Ortwin Renn ist Professor für Umwelt und Techniksoziologie an der Universität Stuttgart. Auf der Jahrestagung des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien am 7. November in Berlin hat er seinen Zuhörern erklärt, warum das Verhalten der Menschen eine wichtige Rolle spielt im Transformationsprozess von den fossilen Energien zur CO2-neutralen Gesellschaft, wie sie bis zum Jahr 2050 vollständig erreicht werden soll. „Wir brauchen eine Verhaltensänderung in der Bevölkerung“, so Renn. „Zum bei der Effizienz. Wir haben einen Anstieg des Stromverbrauchs um 18 Prozent in den Haushalten.“ Zweites großes Thema sei die Akzeptanzfrage: „Windenergieanlagen kann man nicht verstecken.“
Er nennt einige Umfrageergebnisse, die das Dilemma beschreiben. 74 Prozent der Bevölkerung wissen demnach nicht, wie viel Strom sie verbrauchen. 75 Prozent der Menschen befürworten die Energiewende, 60 Prozent sind aber mit der Umsetzung unzufrieden. „Erneuerbare Energien sind abstrakt hoch willkommen, aber es gibt größte Proteste bei entsprechend nötigen Infrastrukturmaßnahmen“, sagt Renn. Die Notwendigkeit von Speichern sei daher in der Bevölkerung voll anerkannt – wobei allerdings an klein Hausspeicher gedacht wird und nicht an Großspeicher zur Netzstabilisierung, denn das wäre schon wieder ein sichtbarer Eingriff in die Landschaft.
Wärme sparen - wenig populär
Ein anderes Phänomen sei die Wärme im Haushalt. Während beim Strom oft über Einsparmöglichkeiten nachgedacht werde, „erscheint der Wärmeverbrauch den Menschen weniger steuerbar. Die meisten sagen: beim Öl kann ich nichts machen.“ Dabei kann man zum Beispiel durch geringere Raumtemperatur sparen. Als Regel gilt: Jedes Grad weniger spart in etwa sechs Prozent an Heizkosten.
Die Deutschen seien am besten mit Alltagstechnik ausgestattet, aber externe Technik wie früher Atomkraft, heute auch Stromnetze und Windkraft werden kritisch gesehen. „ Technik ist seit entsprechenden Diskursen im anbrechenden 20. Jahrhundert eben immer auch Repräsentation so empfundener „Macht“ gewesen, und damit entsprechend von „Ohnmacht“ des Einzelnen. Bei Widerständen gegen technische Innovationen handelt es sich somit oftmals weniger um Ressentiments gegenüber der Technik selbst, sondern um Misstrauen gegenüber Produzenten, Betreibern und Regulatoren, bzw. um Unzufriedenheit mit Verfahrensfragen“, heißt es in einer Publikation von Renn.
Renn merkt dazu an: „Vorhaben werden aber grundsätzlich eher akzeptiert, je mehr Einsicht in die Notwendigkeit gegeben wird.“ Es müsse der eigene Nutzen erkannt werden, oder der für Menschen, die man wertschätzt. Es gebe aber einen starken Glauben an die Selbstwirksamkeit des eigenen Handelns. Renn nennt das Smart Grid als gute Möglichkeit, dieses Phänomen für die Energiewende zu nutzen. Hier verbindet sich die Begeisterung für Alltagstechnik mit dem Glauben an Selbstwirksamkeit. Man prüft zum Beispiel, wann es günstiger ist, die Wäsche zu waschen. Man hat aber vor allem einfach den Verbrauch viel stärker im Blick, man sieht, an welchen Stellen der Verbrauch reduziert werden könnte.
In dem Zusammenhang erklärt Renn allerdings, alle Techniken, über die man keine Macht hat – „das machen die Leute nicht mit“. Dazu gehöre etwa, dass hausinterne Daten vom Stromversorger eingelesen würden, Stichwort Datenschutz, ein großes Problem beim Smart Grid. Ein anderes Beispiel: Wenn man nachts seinen Wagen nicht benutzen kann, weil er an der Batterieladestation hängt, das seien Aspekte, die nicht akzeptiert würden. Abschließend fasst der Professor aus Stuttgart zusammen, für ihn gebe es drei Phase. Momentan sei man in der ersten Phase der Identifikation mit dem Ziel und der Entwicklung einer grundlegenden Strategie hierfür – „Die haben wir nämlich noch nicht.“ Zweitens ginge es darum, den persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen wahrnehmbar zu machen. Drittens müsse Wert auf Souveränität der Menschen bei der Ausgestaltung gelegt werden. (Nicole Weinhold)