Die Offshore-Branche scheint auf den ersten Blick noch relativ glimpflich davonzukommen, was die EEG-Novelle anbelangt. Unter anderem ist eine Verlängerung des Stauchungsmodells für Offshore-Windenergie vorgesehen. Das Papier sieht unter anderem für den Ausbau der Windenergie auf See folgende Rahmenbedingungen vorsieht: Bis zum Jahr 2020 sollen 6,5 Gigawatt und bis 2030 15 Gigawatt installiert werden. Die Offshore-Branche ist gleichwohl alles andere als glücklich mit dem Papier.
Ronny Meyer, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB, wundert sich über die öffentliche Wahrnehmung, dass Offshore begünstigt wurde: "Wir sehen eher das Gegenteil: Das Stauchungsmodell wurde zwar verlängert, aber nicht wie uns von der Bundesregierung versprochen zu 19 Cent, sondern mit 18 und 17 Cent, also einer Degression. Das verunsichert die Investoren erneut. Angekündigt ist eine Reduktion der Ausbauziele um annähernd 40 Prozent. Und so wie dieser Deckel ausgestaltet ist, droht sogar noch viel weniger zu kommen. Auch die Ausschreibungen ab 2020 machen uns Sorgen. Das ist zwar noch etwas hin, aber eigentlich müssten wir schon jetzt wissen, wie ausgeschrieben wird. Alle drei genannten Punkte sind negativ für die Offshore-Industrie. "
ERNEUERBARE ENERGIEN: Allerdings ist die Kritik an den Kosten der Energiewende hoch. Und Offshore gehört zu den teuersten Technologien. Da muss doch reagiert werden, oder?
Ronny Meyer: Wenn wir nur auf die Kosten geschaut hätten, hätten wir nie mit der Energiewende angefangen, die ja schon sei zehn Jahren läuft. Wir müssen auch die Frage beantworten, nicht für das Jahr 2016, sondern für 2030, wie sieht denn der Zielzustand aus? Wir haben das mit einer Offshore-Studie getan. Mit Offshore sinkt der Bedarf an Speichern und Backup-Kapazitäten. Damit spart man langfristig Geld. Wir kritisieren, dass die Politik da auf die kurzfristigen Ergebnisse schaut, denn darum geht es ja beim Stauchungsmodell, das langfristig gesehen nicht teurer ist, man würde aber nach acht Jahren auf 3,5 Cent fallen und das müsste erstmal eine andere Energieform schaffen.
Nach den acht Jahren wird der eingespeiste Strom über die Börse verkauft, richtig?
Man könnte es auch anders sagen: Dann sind wir quasi wettbewerbsfähig.
Welche Konsequenzen haben die Ankündigungen von Sigmar Gabriel?
Nach einem Gespräch mit Peter Altmaier Ende vergangenen Jahres im Rahmen der Koalitionsverhandlungen haben wir gedacht, der Gordische Knoten sei geplatzt. Da hatte man uns die lange erwartete Verlängerung des Stauchungsmodells versprochen. Und mit der Rücknahme des Versprechens von Gabriel im Januar ist die Verunsicherung nun sehr viel größer. Die Investoren glauben der Politik jetzt gar nicht mehr. Das kann man auch verstehen, das ist keine Energiewende, sondern ein Hü und Hott. Da kann man schon verstehen, dass Investoren nicht eine Milliarde auf den Tisch legen für einen Offshore-Park, sondern erstmal warten, bis das EEG kommt. Die Zulieferindustrie braucht aber jetzt die Aufträge und kann nicht mehr warten.
Geht die Branche in die Knie?
Die Branche ist gerade dabei zu verschwinden. Wir haben zwei Jahre keine Aktivitäten gehabt wegen Tennet und der Verzögerungen beim Netzausbau. Die Verunsicherung durch Peter Altmaier wegen seiner EEG-Ankündigungen kam hinzu. Hier an der Küste und überall in Deutschland sind Arbeitsplätze in Gefahr. Wenn es nicht schnell zu einer Lösung kommt, droht bundesweit der Arbeitsplatzabbau, der in Cuxhaven und Emden schon stattgefunden hat.
