Der Vorschlag des Ministeriums sieht vor, dass Bürgerenergiegesellschaften auch ohne eine Projekt-Genehmigung nach Bundesimmissionsschutz an Ausschreibungen für Windenergie teilnehmen können. Trotzdem bleibt das Risiko bestehen, bei einer Ausschreibung nicht berücksichtigt zu werden, und damit alle Vorentwicklungskosten abschreiben zu müssen. „Unsere Marktuntersuchungen zeigen, dass dieses Risiko alleine Bürgerinnen und Bürger in Zukunft davon abhalten könnte, Windenergieprojekte zu initiieren“, sagt René Mono, Vorstandsvorsitzender des Bündnis‘ Bürgerenergie (BBEn), der zunächst noch vorsichtiges Lob geäußert hatte. „Der Vorschlag des Ministeriums nimmt dieses für Bürgerenergie fatale Risiko nicht aus dem Markt. Es verringert etwas die Auswirkungen des Risikos. Aber das Risiko bleibt fatal“, so Mono weiter. Insgesamt sei der Vorschlag des Ministeriums nicht geeignet, um die Wettbewerbsbenachteiligung von Bürgerenergie in Ausschreibungen zu korrigieren, so der BBEn-Vorstand.
Grundlage dieser Einschätzung sind wissenschaftliche Auswertungen einer Umfrage, die das Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) für das Bündnis Bürgerenergie unter dessen Mitgliedern durchgeführt hat. „Das Bündnis Bürgerenergie erneuert daher seine Aufforderung, dass die Bundesregierung endlich dem Vorschlag der europäischen Kommission folgt und Windenergieparks mit weniger als 18 Megawatt Leistung von Ausschreibungen ausnimmt“, sagt Mono. Dies sei energiewirtschaftlich begründet: Der Strom aus diesen kleineren Projekten sei sehr viel leichter vor Ort nutzbar, die Die Systemkosten so deutlich geringer.
Rechtliche Definition von Bürgerenergiegesellschaften
Der Vorschlag des Ministeriums impliziere außerdem eine rechtliche Definition von Bürgerenergiegesellschaften, so Mono weiter. Diese Definition sehe vor, dass Bürgerenergiegesellschaften mindestens zehn Privatleute als Eigentümer haben müssen. Kein einzelner von ihnen dürfe mehr als zehn Prozent der Anteile besitzen. Weiterhin müssten sie zusammen 50 Prozent des Eigenkapitals der Gesellschaft besitzen und die Hälfte der Beteiligten müsse aus dem Landkreis kommen, in dem das Projekt geplant sei.
„Die regionale Definition von Bürgerenergie ist zu eng gefasst“, kritisiert Marcel Keiffenheim, Aufsichtsratsmitglied und Ausschreibungs-Experte beim BBEn. „Aus sachlichen Gründen sollten die betreffenden regionalen Eigentümer auch aus den Gebietskörperschaften kommen, die an die Gebietskörperschaft des Standortes angrenzen“, so Keiffenheim.
Auch aus anderen Verbänden und von Politikern ist Kritik an der EEG-Reform zu hören. Auf einer Tagung des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) und des Bundesverbands Windenergie zum künftigen Ausschreibungssystem des EEG betonte BEE-Vorstand Jan Hinrich Glahr die Wichtigkeit kleiner Marktakteure für die Akzeptanz der Energiewende. „Diese Basis darf mit dem Umstieg auf Ausschreibungen nicht zerstört werden. Deshalb erwarten wir, dass die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission ausdrücklich aufgezeigten Ausnahmen für kleine Akteure berücksichtigt.“
"Kein Druck aus Brüssel, alles auszuschreiben"
Ausnahmeregelungen will die Bundesregierung indes nicht nutzen. Darüber zeigte sich auf der Tagung Claude Turmes, Abgeordneter der luxemburgischen Grünen im europäischen Parlament, erstaunt. Das Mitglied des Industrieausschusses und Berichterstatter der EU-Erneuerbaren-Richtlinie im Europäischen Parlament betonte: „Es gibt keinen Druck aus Brüssel unisono alles auszuschreiben. Die zuständige Kommissarin Margrethe Vestager hat kürzlich klargestellt, dass Windkraftanlagen mit einer Höchstgrenze von insgesamt 18 MW an installierter Leistung von dem Erfordernis der wettbewerblichen Ausschreibung befreit werden können. Die Bundesregierung muss diese Ausnahme nun auch nutzen; nur so kann die erfolgreiche Bürgerenergiewende weitergeführt werden.“
Niedersachsens Umwelt- und Energie-Minister Stefan Wenzel vertrat den Standpunkt der norddeutschen Bundesländer: „Die Energiewende führt zu einer dezentralen Energieerzeugung und darüber zu einer Stärkung ländlicher Räume. Sie ist gleichzeitig eine große Chance für die regional verankerten Stadtwerke. Mittelstand und Kommunen haben die Entwicklung maßgeblich vorangetrieben. Wir wollen, dass diese Akteure auch im Ausschreibungssystem eine Chance haben.“ (Katharina Wolf)