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Kommentar zur EU-Kommission

Europas Halbherzigkeit: Hilfe für Kohle und Atom

Bis 2030 will die EU ihren Treibhausgasausstoß um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 senken. Soweit die Rahmenbedingungen. Nun hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein neues Energiemarktdesign mit Strukturreform des europäischen Emissionshandels vorgestellt. Dort findet sich eine Reihe von Ansätzen, die in die richtige Richtung gehen, um das Klimaziel zu erreichen. So soll in der vierten Handelsperiode ab 2020 bis 2030 die Gesamtmenge der CO2-Zertifikate im Handel mit Treibhausgasen pro Jahr um 2,2 Prozent sinken. Bislang sind es 1,74 Prozent. Zuvor war die Einführung einer Marktstabilitätsreserve beschlossen worden, um den Überschuss an Handelszertifikaten abzubauen und den Zertifikatspreis auf ein wirksames Niveau zu erhöhen. Soweit so gut.

Der Vorschlag enthält allerdings wiederum Carbon-Leakage-Regelungen, die eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für Unternehmen vorsehen. Befreit von den Zahlungen sind viel zu viele Kraftwerke und Industriebetriebe. Damit droht der Emissionshandel weiterhin ein zahlloser Tiger zu bleiben. Kostenlose Verschmutzungsrechte sind keine Ausnahme, sondern der Standard. Hier zeigt sich die Zerrissenheit der Kommission. Sie weiß, dass sie für den Klimaschutz handeln muss, um bei internationalen Klimaverhandlungen seriös auftreten zu können. Doch sie kann und will sich nicht von der Lobby der alten Energiewirtschaft befreien.

Kostenlose Zertifikate für Verschmutzer

Und noch ein Fehler: Millionen von Zertifikaten, die für die Marktstabilitätsreserve bestimmt waren, werden stattdessen künftig an die Industrie verteilt. Denn nun soll ein Teil der Zertifikate, der bis zum Ende des laufenden Handelszeitraums nicht zugeteilt wurde, statt in der Reserve zu bleiben, der Industrie nach 2020 kostenlos zugeteilt werden. Stattdessen hätten Überschüsse an Zertifikaten dauerhaft vom Markt genommen werden müssen. Bei so viel Halbherzigkeit ist es kein Wunder, dass der Zertifikatshandel seit Jahren am Boden liegt. Wenn die Kommission durch Aufweichungen dafür sorgt, dass er dort bleibt, werden die Klimaziele verfehlt.

Ein anderes Thema war das Energiemarktdesign. Tatsächlich ist hier positiv zu vermerken, dass die Europäische Kommission hier wichtige Weichen für den europaweiten Umbau des Energiesystems stellt. Deutlich wurde auch die kritische Handlung der Kommission zu Kapazitätsmärkten. Sie hält ihre Errichtung grundsätzlich nur sehr eingeschränkt und grenzüberschreitend für hinnehmbar. Damit würden die erneuerbaren Energien im Prinzip gegenüber der Kohle gestärkt.

Klage gegen Hinkley Point C

Konsequenterweise müssten nun auch staatliche Beihilfen und Subventionen für die alte Energiewirtschaft abgebaut werden – wie die oben genannten kostenlosen Zertifikate für Kohlekraftwerke. Gleichzeitig sollte die Atomkraft nicht zur sauberen Energiequelle erhoben werden. Fukushima scheint vergessen, wenn man an das 100-Milliarden-Subventionspaket für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point C denkt. Nach Österreich haben nun auch Ökostromanbieter und Stadtwerke aus Deutschland Klage gegen die öffentliche Förderung des geplanten britischen Atomkraftwerks eingereicht. Das Klagebündnis befürchtet, das Subventionspaket könnte zusammen mit weiteren AKW-Projekten den europäischen Energiemarkt massiv verzerren und der riskanten Atomtechnik Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Fairer Wettbewerb

Dass auch viele Regenerativbranchen ums Überleben kämpfen müssen, wird scheinbar von der Kommission bei ihren einseitigen Hilfen übersehen. Die europäische Photovoltaik-Technologieplattform hat gerade eine neue Studie zur PV-Entwicklung in Europa bis 2030 veröffentlicht. Darin heißt es, eine Gesamtsenkung der Kosten von Photovoltaik-Anlagen von etwa 45 Prozent sei bis 2030 möglich. Wettbewerbsfähigkeit auf dem Strom-Großhandelsmarkt wird bis 2030 erreicht. Einen fairen Wettbewerb benötigt die Regenerativbranche gleichwohl – auch und besonders in Europa. (Nicole Weinhold)