Wenn wir Areva anschauen, dann auch in der WAB-Heimat Bremerhaven.
Richtig. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob wir nicht einen innovativen Zukunftsmarkt zerstören. Hier werden nicht die richtigen Impulse für Investitionen in moderne Infrastruktur und Innovationen gegeben. Da verspielt die Bundesregierung einen weltweiten Zukunftsmarkt. Wir sehen auch in den nächsten Jahren Offshore in Deutschland, weil wir die Technologie zur Erreichung der klimapolitischen Ziele brauchen. Wenn das so weiter geht, aber vielleicht mit Turbinen und Schiffen aus dem Ausland, ohne deutsche Wertschöpfung.
Wenn wir jetzt nochmal ins Detail gehen. Wo müsste nachgebessert werden?
Das drängendste Problem ist eigentlich die Ausgestaltung der von Gabriel geplanten 6,5 Gigawatt bis 2020 statt der zuvor vorgesehenen 10 Gigawatt. Wenn man die Netzanschlusskapazitäten bei 6,5 Gigawatt deckelt, kommt man auf noch weniger, als das was die Bundesregierung will – vielleicht nur auf 4,5 Gigawatt. Wir plädieren daher für eine großzügige Ausgestaltung und Vergabe der Netzkapazitäten, dann klappt es auch mit den 6,5 Gigawatt. Zu den Ausschreibungen: Die beginnen 2020, und das EEG sieht vor, dass man das Verfahren für die Photovoltaik 2017 erprobt. Die Offshore-Branche kann aber nicht so lange warten. Ausschreibung 2020: wenn das wirklich gewollt ist wie in den Eckpunkten, müsste man eigentlich heute mit den Ausschreibungen beginnen. Sonst klappt das nicht. Wir haben zwischen Finanzierung und erster Einspeisung Zeiten von drei bis fünf Jahren. Wenn der Investor nicht weiß, was er bekommt, weil die Ausschreibung noch gar nicht feststeht, löst er keine Investitionen aus. Einige Projekte sind bald entscheidungsreif, aber solange man nicht weiß, wie hoch die Vergütung ist, wird nicht investiert.
Was hören Sie jetzt aus der Branche?
Während der Strompreisbremse-Diskussion haben einige Unternehmen sehr deutlich gesagt, wir machen jetzt erstmal nicht weiter. Und auch jetzt nach der Rücknahme des Versprechens können wir genau sagen, welche Investoren wieder verunsichert sind. Das ist verständlich, aber auch traurig, weil wir in Deutschland alles haben: die Häfen, die Schiffe, die ausgebildeten Menschen. Wir haben Investoren, die wollen. Aber die Politik hat verlernt, dass Investitionen in Milliardenhöhe einen langfristig sicheren Rahmen brauchen. Das gilt nicht nur für Offshore. Man muss sich auch fragen, ob sich Investitionen in die Infrastruktur lohnen, wenn die Politik so kurzfristige Entscheidungen trifft.
Wenn irgend jemand das stemmen kann, dann die großen Konzerne.
Das glaube ich nicht. Zum einen wird die Wertschöpfungskette nicht von großen Firmen dominiert, sondern von mittelständischen Unternehmen. Aber wenn Sie mal in die Taschen der großen Stromkonzerne schauen, sind die längst nicht mehr so prall gefüllt. Ich glaube, es gibt gute Beispiele bei einzelnen Firmen, Pensionsfonds, Privat Equity Firmen, die das Kapital stemmen. Die ersten Windparks waren unter anderem die Windparks von Stadtwerken aus dem Süden, aus Nordrhein-Westfalen, EWE aus dem Norden. (Nicole Weinhold)