschaftsministerium das blockiert hat.“
Zwei Prozent der Landesfläche gelten in der Windenergiebranche seit Jahren als Maß für eine ausreichende Ausweisung für den zur Energiewende benötigten Windparkausbau. In Schleswig-Holstein sind seit Anfang 2021 in den neu veröffentlichten jüngsten Regionalplänen erstmals in Deutschland fast zwei Prozent der Landesfläche als Windparkvorrangflächen ausgewiesen. In vielen anderen Bundesländern sehen Regionalplanungen schon mindestens ein Prozent der Landesfläche für den Anlagenpark-Zubau vor. Baden-Württemberg hinkt allerdings dem Windkraft-Landesziel ohnehin weit hinterher. Es stammt noch aus der ersten Kretschmann-Amtszeit nach dem Wahlsieg der Grünen bei der Landtagswahl 2011. Damals hatte Kretschmann die erste Regierungsbeteiligung der Grünen in Baden-Württemberg erreicht und die Dauerregentschaft christdemokratischer Ministerpräsidenten beendet. Seine damalige grün-rote Koalition von Grünen und SPD setzte durch, dass Baden-Württemberg im Jahr 2020 zehn Prozent der Stromversorgung aus Windparks gewinnen muss. Das dafür notwendige Ausbautempo von im Mittel gut 350 Megawatt (MW) zugebauter Windenergiekapazität pro Jahr war seither nur in den beiden Jahren 2016 und 2017 eingetreten. Infolge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2017 und deren Einführung eines Ausschreibungssystems für die Vergütung neuer Windparks fiel Bawü danach fast auf den Null-MW-Ausbau der Vor-Kretschmann-Ära zurück.
Auch die langsame Genehmigung neuer Windparkprojektierungen durch die baden-württembergischen Behörden - diese Genehmigungen sind die Voraussetzung zur Teilnahme an einer Vergütungsausschreibung - benannte der Ministerpräsident indirekt als ein Manko. Weil das Genehmigungsrecht Bundesrecht sei, habe die Landespolitik aber bei dessen Auslegung auch nur „gewisse Spielräume“, sagte Kretschmann gemäß Baden online. Im Schnitt dauere es bei Windenergieanlagen sieben Jahre von der Idee bis zur Umsetzung.
Der Ministerpräsident hatte im Wahlkampf wie auch noch in dieser Woche bei einer Fernsehdiskussion mit den Spitzenkandidaten aller größeren Parteien stets seine Offenheit für ein Weiterregieren mit dem jetzigen Koalitionspartner CDU erklärt. Die Umfragen lassen aktuell auch eine Ampelkoalition zwischen Grünen, SPD und der im Vergleich zu anderen Bundesländern zuletzt eher Energiewende-aufgeschlossenen Südwest-FDP als Alternative erscheinen. Zu einer möglichen Fortführung von Schwarz-Grün sagte Kretschmann: Die nachrückenden jüngeren CDU-Abgeordneten würden grüner denken, als die nun ausscheidenden älteren christdemokratischen Abgeordneten. Das Wahlprogramm der CDU lasse für die künftige Windkraftpolitik zudem Besserung erwarten.
Dort betont die CDU allerdings nur: „Für die Energiewende benötigen wir jedoch neue, dem Artenschutz gerecht werdende und leistungsfähigere Windkraftanlagen.“ In Bezug auf die langen umweltrechtlichen Genehmigungsprüfungen erklärt die CDU, sie wolle einen „Klimabelang“ als zusätzlichen Abwägungsfaktor im Umwelt- und Naturrecht einführen, der die Windkraft „verantwortungsvoll“ ausbauen lasse. Allerdings wolle sie auch den vom Bundesumweltministerium gegen großen Widerstand der Windenergiebranche eingeführten Ein-Kilometer-Mindestabstand für neue Planungsflächen rings um Siedlungen in Baden-Württemberg durchsetzen.