Überschwemmte Straßen, vollgelaufene Keller und sogar massive Zerstörungen ganzer Orte prägen in Süd- und Westdeutschland in diesem Sommer das Bild. Kommunen sind nun gefordert, mit solchen Folgen des Klimawandels umzugehen. Die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) will daher gemeinsam mit Gemeinden verstärkt anpacken, um den Klimaschutz auf die Überholspur zu bringen.
„Wir werden Baden-Württemberg zum Klimaschutzland machen – zum Klimaschutzland Nummer 1 in Deutschland und Europa. Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen wir alle Kräfte mobilisieren“, steht in der Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung Baden-Württembergs. Das ist ein klarer Auftrag an alle Beteiligten, den Klimaschutz noch stärker voranzutreiben. Es geht um Chancen für die Entwicklungsmöglichkeiten künftiger Generationen, die das Bundesverfassungsgericht fordert, aber auch Chancen für die Wirtschaft. Die Landesregierung arbeitet aktuell an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Modernisierungsschritte zu beschleunigen.
Anstoß für Kommunen
Vor Ort sind Gemeinden, Städte und Landkreise der Dreh- und Angelpunkt dafür, dass Effizienzvorhaben und der Umbau in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr durchschlagende Ergebnisse zeigen. Auf diesem Weg zur Klimaschutzkommune steht ihnen die KEA-BW zur Seite. Die Expertinnen und Experten in den Kompetenzzentren und Fachbereichen beraten die Kommunalverwaltungen neutral und unabhängig. Anhand von digitalen Tools zeigen sie, wie sich Energie- und CO2-Bilanzen erstellen und Kosten sparen lassen. Das hat sich für kleine und große Kommunen bewährt.
Mit dem kommunalen Energiemanagementsystem Kom.EMS können Gemeindeverwaltungen Energie- und Wasserkosten für eigene Liegenschaften, den Fuhrpark, die Wasserversorgung und Kläranlagen um bis zu 20 Prozent und in Einzelfällen sogar bis zu 30 Prozent senken. Dieses kostenfreie Webtool haben die Landesenergieagenturen von Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemeinsam entwickelt. Damit erhalten Kommunen zugleich eine fundierte Basis für optimale Investitionsentscheidungen. Saniert eine Gemeinde etwa Rathaus, Schule und Heizanlagen, kann sie mit gutem Beispiel vorangehen und Bürgerinnen und Bürger überzeugen, selbst auch aktiv zu werden.
Das Zertifizierungsverfahren European Energy Award (eea) richtet sich indes auf die gesamte Maßnahmenpalette im Gebiet der Kommune und schließt auch nachhaltige Verkehrskonzepte ein. Wettbewerbe und Förderprogramme, Kom.EMS und eea sind für Gemeinden, Städte und Landkreise Anreize, messbare und vergleichbare Fortschritte beim Klimaschutz vorzuweisen. Denn nur wenn sie die regionalen erneuerbaren Energiequellen maximal nutzen und bei energetischen Sanierungen die Schlagzahl deutlich erhöhen, kann Baden-Württemberg am Ende auch eine Vorreiterrolle als Klimaschutzland erreichen.
Nachholbedarf in Wärme und Verkehr
Der Sanierungsstau und der Anteil der Erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch machen deutlich, wie weit der Weg zur Klimaneutralität 2040 ist: Im letzten Jahr stieg der Anteil der Erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Baden-Württemberg nach Zahlen des Umweltministeriums vom April 2021 auf 16 Prozent. Der Anteil in der Bruttostromerzeugung am Endenergieverbrauch betrug immerhin 41 Prozent. Doch in der Wärmeerzeugung lag er nur bei 15,7 Prozent, und bei den Kraftstoffen waren es lediglich 6,3 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen den erheblichen Nachholbedarf in den Sektoren Verkehr und Wärme.
Seit Ende Oktober 2020 verfügt Baden-Württemberg als erstes Bundesland folgerichtig über eine gesetzliche Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung für große Städte und Landkreise. Hierzu hat das Kompetenzzentrum Wärmewende der KEA-BW einen Leitfaden erstellt und lotst die zuständigen Gemeindevertreter und Gemeindevertreterinnen durch den Prozess der Wärmeplanung. Das fertige Konzept müssen die Kommunen bis 2023 vorlegen. Die Pläne sind Grundlage, um Investitionen in Gebäudesanierungen, Heiztechnik und Wärmenetze in die richtigen Bahnen zu lenken. Dieses Vorgehen bietet sich als Blaupause an, um die Wärmewende in ganz Deutschland voranzubringen.
Ein Drittel des CO2-Austoßes in Baden-Württemberg geht allein auf das Konto des Verkehrs. Bereits im April 2020 legten die KEA-BW, die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg NVBW sowie namhafte Forschungsinstitute wie das Karlsruher Institut für Technologie und das Öko-Institut ein Positionspapier zur Mobilitätswende vor. Neben Konzepten zu Fuß- und Radwegen, Car-Sharing-Optionen und Öffentlichem Nahverkehr thematisieren die Fachleute Beschränkungen für den individuellen PKW-Verkehr. Die Handlungsempfehlungen und dazugehörigen Argumente liefern sie für die kommunalen Entscheider gleich mit. Förderprogramme und Pilotprojekte sollen den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen erleichtern. Für den kommunalen Praktiker sind die Argumente in einer Broschüre zusammengefasst.
In Summe verfügt Baden-Württemberg über bessere gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme zu Klimaschutz, Wärmeplanung, Sanierung und nachhaltiger Mobilität als viele andere Bundesländer. Über die Jahre hat sich zudem eine einmalige Beratungsszene aus Landesenergieagentur und regionalen Energieagenturen etabliert, die Kommunen auf dem Weg zur Klimaschutzkommune unterstützt. Insofern ist für Baden-Württemberg die Chance realistisch, sich im Klimaschutz an die Spitze zu setzen. Jetzt ist die Zeit, in diesen Zug einzusteigen. Die Türen sind offen.
+-+-+-+ Infos +-+-+-+-
Ein Informationsplakat zum Kommunalen Klimaschutz von der KEA-BW zeigt auf einen Blick, was Städte und Gemeinden tun können, um den Klimaschutz auf Trab zu bringen.
Der Umbau des kompletten Energiesystems ebnet den Weg zur Klimaneutralität 2040. Welche einzelnen Bausteine zum Umbau von Strom, Wärme und Verkehr gehören, veranschaulicht der Geschäftsführer der Landesenergieagentur Volker Kienzlen in einem Erklärvideo.
Interessierte finden in der Expertenliste der KEA BW die Ansprechpartner und -partnerinnen zu aktuellen Themen rund um Klimaschutz und Energiewende in Baden-Württemberg.
Autor: Dr.-Ing. Volker Kienzlen, Geschäftsführer der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW)
Wollen Sie mehr über die Möglichkeiten der Städte und Kommunen bei der Energiewende wissen? Dann abonnieren Sie einfach unseren kostenlosen Newsletter! Hier können Sie sich anmelden.